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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.4069#0038
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— 34 —

wegens und Dänemarks Kunft auf den europäifchen Aus-
heilungen des letzten Jahrzehnts kennzeichnete, kaum
daran zu zweifeln, dafs der Boden zum minderten für eine
gefunde Entwicklung des künftlerifchen Placats nicht un-
günftig vorbereitet fei.

Anders verhält es fleh mit England. Dort hat
binnen relativ kurzer Zeit die Sache Fufs gefafst und zwar
auf breitefter Grundlage. Der Anftofs gieng von Frank-
reich aus, das läfst fich nicht wegftreiten. Aber es dauerte
nicht lange, bis englifche Eigenart die Oberhand be-
kam und aus den ausgelaffen dahertanzenden Figuren
Dudley Hardys, die alle in einem nahen Verwandt-
fchaftsgrade zu Cherets Pariferinnen ftanden, Vollblut-
Engländerinnen machte. Die illuftrirte Propaganda für
irgend einen beftimmten Zweck exiftirte übrigens in Eng-
land fchon lange, wenn lie auch nicht, wie Jofef Pennell in
feiner Abhandlung halb fcherzhaft und halb ernft fagt, bis in
die Tage Wilhelms des Eroberers zurückreicht. Als Aus-
gangspunkt der Bewegung bezeichnet man in England
fo ziemlich allgemein ein im Jahre 1871 von Fr. Walker
gezeichnetes Blatt »Die weifse Dame«. Walter Crane
Hubert Herkomer und verfchiedene Andere arbeiteten
ebenfalls bald nach obigem Datum für ähnliche Zwecke,
doch ift die Ausbreitung, die ganz moderne Behandlung
der Affiche nicht in einer Weife mit diefen Namen ver-
knüpft, wie mit denen anderer, die man als ihre Vertreter
par excellence bezeichnen mufs.Dudley Hardy.Aubrey
Beardsley, Wilfon Steer, Anning Bell, M. Greiffen-
hagen, L. Rhead, Charles Foulkes, Macdonald,
Brothers Beggarltaff, Frank Brangwyn, Burton
Barber, Dangerfield, Wilfon, Shannon, Poynter,
Mortimer Menpes, Makintosh, Linton, Heywood
Sumner, Fowler und fo viele andere bezeichnen eine
Kunft, die fich wefentlich von dem Placatftyle eines Her-
komer unterfcheidet, weil fie fpeciell für ihren Zweck ge-
l'chaffen fcheint und für den Strafsenanfchlag nicht etwa
das zeigt, was ebenfo gut als Ölgemälde in den Räumen
der Royal Academy hängen könnte. Gerade im befonderen
Ausdrucken der befonderen Compofition, in der befonderen
Anwendung der Farbe beruht ja die fcharf betonte Eigen-
thümlichkeit des Placats, das durchaus nicht verwechfelt
fein will und darf mit den Produkten der Staffeleikunft.
Die genannten Namen bezeichnen aber ebenfo viele fcharf
ausgeprägte Individualitäten, die trotz ihrer im Einzelnen
verfchiedenartigen Ausdrucksweife dennoch den fpeeififeh
englifchen Stempel tragen. Sie unterfcheiden fich von den
Künltlern z. B. Deutfchlands durch das nämliche Moment,
durch das (ich auch die, fagen wir, »malende« Kunft
unterfcheidet. Es gibt eine englifche Kunft, während von
einer deutfehen Kunft zu fprechen manchmal eine höchft
fchwierige Gefchichte ift, foferne nicht gerade Er-
fcheinungen wie Moritz von Schwind, ein Rethel oder
Richter in Betracht zu ziehen find. Ein Blatt wie Aubrey
Beardsleys Publisher for Childrens books — Dame in
Schwarz auf violettem Fond—kann eben nur englifchen
Urfprunges fein. Das Chargirte, was im Humor einer

Dudley Hardy'fchen Affiche, wie etwa «A night out'«,
in »Gentleman Joe«, in »To Day < oder »A Gaiety Girl«
legt, ift fpeeififeh englifch, »A Pre-Raphaelite ColleCtion«,
Placat von Graham Robertfon, ift bei aller Strenge der
Erfcheinung englifch, ebenfo wie Anning Beils fchöne
Affiche für die Kunft- und Architektur-Schule in Liver-
pool, Greiffenhagens »Illultrated Pall Mall Budget«,
Leon v. Solons Anzeige des »Studio«, Hyland Ellis
»The Gay Parifienne«, oder Phil. MaysAppelan die Öffent-
lichkeit gelegentlich der Ausftellung feiner eigenen
Zeichnungen und Aquarelle, A. Morrows »The new
Woman«, Char. Makintoshs »Glasgow Inftitute
of Fine Arts u. f. w. Man kann nicht fagen, diefes oder
jenes beftimmte zeichnerifche Moment, diefe oder jene
beftimmte Art der Farbanwendung charakterifire die
englifche Placatkunft ganz fpeciell — diefe Künftler
arbeiten glücklicherweife nicht nach Recepten wie fo
viele andere — nein, es ift das ganz beftimmte Timbre,
das fpeeififeh Nationale, was herausblickt. Gebe man Je-
mandem, der weder franzöfifch noch englifch verfteht,aber
ein paar gut gebildete Augen hat, den »Punch« und den
»Figaro illuftre« in die Hand, fo wird die Empfindung des
Unterfchiedes fich fofort einftellen. Gebe man dem Näm-
lichen ein künftlerifch hochftehendes Kunft-Journal wie
das »Studio« und eine im Preife etwa gleichftehende
deutfehe Zeitfchrift nämlichen Zweckes zur Anficht — er
wird die Differenz vom erften Augenblick an fpüren. Be-
kannt ift übrigens, dafs das, was Graffet in Frankreich
mit feinen Panneaux decoratifs anftrebt, die ihre Exiftenz
in erfter Linie der Affiche verdanken, in England durch
die Publicationen der Fitzroy pitture Society fchon längere
Zeit im Gange ift und fich ungetheilten Erfolges erfreut.
Verfchiedene franzöfifche und englifche Künftler-
namen — unterdenerlteren Grasset, von den letzteren häufig
Aubrey Beardsley — finden fich unter den Zeichnern für
amerikanifche Placate. Daneben aber exiftirt bereits
eine ftattliche Zahl einheimifcher Arbeiter auf diefem
Gebiete. Es verhält fich damit wie z. B. mit den decorativen
Künften, deren Produkte Jahrzehnte lang aus Europa im-
portirt, allmählig auf dem Boden der neuen Welt eine
eigene Anfchauung erweckten, grofszogen und heute
durch den mehr und mehr an Selbltftändigkeit ge-
winnenden Gefchmack der Neo-Amerikaner das Importirte
zurückdrängen. Amerika ift das Land, wo die Frage, ob
etwas practifch fei oder nicht, fofort einen rapiden Auf-
fchwung, ein pofitives Ablehnen zur Folge hat. So ift es
denn kein Wunder, dafs dasWefen der illuftrirten Reclame
dort bis ins geradezu Ungeheuerliche gewachfen ift, nicht
blos in Bezug auf Formate, fondern auch bezüglich der
Gebiete, in deren Dienft lie fich ftellt. Amerikanifche Zeit-
fchriften waren es zuerft, nicht europäifche, die bei jeder
neuen Nummer einen neuen illuftrirten Umfchlag zeigten.
Es fei nur an die bereits aufserordentlich ftattliche Serie
folcherUmfchläge zu Harpers und Lippincottis Publi-
cationen sowie für das »Century Magazine« erinnert.
Grasset zeichnete für den erfteren eine folche. Er hat in
 
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