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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 1
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Grosz, George: Lebenserinnerungen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0045

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GEORGE GROSZ, SCHREIBENDER. BLEISTIFTZEICHNUNG

LEBENS ERINNERUNGEN

V O N

GEORGE GROSZ

Anmerkung der Redaktion: Den hier mitgeteilten
Erinnerungen von George Grosz geht ein erster Teil voran,
der an anderer Stelle abgedruckt worden ist. Darin wurde
erzählt, daß der Künstler geborener Berliner ist, seine
Jugend aber in einer pommerschen Kreisstadt nahe der
Ostsee verlebt hat, wo die Mutter, nach dem Tode des
Vaters, die Küche des Offizierskasinos bewirtschaftete. Das
war ein Jahrzehnt vor dem Kriege. Grosz hat schon
früh gezeichnet. Sein erster Anreger war ein Dekorations-
maler, der sich selbst einen „Linienstilisren" nannte; seine
stärksten Eindrücke empfing er auf Jahrmärkten von den

Wir hatten damals an der Realschule einen sehr
verständigen Mann, den Zeichenlehrer Papst.
Er stützte mich durch Rat und Tat, er war der
einzige, der mein Talent sehr früh erkannte und
meiner Mutter zuredete, mich Maler werden zu
lassen. Papst stammte aus Österreich und war
akademisch gebildet. Nach lustigen, etwas boheme-
haften Studienjahren aufs Geldverdienen angewie-
sen, war er schließlich bei dem sehr geschätzten
Hofmaler Iser in Stettin gelandet. Iser, darin dem
weltberühmten Fischer in der Berliner Passage ähn-

„schauerlich schönen Greuelpanoramengemälden" und von
dem Riesenzirkus Barnum & Bailey. Als er einen ülfar-
benmalkasten geschenkt bekommen hatte, begann er nach
Künstlerpostkarten zu malen. Wilhelm Busch geliel ihm so
gut, daß er in einer Nacht die ganze Silen- und Nymphen-
geschichte abzeichnete. Und er machte eigentlich alles nach,
was er im Kasino an den Wänden, in den Auslagen der
Buchläden und in den illustrierten Familienblättern sah.
Die Schule mußte Grosz verlassen, als er einem Kandidaten
einst eine Ohrfeige kräftig erwidert hatte. liier setzen die
nun folgenden „Erinnerungen" ein.

lieh, hatte eine richtiggehende Fabrikation reprä-
sentativer Porträts. Er lieferte an Rathäuser, Schu-
len, Kasinos und andere öffentliche Gebäude die
nötig verlangten Abbilder der Rats- und Standes-
herren, der Abgeordneten, der Bürgermeister, Ge-
neräle und aller verdienstvollen Söhne der Ge-
meinden. Er hatte einen ganzen Stab von Ge-
hilfen, und darunter war eben auch besagter Papst
gewesen. Später wechselte er diese Stellung und
wurde neben dem sehr alten und komischen Herrn
Fitzlaff zweiter Zeichen- und Turnlehrer an un-

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