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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 9
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Bentz, F.: Ueber Restaurierungstätigkeit an Gemälden
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Linde, Hermann: Ein Notschrei aus Antwerpen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0039
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Nr. Q'

Münchner kunsttcchnisciie [Mütter;

von fremder Hand unendlich mehr gewinnt, als
es durch diese Prozedur geschädigt wird. Nun
kann man aber sagen, dass bei richtiger und
sorgfältiger Behandlung ein Schaden entweder
überhaupt nicht eintritt oder höchstens so mini-
maler Art, dass das Bild dadurch nicht beein-
trächtigt wird. Unter Uebermalungen verstehe
ich dabei den gewöhnlichen Fall, dass Hinzu-
fügungen fremder Hand auf ein Gemälde kommen,
die dessen künstlerische Bedeutung herabsetzen
oder gar seinen ursprünglichen Charakter zer-
stören, ohne dass das Neue selbständigen Wert
besitzt. Jene seltenen Fälle, in denen ein her-
vorragender Meister das Bild eines andern über-
malte und es dadurch verbesserte, kommen hier
nicht in Betracht, denn diese Uebermalungen ge-
hören zur Substanz des Bildes. Wie sehr spätere
Uebermalungen sich auch an die berühmtesten
Gemälde herangewagt und dadurch deren Wesen
verändert haben, dafür ist als Beispiel bezeichnend
der Paumgartner-Altar Dürers, der jetzt wieder
von seinen Uebermalungen befreit ist. In meiner
eigenen Praxis ereignete es sich, dass mir ein
Bild zur Restauration zugeschickt wurde, das als
Familienporträt galt, darstellend eine Dame im
Pelzmantel und grossem Hut, das Gesicht war
Tempera, der Rest in Oel gemalt. Die Oelmalerei
war Uebermalung; nach deren sorgfältiger Ent-
fernung veränderte sich das Familienporträt zu
einer Heiligen Elisabeth mit Wasserkrug, Brot
und Kamm. Derartige Uebermalungen werden
von Leuten vorgenommen, die nach ihrem Ge-
schmack und mit ihren Mitteln in den Bestand
des Bildes eingreifen, um es zu verschönern. Sie
bilden den absoluten Gegensatz zum Restaurator,
dem die Eigenart des ursprünglichen Bildes un-
antastbar ist, ganz einerlei, ob sie seinem per-
sönlichen Geschmacke zusagt oder nicht. Wesent-
lich anderer Natur als diese Uebermalungen mit
der Absicht der Verschönerung sind die Ueber-
malungen derjenigen Maler, die ohne die gehörige
Vorbildung in die Restaurierungskunst hinein-
pfuschen. Ohne Uebung, ohne die nötigen Ein-
richtungen und Werkzeuge übernehmen sie den
Auftrag, ein Gemälde zu restaurieren. Schon die
einfache Reinigung bringt das Bild in Gefahr.
Ohne Kenntnis der Wirkung des ad hoc ge-
kauften Putzwassers wird zu viel gereinigt, mit
dem Firnis werden zugleich feine Lasuren fort-
genommen und Formen verwischt, ein Effekt, der
nur durch Uebermalen wieder „gut gemacht"
werden kann. Handelt es sich aber gar um die
schwierige Restauration defekter Stellen, um Aus-
brüche, Risse oder dergleichen, so besteht eine
grosse Vereinfachung der Arbeit darin, statt diese
Stellen nach Form und Farbe der Umgebung aus-
zufüllen, einfach die ganze Partie zu übermalen.
Ist die Tätigkeit eines solchen Malers an dem
Bilde beendet, so ist das Bild verdorben, sein

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Wert stark beeinträchtigt, wenn nicht vernichtet.
Durch die Arbeit solcher Leute wird das Miss-
trauen gegen alle Restauriertätigkeit, auch gegen
die gute und gewissenhafte, hervorgerufen.
Bei einer fachgemässen Restauration dürfen
im Gegensatz zu einem derartigen Vorgehen die
güt erhaltenen Teile des Bildes überhaupt nicht
berührt werden, und darum soll der Firnis, wie
ich dies stets beobachte, dort nie ganz entfernt
werden, wodurch die Möglichkeit einer Schädigung
ausgeschlossen ist. Nur auf die ausgebrochenen
Stellen kommt, nachdem sie sorgfältig ausgefüllt
sind, die Farbe des Restaurators. Dass sein Ein-
greifen stets unter Beobachtung der entsprechen-
den Technik und nach den zuverlässigsten Methoden
erfolgen soll, ist nach dem Gesagten eine selbst-
verständliche Forderung.
Um nun in schwierigen Fällen dem Restau-
rator die Möglichkeit zu geben, sich darüber mit
Sachverständigen auszusprechen, wäre die Errich-
tung einer Zentralstelle sehr erwünscht. Sie wäre
so zu denken, dass auf eine Anfrage Ratsertei-
lungen und Mitteilungen von Erfahrungen er-
folgten, die der Fragesteller sich zunutze machen
könnte. Würde eine solche Einrichtung mit einem
Publikationsorgan verbunden, so entspränge daraus
für die Kunst des Restaurators ein grosser Ge-
winn. Ein derartiger Austausch der Meinungen
ersparte dem einzelnen viele Mühe, und durch
das Zusammenarbeiten so vieler Kräfte würde
nach Art jeder Wissenschaft die gesamte Restau-
riertätigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben immer
geeigneter gemacht.
Und dieses sind sehr hohe und wichtige Auf-
gaben. Die rein geistigen Werte bestehen durch
sich, die Werke der Schönheit aber sind an ihre
sinnliche Erscheinung geknüpft, die in den reden-
den und tönenden Künsten immer wieder von
neuem erzeugt werden kann, während sie in der
bildenden Kunst nur einmal gegeben und darum
dem natürlichen Prozesse der Zerstörung unter-
worfen ist. Diesem Prozesse entgegenzuarbeiten
und ihn dort, wo er schon schädigend eingewirkt
hat, zu beseitigen, ist um des geistigen Besitzes
der Menschheit willen ein hohes Ziel. Ihm sich
zu widmen, ist der Beruf des Restaurators, er
schafft Werte, indem er Werte erhält.
Ein Notschrei aus Antwerpen.
Von Herrn. Linde.
Der „Matin"*) brachte in der Nummer vom
17- Oktober v. J. die Nachricht, dass in Künstler-
kreisen Antwerpens grosse Erregung herrsche, weil
verschiedene alte Gemälde des dortigen Museums
durch das Restaurieren auf das ärgste beschädigt

*) Für die Uebersendung des Blattes sind wir Herrn
Maler Fried. Ferd. Koch in Zwyndrecht (Les Anvers)
zu Dank verpflichtet.
 
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