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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 3
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0151

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GEORG KOLBE, DER RATHENAU-BRUNNEN IM VOLKSPARK REHBERGE, BERLIN

CHRONIK

NACHRUF FÜR PELIZAEUS

Am 14. Oktober starb in Hildesheim Herr Wilhelm Peli-
zaeus, Dr. h. c. und Ehrenbürger von Ilildesheim, im
80. Lebensjahre. Dieser Verlust geht alle Kunstfreunde an.
Wer war Wilhelm Pelizaeus'r

In der Agyptensammlung des britischen Museums zu Lon-
don stehen ganz friedlich eine Menge von täuschend ange-
malten Abgüssen zwischen den Originalen und werden im
Katalog harmlos mit abgebildet. Im neuesten Londoner Katalog
erscheint tatsächlich eine Figur, die im Museum zu Kairo
steht, der berühmte „Scheich el Beiern", der Dorfschulze.

Diesen Gesichtspunkt von vorgestern können kleinere
Museen am leichtesten überwinden. Sie haben die Ellen-
bogenfreiheit, um diese ägyptische Kunst wirklich als Kunst
hinzustellen. Sehr weit ist die Sammlung in Leyden in Holland
hiermit gegangen. Am weitesten aber Herr Pelizaeus in Hildes-
heim, der seiner Vaterstadt ein Museum geschenkt — tatsächlich,
nicht nur sozusagen geschenkt — hat. Diese Stadt, die vor bei-
nahe tausend Jahren, zur Zeit des Bischofs Bernward, eine
Hochburg der deutschen Plastik war, besitzt durch diese Schen-
kung ein ägyptisches Kunstmuseum von einer Bedeutung, wie

sie in Europa nicht wieder vorkommt. Ilildesheim hat für
die ägyptische Kunst, als Kunst, das Museum der Zukunft.

Herr Pelizaeus lebte als Kaufmann jahrzehntelang in Kairo,
als Importeur und als Erbauer von Eisenbahnen. Schon als
junger Mensch interessierte er sich für die Kunst der alten
Ägypter, kaufte einiges, begann zu sammeln und wurde ein
Sammler, wie so mancher, der dort unten lebte. Aber von
so manchen unterschied er sich bald dadurch, daß ihn nicht
das Altertümliche und die Kuriosität dieser Dinge, die da
ausgegraben und gefunden, wieder eingegraben und gefälscht
und gehandelt wurden, besonders lockte, sondern daß er das
Künstlerische darin sah, so scharf und so fein sah, wie wenige
in den achtziger und neunziger Jahren. Aber es war keine
flüchtige Neigung und ein Zeitvertreib, was ihn fesselte, son-
dern Liebe. Er lernte alles, was es zu lernen gab. Die Über-
schüsse aus seinen Einkünften kamen immer ausschließlicher
seiner Sammlung zugute, und als diese Überschüsse groß genug
waren, fing er an Ausgrabungen zu machen, nicht wie ein
Schatzgräber, der Gold sucht, sondern streng wissenschaftlich,
als der halbe Gelehrte, der er geworden war, mit dem ganzen
Apparat der ägyptologischen Technik, manchmal zusammen

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