MEISTER BERTRAM, ALTAR
DETAIL DER RECHTEN HÄLFTE, AUSGIESSUNG D. HL. GEISTES DETAIL DER LINKEN HÄLFTE, ÖLBERG
MUSEUM KUR KUNST UND LANDES«.EMHICHTE, HANNOVER
EIN NEUER ALTAR MEISTER BERTRAMS
IM MUSEUM t-ÜR KUNST UND I. AND ES G E S CHI CHTE IN HANNOVER
Die niedersächsische Malerei aus dem Ende des vierzehn-
ten Jahrhunderts ist um ein wichtiges Stück bereichert
worden. Vor einiger Zeit tauchte in England aus der Samm-
lung des Sir Frances Sharp Powell ein vollständig gemaltes
Triptychon auf, das sich als eine eigenhändige Arbeit des
Meister Bertram herausstellte. Berliner Kunsthändler brachten
den Altar nach Deutschland zurück. Ein erfreulicher Einzel-
fall in der Zeit der Abwanderung deutscher Kunstwerke nach
dem Ausland, daß ein Werk, das möglicherweise ursprüng-
lich für England gemalt war, wieder zurückkam! Jedoch
hörte man nicht ohne Sorge von Gerüchten, die von Teilung
dieses seltenen Ganzen wissen wollten. Um so beruhigen-
der ist es nun, daß der Altar in seiner Geschlossenheit —
einschließlich der abgesägten Außenseiten — einem deutschen
Museum eingereiht worden ist. Es ist dem Direktor des
Museums für Kunst und Landesgeschichte in Hannover,
Dorner, gelungen, den Bertramaltar für sein Museum zu er-
werben. Mit der „Goldenen Tafel" und diesem Bertramaltar
wird jetzt in Hannover die Kunst um 1400 mit seltener
Nachdrücklichkeit und seltenem Glück repräsentiert.
Die Ikonostasis, diese sechzehn Tafeln der Schauseite mit
den Darstellungen aus der Passion Christi, sind im alten
Rahmen und in selten guter Erhaltung auf uns gekommen
(nur die beiden AuIJenflügel mit Verkündigung und Krönung
Mariä sind vorsichtig aufgefrischt); das Gold des Grundes,
das Rot, Grün und Blau leuchtet in der alten Kraft. Un-
verfälscht wird die Kunst des Meisters vermittelt: reiner als
durch das gesicherte Werk, den Hamburger Petri- (Grabower)
Altar, der zwischen 1379 und 1383 entstanden ist, an dem
die wechselvollen Schicksale nicht ohne Spuren zu hinter-
lassen vorübergegangen sind, dessen Goldgrund ganz erneuert
ist, reiner als auf den sechs Tafeln des Musee des arts decora-
tifs in Paris — von dem Apokalypsen-Altar im South Ken-
sington-Museum in London oder anderen Altären Bertrams
oder seines Kreises gar nicht zu reden. Wirklich vergleich-
bar ist er nur dem Buxtehuder Altar in Hamburg, dem er
sowohl im Stile als in der fortschrittlicheren Kompositions-
weise am nächsten steht.
