Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0487
DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:Tietze-Conrat, Erika: Der Utrecht-Psalter
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AUS DEM UTRECHT-PSALTER. PSALM n
DER UTRECHT-PSALTER
VON
E. TIETZE-CONRAT
Seit mehr als zweihundert Jahren wird der Psalter
in der Universitätsbibliothek in Utrecht auf-
bewahrt und es ist bald ein halbes Jahrhundert,
daß ihn Anton Springer für die Kunstgeschichte
entdeckte. Seine nächste wissenschaftliche Bear-
beitung erfolgte durch Adolph Goldschmidt, der
ihn in das Kloster Hautvillers in der Diözese Rheims
lokalisierte und seine Entstehung in das zweite
oder dritte Jahrzehnt des neunten Jahrhunderts
ansetzte; im Gegensatz zu Springer, der für die
ursprüngliche Erfindung der Illustrationen eintrat,
nahm Goldschmidt eine Vorlage an, die dann nach
Graeven eine griechische Handschrift gewesen sein
soll. Tikkanen gab schließlich eine zusammenfassende
ausgezeichnete Charakterisierung des Psalters. Die
Faksimile-Wiedergabe aller Federzeichnungen (La-
tin Psalter in the University library of Utrecht,
London [1874]) bildet eine sehr willkommene Er-
gänzung der nur spärlich illustrierten wissenschaft-
lichen Bearbeitungen der Handschrift.
Trotzdem also schon zwei Gelehrtengenerationen
sich mit dem Psalter beschäftigt haben, ist seine
Kenntnis noch nicht in ein breiteres Publikum
gedrungen; ja es ist erstaunlich, daß die eigen-
artigen Federzeichnungen noch niemals durch eine
Nachahmung oder nur Einfühlung eines retro-
spektiv Veranlagten von heute kompromittiert
wurden. Erstaunlich darum, weil der nervöse flüch-
tige Eindruck dieser Kunst den Impressionisten
bezaubern, weil die Kraft ihres Ausdruckes den
Expressionisten locken mußte.
Die Handschrift enthält auf 105 Pergament-
457
DER UTRECHT-PSALTER
VON
E. TIETZE-CONRAT
Seit mehr als zweihundert Jahren wird der Psalter
in der Universitätsbibliothek in Utrecht auf-
bewahrt und es ist bald ein halbes Jahrhundert,
daß ihn Anton Springer für die Kunstgeschichte
entdeckte. Seine nächste wissenschaftliche Bear-
beitung erfolgte durch Adolph Goldschmidt, der
ihn in das Kloster Hautvillers in der Diözese Rheims
lokalisierte und seine Entstehung in das zweite
oder dritte Jahrzehnt des neunten Jahrhunderts
ansetzte; im Gegensatz zu Springer, der für die
ursprüngliche Erfindung der Illustrationen eintrat,
nahm Goldschmidt eine Vorlage an, die dann nach
Graeven eine griechische Handschrift gewesen sein
soll. Tikkanen gab schließlich eine zusammenfassende
ausgezeichnete Charakterisierung des Psalters. Die
Faksimile-Wiedergabe aller Federzeichnungen (La-
tin Psalter in the University library of Utrecht,
London [1874]) bildet eine sehr willkommene Er-
gänzung der nur spärlich illustrierten wissenschaft-
lichen Bearbeitungen der Handschrift.
Trotzdem also schon zwei Gelehrtengenerationen
sich mit dem Psalter beschäftigt haben, ist seine
Kenntnis noch nicht in ein breiteres Publikum
gedrungen; ja es ist erstaunlich, daß die eigen-
artigen Federzeichnungen noch niemals durch eine
Nachahmung oder nur Einfühlung eines retro-
spektiv Veranlagten von heute kompromittiert
wurden. Erstaunlich darum, weil der nervöse flüch-
tige Eindruck dieser Kunst den Impressionisten
bezaubern, weil die Kraft ihres Ausdruckes den
Expressionisten locken mußte.
Die Handschrift enthält auf 105 Pergament-
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