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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 6
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Glaser, Curt: Junge Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0275

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CLEMENS-WIERSCHEBRINK, STR. ASSENSÄNGER

AUSGESTELLT IM KÜNSTLE RH AUS, BERLIN

JUNGE KUNSTLER

VON

CURT GLASER

Seit der Jugendstil zum ersten Male das wohlverbriefte
Recht des Alters in Frage gestellt hat, ist das Wort
Jugend nicht mehr aus dem Sprachschatz der Kunstliteratur
verschwunden. Junge Kunst ist ein Schlagwort der Zeit,
forscht man aber nach dem Alter ihrer Führer und Träger,
so findet man sie heute fast alle unter den Fünfzig- und
manche sogar unter den Sechzigjährigen. Es ist eine recht ehr-
würdige Jugend, der dieser Ehrentitel verblieben ist, weil
er ihr noch von keiner wirklichen Jugend mit Erfolg streitig
gemacht wurde.

Zu einem Teil ist diese merkwürdige Erscheinung in den
furchtbaren Folgen des Weltkrieges begründet, der ganze Jahr-
gänge der männlichen Jugend gerade in ihren besten Teilen
vernichtet hat. Aber nur mehr zu einem Teile besteht diese
Begründung zu Recht. Denn die Jugend, die jetzt heran-
reift, ist von den Schrecken des Krieges verschont geblieben.
Der Nachwuchs ist da. Es fehlt ihm nicht an guten Talen-
ten. Aber die neue Jugend scheint bereit, dem Alter wieder
sein Recht zu geben und vorerst bescheiden in der zweiten
Reihe zu verbleiben.

Wir haben es vor fünfundzwanzig Jahren anders erlebt.
\\ ir haben damals eine neue Jugend gesehen, die sehr rück-

sichtslos sich nach vorn drängte und allen Raum für sich
beanspruchte, so daß den Alten von damals, die vielfach an
Jahren noch ziemlich jung waren, kaum mehr die Luft zum
Atmen blieb. Jede Kühnheit war erlaubt und wurde ver-
standen. Verboten war nur der akademische Ton, der in
der Tat so sorgfältig ausgerottet wurde, daß er selbst aus
den Akademien und Hochschulen nahezu gänzlich verschwun-
den isr. Heute sind die jungen Leute von damals wohlbe-
stallte Professoren, und der Kampf, der als das Lebensele-
ment der Kunst erschien, ist illusorisch geworden, seit die
Schulen selbst die Lehren der revolutionären Kunst ver-
breiten. Erschien es früher als ein Zug gesunden jugendlichen
Selbstbewußtseins, wenn die Schüler ihren Lehrern, von
denen sie übrigens manches Nützliche gelernt haben moch-
ten, den Kampf ansagten, so begnügen sich heute auch be-
gabte Schüler, getreulich den Spuren ihrer Meister zu folgen.

Wie aber — so wird eingewendet — soll die Jugend ihren
Weg finden, wenn nicht in den Spuren des Alters? So ist
es in früheren Zeiten gewesen, und so wird es immer sein
müssen. Das scheint wahr, und das ist richtig gewesen, so-
lange eine gemeinsame Tradition in den Werkstätten und
Schulen überliefen wurde, die jedem heranwachsenden Ge-

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