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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 2
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Rosenberg, Jacob: Die Berliner Versteigerung Figdor
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0116

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HIERONYMUS BOSCH, DER VERLORENE SOHN. DURCHMESSER 71,5 cm

SAMMLUNG FIGDOR. 385 OOO II

DIE BERLINER VERS

Die Aussichten für die zweite Versteigerung Figdor, die
unter Leitung der Firma Paul Cassirer am 29. und
30. September im Hotel Esplanade stattfand, waren nach all-
gemeiner Ansicht ungünstig. Nicht nur die unklare inner-
politische Lage, so glaubte man, drücke schwer auf den Kunst-
markt, es fehle auch an Aufnahmefähigkeit für die vielen
kleinen kunstgewerblichen Objekte dieser Sammlung und die
stattliche Menge deutscher Plastik. — Es kam anders. Das
Ergebnis der Auktion war ein überraschend gutes (über vier
Millionen Mark) im Verhältnis zu der augenblicklichen wirt-
schaftlichen Notlage. Daß beinahe die gesamte internationale
Kunstwelt erschienen war, war weniger ausschlaggebend als
der Umstand, daß wirklich ernsthaft gekauft wurde, daß die
bedeutenderen Objekte fast alle ihre Preise brachten (der
Hieronymus Bosch sogar 385000 Mark!) und daß auch die
weniger internationalen Stücke reichlich Absatz fanden.

Das Ergebnis der Auktion verleitet zu einigen Folgerungen
über die materielle Bewertung von Kunstwerken in der jüngst
vergangenen Zeit und zu gewissen Schlüssen für die Zukunft.
Zunächst hat sich wieder herausgestellt — woran Eingeweihte
nie gezweifelt haben —, daß die Wertstabilität bedeutender
Kunstwerke eine außerordentlich große ist. Der Grund hier-
für liegt einmal in der zunehmenden Seltenheit hochrangiger
Objekte, er ist aber auch in der wirtschaftspolitischen Über-
legung zu suchen, daß große Kunstwerke stets einen inter-
nationalen Markt finden werden, solange es noch irgendwo
in der Welt freies Kapital gibt. Allein aus diesen beiden
Gründen läßt sich für die Zukunft mit einiger Sicherheit vor-
aussagen, daß die Preissteigerung — von kleineren Schwan-
kungen abgesehen — anhalten wird. Ein interessantes Bei-
spiel solcher Preissteigerung auf der Auktion Figdor bietet
das kleine, vermutlich französische Bildchen um 1400 mit
Darstellung der Geburt Christi, Katalog-Nr. 34. Es brachte
65000 Mark. Der alte Figdor hatte es vor etwa dreißig Jahren
von Julius Böhler in München um 275 Mark erstanden. Herr
Böhler hatte es kurz zuvor für 220 Mark gekauft. — Daß
manches unbedeutendere Werk seinen Ankaufspreis nicht ge-

'EIGERUNG FIGDOR

bracht hat, soll dabei nicht verschwiegen werden. Unsere
Überlegung galt aber bisher nur den Objekten von inter-
nationalem Range.

Als zweites Moment ließ der Verlauf der Versteigerung
erkennen, daß der Preisabstand zwischen hohen und mittleren
(Qualitäten immer noch im Wachsen begriffen ist. Die kleine
Madonna von Giovanni di Paolo (Nr. 9), die Agnew kaufte,
brachte 135000 Mark. Hingegen waren etwas geringere, doch
immer noch reizvolle Quattrocentotafeln, wie etwa die beiden
Florentiner Legendenszenen um 1450 (Nr. 6 und 7), um wenige
tausend Mark zu haben. Das war zu Figdors Zeiten anders.
Zweifellos hat sich seitdem der Qualitätsbegriff durch die
Ablehnung aller bloß kulturhistorischen oder außerästhetischen
Werte verschärft. Aber auch der soziologische Hintergrund
unserer Zeit spielt bei dieser Entwicklung eine Rolle. Das
wohlhabende Bürgertum ist zusammengeschmolzen. Die we-
nigen Reichen werden immer reicher und anspruchsvoller.
„Richesse oblige" gilt heute ebenso wie einstmals das „No-
blesse oblige".

Zum dritten läßt sich bei Gelegenheit dieser Berliner Figdor-
auktion feststellen, daß die bedeutende Sammlerpersönlichkeit
immer noch den Marktwert der Dinge steigert, die sie in ihr
Bereich einbezieht, für sammelnswert hält. Es gab auf dieser
Auktion manches Bild, manche Plastik, manches Kunstgewerbe-
stück, die im freien Handel unter den jetzigen Verhältnissen
keinen Käufer gefunden hätten. In der Sammlung Figdor
übten sie aber dadurch, daß sie Teil an der Atmosphäre des
Ganzen hatten, daß man eine interessante Seite an ihnen —
eben die von Figdor genossene — stärker herausfühlte, einen
erhöhten Reiz aus und fanden Abnehmer.

Schließlich sei noch die Frage aufgeworfen, wo die Grenzen
des internationalen und des nationalen Interesses und damit
auch der Bewertung bei dieser Auktion lagen. Die Geschmacks-
grenze des internationalen Kunstmarktes steht ziemlich fest.
Sie ist einigermaßen konservativ und nur schwer dehnbar.
Man wußte im voraus, daß die italienische Quattrocentoplastik
nach Amerika wandern würde, was wohl bei den von Stern-

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