Meister Bertram ist kein nuancierter Feinmaler, seine Art
ist mehr primitiv und dekorativ. Seine Gestalten, nicht
gertenhaft biegsam, sind eher schwer als schlank. Auf einem
schmalen Bodenstreifen, der häufig als Fliesenboden in „ver-
kehrter" Perspektive oder als schwere, kantig ausgestochene
Erdplatten gegeben ist, steigen sie in wenig differenziertem,
gleichmäßig verlaufendem Umriß auf. Oft ist die ganze Figur
vor den Goldgrund gestellt, wodurch die Silhouette beson-
ders wirksam wird; die sparsam gebrauchten Gesten erhalten
durch diese Isolierung besondere Nachdrücklichkeit. Bei mehr-
figurigen Gruppen sind die Hauptgestalten durch Größen-
betonung und lichtere Farbgebung herausgehoben. Böhmische
Vorbilder mögen Bertram zur räumlichen Charakterisierung
angeregt haben. Aber gegen den Petrialtar ist eine zu-
nehmende Eroberung der Räumlichkeit eingetreten. Glaub-
hafter und freier ist jetzt das Übereinander der Figuren ge-
SO
DETAIL DER RECHTEN HÄLFTE, AUSGIESSUNG D. HL. GEISTES DETAIL DER LINKEN HÄLFTE, ÖLBERG
MUSEUM KUR KUNST UND LANDES«.EMHICHTE, HANNOVER
EIN NEUER ALTAR MEISTER BERTRAMS
IM MUSEUM t-ÜR KUNST UND I. AND ES G E S CHI CHTE IN HANNOVER
Die niedersächsische Malerei aus dem Ende des vierzehn-
ten Jahrhunderts ist um ein wichtiges Stück bereichert
worden. Vor einiger Zeit tauchte in England aus der Samm-
lung des Sir Frances Sharp Powell ein vollständig gemaltes
Triptychon auf, das sich als eine eigenhändige Arbeit des
Meister Bertram herausstellte. Berliner Kunsthändler brachten
den Altar nach Deutschland zurück. Ein erfreulicher Einzel-
fall in der Zeit der Abwanderung deutscher Kunstwerke nach
dem Ausland, daß ein Werk, das möglicherweise ursprüng-
lich für England gemalt war, wieder zurückkam! Jedoch
hörte man nicht ohne Sorge von Gerüchten, die von Teilung
dieses seltenen Ganzen wissen wollten. Um so beruhigen-
der ist es nun, daß der Altar in seiner Geschlossenheit —
einschließlich der abgesägten Außenseiten — einem deutschen
Museum eingereiht worden ist. Es ist dem Direktor des
Museums für Kunst und Landesgeschichte in Hannover,
Dorner, gelungen, den Bertramaltar für sein Museum zu er-
werben. Mit der „Goldenen Tafel" und diesem Bertramaltar
wird jetzt in Hannover die Kunst um 1400 mit seltener
Nachdrücklichkeit und seltenem Glück repräsentiert.
Die Ikonostasis, diese sechzehn Tafeln der Schauseite mit
den Darstellungen aus der Passion Christi, sind im alten
Rahmen und in selten guter Erhaltung auf uns gekommen
(nur die beiden AuIJenflügel mit Verkündigung und Krönung
Mariä sind vorsichtig aufgefrischt); das Gold des Grundes,
das Rot, Grün und Blau leuchtet in der alten Kraft. Un-
verfälscht wird die Kunst des Meisters vermittelt: reiner als
durch das gesicherte Werk, den Hamburger Petri- (Grabower)
Altar, der zwischen 1379 und 1383 entstanden ist, an dem
die wechselvollen Schicksale nicht ohne Spuren zu hinter-
lassen vorübergegangen sind, dessen Goldgrund ganz erneuert
ist, reiner als auf den sechs Tafeln des Musee des arts decora-
tifs in Paris — von dem Apokalypsen-Altar im South Ken-
sington-Museum in London oder anderen Altären Bertrams
oder seines Kreises gar nicht zu reden. Wirklich vergleich-
bar ist er nur dem Buxtehuder Altar in Hamburg, dem er
sowohl im Stile als in der fortschrittlicheren Kompositions-
weise am nächsten steht.
Meister Bertram ist kein nuancierter Feinmaler, seine Art
ist mehr primitiv und dekorativ. Seine Gestalten, nicht
gertenhaft biegsam, sind eher schwer als schlank. Auf einem
schmalen Bodenstreifen, der häufig als Fliesenboden in „ver-
kehrter" Perspektive oder als schwere, kantig ausgestochene
Erdplatten gegeben ist, steigen sie in wenig differenziertem,
gleichmäßig verlaufendem Umriß auf. Oft ist die ganze Figur
vor den Goldgrund gestellt, wodurch die Silhouette beson-
ders wirksam wird; die sparsam gebrauchten Gesten erhalten
durch diese Isolierung besondere Nachdrücklichkeit. Bei mehr-
figurigen Gruppen sind die Hauptgestalten durch Größen-
betonung und lichtere Farbgebung herausgehoben. Böhmische
Vorbilder mögen Bertram zur räumlichen Charakterisierung
angeregt haben. Aber gegen den Petrialtar ist eine zu-
nehmende Eroberung der Räumlichkeit eingetreten. Glaub-
hafter und freier ist jetzt das Übereinander der Figuren ge-
SO