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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 8
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Waldmann, Emil: Die Renovierung des Dresdener Zwingers
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0352

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29?

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DIE RENOVIERUNG DES DRESDENER ZWINGERS

VON

EMIL WALD MANN

Vor fünf Jahren wurde in Dresden damit begonnen, den
Zwinger, das Meisterwerk Pöppelmanns und Permosers,
zu restaurieren. Viele Teile, auch Skulpturen, waren so brüchig
geworden, daß dem Verfall Einhalt getan werden mußte.
Ks kostete viel Geld, vier Millionen Mark, zum Teil durch
eine Zwingerlotterie aufgebracht, sollen bisher verbraucht
worden sein, und ein neues Baujahr steht vor der Tür, denn
man ist noch immer nicht fertig, außer mit den Skulpturen.
Die lange Dauer kommt daher, weil man sich in Dresden
nicht darauf beschränkt hat und beschränken will, vom Ver-
fall bedrohte Baulichkeiten zu erhalten und zu stützen, son-
dern ganz munter dabei ist, den Zwinger, ja, das Wort muß
heraus: den Zwinger fertig zu bauen. Was August der Starke
und Pöppelmann und Permoser nicht gekonnt haben, glaubt
heute der Staat mit dem Architekten Ermisch und dem
Bildhauer*Wrba unternehmen zu dürfen, da ja Poppelmanns
Pläne noch vorhanden sind. Dieser frivole Größenwahn ge-
hört an den Pranger.

Natürlich kommt auch praktisch, auch abgesehen von der
Frevelhaftigkeit des ganzen L'nterfangens, grober Unfug dabei
heraus. Zum Beispiel hat das Brunnenbecken im Hofe eine
unverhältnismäßig hohe Einfassung erhalten, so hoch, daß die

Flächenwirkung des Hofes zerrissen ist. Weshalb: Man, d, h.
die jetzige Bauhütte, hat Pöppelmans Pläne falsch gelesen.
Was von Pöppelmann rund um das Becken herum als schmaler
Rasenstreifen gedacht war, wurde von den Herren der Bau-
hütte als Mauerwerk erklärt. Pöppelmann wollte den Brunnen
in die Erde einlassen, eben um die Fläche zu erhalten.
Einige Schraffierungen auf Pöppelmanns Plan aber lasen
die Herren als Schatten und aus der Länge des Schattens
schloß man daher auf die Höhe der ^überhaupt nicht geplan-
ten) steinernen Einfassungsmauer. Auf diesen bedauernswer-
ten Irrtum aufmerksam gemacht, erklärt der Leiter der
Bauhütte, Baurat Ermisch, nachträglich nun, die Einfassung
sei überhaupt nur aus dem Grunde angebracht worden, damit
keine Kinder ins Wasser fielen. Das kommt davon, wenn
man Pöppelmann zu Ende bauen will. Wir lachen darüber
und finden es barbarisch, und mit Recht, daß Amerikaner
ein Preisausschreiben erlassen, um Schuberts II-Moll-Sympho-
nie heute zu Ende komponieren zu lassen, Scherzo und
Finale. Aber Pöppelmann von Künstlern des zwanzigsten
Jahrhunderts zu Ende komponieren zu lassen, das muß mau
sich gefallen lassen, weil in Dresden immer alles hinter
veschlossenen Türen abgekartet wird und die Öffentlichkeit

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