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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 5
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Scheffler, Karl: Das steinerne Berlin
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m.i.

jildtaf*

Mit

negro, Korsika und noch einiges. Überall ist die unterneh-
mende Verfasserin umhergesaust und hat über alles hübsche
Berichte geschrieben, munter und anschaulich, die sich lesen,
als wenn sie zuerst in Tageszeitungen erschienen wären. Hier
interessieren vor allem die Zeichnungen. Sie sind dünn, blaß,
in zarter Strichmanier und sehen nicht aus, als wenn sie
Aug in Aug mit der Natur vollendet wären. Afrika sieht in
diesen Zeichnungen aus wie Südamerika und wie Griechen-
land. Man braucht nicht die Welt zu durchreisen, um so zu
illustrieren. K. Sch.

Friedrich Kaulbach. Erinnerungen an mein Vater-
haus von Isidore Kaulbach. Mit 8 Bildtafeln. Verlag von
E. S. Mittler & Sohn, Berlin 1931.

Pietätvolle Erinnerungen einer liebevollen Tochter an ihren
Vater, dessen Kunst sie für bedeutend genug hält, um ihr
ein dickes Buch zu widmen. Es ist mehr eine Privatange-
legenheit der Verfasserin als eine Sache, die die Öffentlich-
keit angeht. Wenn es noch wenigstens Wilhelm Kaulbach
gewesen wäre! Das Buch hat nicht einmal den Reiz, der
sonst fast jeder Lebensbeschreibung eigen ist. Es ist farblos.

K. Sch.

Carlos und Nicolas von Rudolf Johann es Schmied.
Mit vielen Bildern von Hans Meid. Erich Reiss Verlag,
Berlin.

Illustrierte Bücher sind selten geworden; sie interessieren
nicht mehr. Hoffentlich ist dieses von Hans Meid reich mit
Federzeichnungen illustrierte Buch ein neuer Anstoß. Er hat die
ihm gestellte Aufgabe vorzüglich gelöst, mit Geist und Ge-
schmack, als ein würdiger Enkel Menzelschen Geistes. Leider
mußte er seine graziös treffende Erfindungsgabe an einen recht
unzulänglichen Text verschwenden: an eine Max und Moritz-
Geschichte, die in Argentinien spielt und der es sowohl an
Salz wie an Pfeffer fehlt. K. Sch.

Geliebter Sohn. Elternbriefe an berühmte Deut-
sche. Herausgegeben von Paul Elbogen. Ernst Rowohlt Ver-
lag, 1930.

Der Band, der diesem vorausging, hieß „Liebste Mutter"
und ist im gleichen Verlag erschienen. Unter den Empfän-
gern der Briefe sind nur zwei bildende Künstler: Wilhelm
Leibi und Anselm Feuerbach. Dennoch verdient die Samm-
lung auch an dieser Stelle eine empfehlende Anzeige. Daß
die Briefe bis auf Karl den Großen zurückgehen, ist ja et-
was gar zu gründlich. Sonst aber geben sie viel und vielerlei.
Sie regen viele Fragen an und geben auf keine erschöp-
fende Antwort. Im übrigen ist ja alles Biographische inter-
essant; so betrachtet ist das Buch in allen seinen Äuße-
rungen anregend. K. Sch.

Moeller van den Bruck: Die italienische Schön-
heit. Dritte neubearbeitete Auflage. Mit 51 Abbildungen.
J. G. Cottasche Buchhandlung Nachfolger, Stuttgart und
Berlin.

Daß dieses charaktervolle Buch eines zu früh Gestorbenen
jetzt neu aufgelegt werden konnte, ist ein Beweis, daß
(Qualität sich durchsetzt. Es ist in diesem Buch ebensoviel
Wissen wie Willen, es ist zugleich objektiv und verhalten
leidenschaftlich. Ein Nachteil ist die zu große Breite. Die
fünfhundert Seiten hätten durch eine straffere Disposition
klarer gegliedert werden können. Dennoch: Das Buch hat
bereits seine Mission gehabt und wird sie noch weiterhin
haben. K. Sch.

