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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 12
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Eckstein, Hans: Die Burgkmair-Ausstellung in Augsburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0507

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STUHL. ANGOLA ÖLGEFÄSS. KAMERUN

SONDERAUSSTELLUNG IM MUSEUM FÜR VÖLKERKUNDE, MÜNCHEN

DIE B URGKMAIR-AUS STELLUNG IN AUGSBURG

Vor vierhundert Jahren starb Hans Burgkmair in Augsburg.
Den Anlaß des Gedächtnisjahres hat die Leitung der bay-
rischen Staatsgemäldesammlung wahrgenommen zu einer
nahezu lückenlosen Darbietung des malerischen Werks in
der Vaterstadt des Künstlers.* Ergänzend treten Kohle- und
Federzeichnungen und eine sorgfältig zusammengestellte
Auslese der Holzschnitte Burgkmairs hinzu. Das Schwankende,
unsicher Tastende und Herumraten eines im jähen Zusam-
menbruch der geistigen, ökonomischen, sozialen Grundlagen
der kollektivistischen Handwerkerkunst des Mittelalters aus
der Bahn geworfenen, unheimlich geschmeidigen Talents
wird offenbar. Das Bildnis des Straßburger Predigers Geiler
von Kaisersberg, das der Siebzehnjährige während seiner
Lehrzeit bei Schongauer malte, ist von der eindringlichen
Primitivität der älteren Augsburger Schule, noch ganz be-
fangen in der nüchternen handwerklichen Art des Vaters
Thoman Burgkmair. In den Basilikenbildern für das Augs-
burger Katharinenkloster (1501 —1504) wetteifert er mit Hans
Holbein dem Alteren, mit dem er den Auftrag zu teilen
hatte. Burgkmair ist kühner und unbedenklicher in der Über-
nahme südlicher Lehnformen — er gibt das früheste Beispiel
für die Verwendung rein italienischer Formen in der deut-
schen Malerei —, seine Palette ist prunkender als die Hol-
beins, dessen der Augsburger Galerie gehörigen Bildtafeln
zusammen mit dem Werk der beiden Burgkmair, des Vaters
und des weitaus begabteren Sohnes, gezeigt werden. Aber
Holbein, den die Modeformen nicht locken, hat die größere
Ausdrucksdichte, die stärkere Vorstellungskraft: die hohe
künstlerische (Qualität seiner Bildtafeln geben ein strenges
Maß, dem doch nur wenig Werke des bewußt modernen

* Die Ausstellung ist inzwischen nach München in die Alte Pina-
kothek und in die Staatliche Graphische Sammlung überfuhrt worden.

Burgkmair genügen. Burgkmair bleibt ein Gotiker bei aller
humanistischen Lebensstimmung, trotz allen gehäuften, gro-
ßenteils unverstanden aus dem Süden bezogenen Renaissance-
geschnörkels. Die freie südliche Schönheit, zu der er sich
offen bekannte und um die er sich in hartem Ringen mühte,
vermochte er nicht zu durchdringen, sein mittelalterlich-
deutscher Charakter war nicht frei genug, um an ihr zu
einem Europäertuni, wie es die Zeit forderte, zu wachsen, er
hatte nicht die gestalterische Kraft zu einer hochpersünlichen
Synthese wie Dürer. Sein Werk ist renaissanceartig, aber
doch keine Renaissance. Gerade das Wesen jener sogenann-
ten „deutschen Renaissance", die es mit Ausnahme eines
grandiosen Sonderfalls, der Kunst des jüngeren Holbein, nur
als eine mehr oder minder verworrene Modeerscheinung ge-
geben hat, kann dem Besucher dieser Ausstellung so recht
klar werden. Als stärkste F^indrücke bleiben das Fragment
mit Christus am Olberg (1505) der Hamburger Kunsthalle,
ein Stück erlesener Malerei, voll tiefer persönlicher Religio-
sität, der Johannes- und der Kreuzaltar der alten Pinakothek.
Kein zweites Bild dieser Schau aber har soviel innere Wärme
und Kraft wie die Madonna von 1509, die das Germanische
Museum in Nürnberg besitzt; nie wieder hat der jede An-
regung des Südens dankbar aufgreifende Schwabe aus Ve-
nedig soviel Farbe herausgeholt. Unter den wenigen Werken,
die nicht gezeigt werden können, befindet sich leider auch
das menschlich ergreifende Selbstbildnis mit der Gattin (Wien),
das sich wohl auch in diesem Zusammenhange als das neben
der Madonna von 1509 bedeutendste Burgkmairbild erwiesen
hätte. Zu der Ausstellung ist ein von K. Feuchtmayr wissen-
schaftlich sehr sorgsam bearbeiteter Katalog erschienen (bei
Filser), der als Zusammenfassung des gesamten (juellenma-
tetials über den aktuellen Anlaß hinaus Bedeutung hat.

Hans Eckstein

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