Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

DOI Heft:
Heft 11
DOI Artikel:
Eckstein, Hans: Romantische Malerei in Deutschland und Frankreich
DOI Artikel:
Scheffler, Karl: Kleine Wünsche für die Berliner Museumsinsel
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0472

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ROMANTISCHE MALEREI IN DEUTSCHLAND UND FRANKREICH

VON

HANS ECKSTEIN

Die Ludwigsgalerie (Otto II. Nathan) in München hat
unter Mitwirkung von Paul Cassirer eine Romantiker-
schau veranstaltet, der das Nebeneinander von Werken
deutscher und französischer Meister ein eigenartiges Gepräge
gibt. Romantik ist Sehnsucht nach einem Reich ohne Grenzen;
sie lebt aus dem Gegensatz zwischen Begrenztem und Gren-
zenlosem, zwischen Individuum und Universum, zwischen
Endlichem und Unendlichem, zwischen Wirklichkeit und
Traum — aus diesem Gegensatz und in ihm ist auch die von
bedeutenden Empfindungen getragene Schönheit der Kunst
der Romantik gewachsen. Was Blechen und Kersting, Over-
beck und Caspar David Friedrich verbindet, so daß wir ihre
Kunst zusammenfassend romantisch nennen, ist ein innerer
Gehalt, der ihre Bilder beseelt, nicht eine gemeinsame Form.
Die romantische Kunst steht nicht zwischen Klassizismus
und dem malerischen Realismus eines Courbet als eine Kunst
eigener Form, ein besonderer Stil, sondern als eine durch
die Fülle geheimer innerer Kräfte zwanglos doch unver-
kennbar in sich verbundene Vielheit von Formen, selbst-
ständig entwickelten wie eklektisch aus der Vergangenheit
übernommenen. Vergegenwärtigt man sich einen Augenblick
den gleitenden Charakter des Weesens der Romantik, ihre
allseitig bewegende Kraft, so fallen die Bedenken, Delacroix
und Corot neben Blechen und Friedrich zu stellen: man
entdeckt das trotz aller durch Volkszugehörigkeit persön-
lichen Charakter und bildnerische Qualität bedingter Ver-
schiedenheiten Verbindende: ihre Romantik. Wenn in dieser
Ausstellung nicht nur Daumier, sondern auch Waldmüller und
Menzel erscheinen, so läßt sich über die Abgrenzung streiten,
aber es lassen sich gegen die Einbeziehung einer schönen,
1852 auf der Reise nach Wien entstandenen Gouache dreier
Passagiere auf einem Donauschiff von Menzel oder von Wald-
müllers Praterlandschafr von 1840 keine absolut zwingen-
den Gründe anführen. Auch in dem Realismus des jungen
Menzel und Waldmüllers steckt ein Stück romantischen
Geistes, freilich ohne die eindeutige bildhafte Ausprägung
wie bei Friedrich, Carus, Gericault oder Delacroix.

Es ist das Eigenartige der Ausstellung in der Ludwigs-
galerie, daß sie das zunächst als Wagnis erscheinende Neben-
einander deutscher und französischer Romantiker mindestens
stellenweise zu schöner Einheit zusammenfügt. Es entstehen

einige gute Zusammenklänge — etwa Zwischen Ingres (Litho
der Familie Gatteau, 1850) und Schnorr von Carolsfeld
(Zeichnung einer weiblichen Figur), zwischen Blechen, der
mit fünf Werken — darunter der vorzügliche Klostcrhof mit
Mönchen — vertreten ist, und Corots Landschaften, zwischen
Th. Rousseau oder Millet und Blechen oder Spitzweg, von
dem der „Osterspaziergang" und das „Gelangweilte Modell"
gezeigt werden. Andrerseits aber steht die herbe, gefühls-
gesättigte, etwas gedanklich beschwerte Malerei eines Caspar
David Friedrich, etwa in dem bedeutendsten seiner hier
gezeigten Bilder, den „Vier Lebensstufen" Delacroix' wunder-
voller malerischer Fülle, wie sie sich hier vor allem in den
„Frauen am Brunnen" offenbart oder seiner pathetischen
Wucht in dem Ölbild „Christus auf dem See Genezareth" —
eine kleine Dantebarke — völlig fremd gegenüber, obwohl
die empfindsame Beseelung dort der vergeistigten sinnlichen
Kraft hier an Intensität kaum nachsteht.

Den Umfang der Ausstellung und ihre Bedeutung bezeich-
nen „la Soubrette ä la fleure rouge", ein vollgültiges Werk
von Corot, um 1850/60 entstanden, das den ganzen Zauber
seiner Palette vergegenwärtigt, die Bettler und die Kinder
unter einem Baum von Daumier, das für Gericault sehr be-
zeichnende Bild „Ordonnanz", Millet mit dem Pastell der
Holzhacker, Th. Rousseau mit drei Landschaften auf der
französischen Seite, auf der die Stärke des unmittelbar
malerischen Ausdrucks und im allgemeinen die leitende
künstlerische Qualität liegt. Unter den deutschen Roman-
tikern steht Caspar David Friedrich mit den vier Lebens-
altern, zwei zarten Aquarellen, einem Bild einer Stadt bei
Sonnenuntergang und dem mit überhohem hellem Himmel
für Friedrich überraschenden Sommerbild. Daneben erscheint
Carus mit der „Kirche in Bodmin", Georg Dillis mit zwei
schönen Landschaften, Fohr, Horny, Josef Anton Koch
mit der zweiten Fassung des Grimselpasses von 1832,
dessen erste, sehr ähnliche, farbig etwas ruhiger gehaltene
Fassung von 1813 aus dem Museum der bildenden Künste
in Leipzig mit den Romantikerbildern im Glaspalast ver-
brannte. Auch Runge ist vertreten mit einer sehr schönen Blei-
zeichnung. Für Kersting ist das Bild des Malers Kügelgen im
Atelier typisch; es gewinnt unsere Sympathie für den Maler
von neuem. Rottmann kann sich neben Corot schwer behaupten-

KLEINE WÜNSCHE FÜR DIE BERLINER MUSEUMSINSEL

Dieses Mal sind es wirklich nur kleine Nebenwünsche —
nicht prinzipielle, die die Baupolitik betreffen; es sind
Wünsche, die so im Vorbeigehen laut werden.

Erstens: Der obere Aufbau des Alten Museums ist an
der Spreeseite romantisch mit Efeu oder wildem Wein be-
rankt worden. Das platte Dach davor gleicht von unten
einem verwilderten Grasplatz. Das Ganze wirkt wie der
Dachgarten eines idyllisch gesinnten Hausinspektors. Die

Beseitigung solcher deplazierter Grünanlagen zugunsten einer
reineren Wirkung der Schinkelschen Architektur ist zu
wünschen.

Zweitens: Es sollten endlich die alten Baracken neben
der Nationalgalerie, in denen sich das Museumsbaubureau be-
fand, abgerissen werden. Auch sollte der Säulengang, der
teilweise geschlossen wurde, um während des Bauens den
Pergamonfries zu magazinieren, jetzt wieder geöffnet und

442
 
Annotationen