DAS STEINERNE BERLIN

KARL SCHEFFLER

Uber Architekturgeschichte und Städtebau sollte nicht allzu
geistreich geschrieben werden. Das Thema verlangt mehr
Sinn für ruhige Vernunft als Lust an scharfen Begriffszu-
spitzungen. Mit vorgefaßten Tendenzen aber ist im Histo-
rischen schon gar nichts auszurichten.

Das sollte sich Werner Hegemann gesagt sein lassen, der
im Verlag Gustav Kiepenheuer, Berlin, einen starken illustrier-
ten Band „Das steinerne Berlin" herausgegeben hat. Seine
Arbeit verdient eine ausführlichere Anzeige, um ihrer Vor-
züge und um ihrer charakteristischen Schwäche willen. Das
Positive des Buches liegt in dem umfangreichen, klug, fleißig
und mit viel Spürsinn zusammengebrachten Material zur Bau-
geschichte und Baupolitik Berlins. Dieses Material hätte ge-
nügt für ein vorzüglich orientierendes Buch. Leider zielte
Hegemanns Ehrgeiz nach etwas anderem. Er hat sich „zeit-
gemäß" eingestellt und hat schlechterdings alle Tatsachen
gewaltsam auf eine einzige Idee bezogen, auf eine Kampf-
idee, die gegen das Wohnungselend der Großstadt Berlin ge-
richtet ist. Das ist an sich eine fruchtbare Zeitidee und
wert, daß ein so energischer und kenntnisreicher Mann ihr
sein Leben weiht. Grotesk aber ist es, die komplizierte Bau-
geschichte Berlins ausschließlich sozial, ja sozialistisch zu
sehen. Und ebenso grotesk ist es, dann noch tendenzvoll
modernen Pazifismus hineinzumischen. Es hat hier zu einem
bei allem Temperament eintönigen Moralisieren geführt. Dem
Großen Kurfürsten und Friedrich dem Großen, zum Beispiel,
wird alle Größe abgesprochen, sie werden als Kriegsverbre-
cher, als Verräter am Deutschtum entlarvt, und letzterer auch
als Urheber des schlimmen modernen Wohnungselends. Was
soll man sagen, wenn eine Abbildungstafel oben zwei Ent-
würfe für ein Denkmal Friedrichs des Großen zeigt und
darunter eine elende, enge Mietshauskammer, zur Illustrierung
derBerliner Wohnungsmisere, mit der Unterschrift, Friedrich II.
sei ein „besonderer Förderer des Berliner Schlafgängerwesens"
gewesen. In solcher Weise wird immer wieder argumentiert;
das ganze Buch ist wie eine historisch verbrämte Hetzrede,
es ist durch und durch demagogisch. Mutig genug mag es
scheinen; nur gehört heute nicht mehr viel zu dieser Art von
Mut. Er ist Mode und hat ein Publikum. Es ist des Landes
heute der Brauch, berühmte Staatsmänner der Vergangenheit
zu kritisieren, als hätten sie die Verpflichtung gehabt, mehrere
Jahrhunderte voraus die Entwicklung mit allen Details zu
kennen und zu berücksichtigen. Wenn der Verfasser solche
Prophetengabe von jedem Hohenzollern fordert, so hätte er
als Schriftsteller wenigstens wahrscheinlich machen müssen,
daß er selbst mit seinen Ideen der Zeit um ein Jahrhundert
oder mehr voraus ist. Er ist aber ganz ein Kind seiner Jahr-
zehnte.

Dennoch lohnt es sich, sein Buch kennenzulernen: um
des sehr ausführlichen, entlegenen und zum Teil sehr inter-
essanten Materials und um der Erkenntnis willen, wie-
viel Fleiß, Intelligenz, Geduld und heftiger Originalitätsehr-
geiz von Zeitgenossen dieser Art in den Dienst einer bis zur
Narrheit übersteigerten Sozialmoral gestellt wird.

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