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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 9
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Bentz, F.: Ueber Restaurierungstätigkeit an Gemälden
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0038

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34

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 9.

Geschicklichkeit seiner Hand ab, denn die ver-
schiedenartigen Arbeiten, wie das Ausfüiien von
feinen Rissen, Löchern, die Sicherung von Biasen,
Entfernung von Uebermalungen und so vieles
andere, sind so subtiler Art, dass sie die sicherste
und geübteste Hand veriangen. Wie oft finden
sich Männer, denen bei grossen theoretischen
Kenntnissen diese Gabe versagt ist. Endiich er-
fordert die Wiederherstellung zerstörter Bildteile
ein Einfühlungsvermögen in den Geist des Meisters
und dementsprechende künstlerische Fähigkeit.
Man kann bei dieser Tätigkeit des Restau-
rators zwei Arten von Retuschen unterscheiden.
Die erste möchte ich als die „gegebene" Retusche
bezeichnen, es ist eine solche, die durch Form
und Farbe der umliegenden erhaltenen Teile
absolut eindeutig bestimmt ist, z. B. als einfachster
Fall das Ausfüllen einer Stelle in einem völlig
gleichfarbigen Architekturteil, Mantel oder Hinter-
grund. Hier ist die Willkür des Restaurators
völlig ausgeschaltet, da alles, was von ihm ge-
malt werden soll, durch das Erhaltene gegeben
ist. Da sind die Stellen, die zwar an die Ge-
schicklichkeit oft sehr hohe Anforderungen stellen,
die aber in ihrer absoluten Bestimmtheit das
künstlerische Gewissen des Restaurators mit keinem
Zweifel belasten.
Ganz anders liegt die Sache bei der zweiten
Art von Retuschen, die man die „eingefühlten"
nennen kann. Diese stellen an das Verantwort-
lichkeitsgefühl wie an die Fähigkeit des Restau-
rators ganz andere Ansprüche, da er hier Stellen
im Bilde des Meisters ergänzen soll, deren Aus-
sehen durch das Erhaltene nicht mit vollkommener
Sicherheit zu bestimmen ist. Hierher gehören
auch die Fälle, in denen ein Bild seinen ursprüng-
lichen Farbencharakter verloren hat ohne jeden
menschlichen Eingriff, lediglich durch die Ver-
änderung der Pigmente, wenn z. B. eine Farbe
im Laufe der Zeit stärker hervortritt, eine andere
abblasst, oder wenn der Bildgrund auf die Farben
ein wirkt, was namentlich bei Bolusuntermalung
zu beobachten ist. — Bei dieser zweiten Art
von Retuschen gibt es viele Abstufungen, je
nach der Grösse des Eingreifens in den Bild-
bestand, von jenen Stellen angefangen, die denen
der ersten Art nahe kommen, bis zu der Zer-
störung ganzer Figuren. Natürlich wird sich der
Restaurator bei dieser Arbeit alle Anhaltspunkte
zunutze machen, die ihm das Bild bietet, ge-
gebenenfalls Studien und Kopien heranziehen und
auch die übrigen Werke des Meisters vergleichen.
Wieweit derartige Retuschen vorgenommen werden
sollen, lässt sich nicht im allgemeinen sagen, das
kann im konkreten Falle nur durch den künstle-
rischen Takt entschieden werden. Als Norm kann
man festhalten, dem Bilde einen künstlerischen
Eindruck zu sichern mit dem möglichst geringsten
Eingriffe einer fremden Hand, mit anderen Worten,

der Restaurator soll nur so weit tätig sein, bis
dieser Eindruck erreicht ist, wenn auch noch
defekte Stellen im Bilde vorhanden sind. Damit
ist zugleich auch die Art der Ausführung der
Retuschen festgelegt. Was neu gemalt wird, soll
den alten Teilen im Bilde möglichst ähnlich sein,
damit die Einheit des Eindrucks nicht zerstört
werde. Werden die Ergänzungen nür in grob
andeutender Weise vorgenommen, wie es einige
befürworten — oder werden sie fein ausgeführt,
aber zur Kennzeichnung mit einer Umrisslinie um-
geben, wie wieder andere wollen, so wird eben
das nicht erreicht, was mit der ganzen Restau-
rierung bezweckt wird, nämlich die zerstörte Ein-
heit des Bildes wieder aufleben zu lassen. Wenn
man will, kann man ja die Tatsache der Restau-
rierung in Museen auf einer Tafel am Bilde an-
geben mit Bezeichnung der betreffenden Stellen
oder auch durch eine Bemerkung im Katalog.
Wie häufig ist leider eine solche Tafel unnötig
bei Restaurationen, die als solche unerkennbar
bleiben sollen, wo selbst der ganz laienhafte Be-
trachter davon überrascht ist, wie merkwürdig
z. B. das gläserne, porzellanartige Inkarnat eines
Gesichtes von der feinen samtartigen Weichheit
der übrigen Gesichter absticht, oder das Bein
einer Nymphe ganz aus dem Ton eines Bildes
herausfällt und sich dadurch dem Auge aufdrängt,
oder er fragt sich, warum denn gerade bei dem
einen Baum das Laubwerk so schmierig stumpf
und formlos ist, während es bei allen anderen
Bäumen vom lebendigsten Lichtspiel bewegt und
durchleuchtet ist.
Der Grundsatz, möglichst wenig von fremder
Hand auf ein Bild zu bringen, macht sich auch
dann geltend, wenn es sich um solche schadhafte
Stellen handelt, deren Struktur gegeben und deren
Retuschierung darum zweifellos sicher ist.
Finden sich auf einem Bilde viele derartige
Stellen, so werden nicht alle, sondern nur die für
den künstlerischen Eindruck massgebenden aus-
gebessert. So habe ich gegenwärtig ein sehr
gutes Temperagemälde der schwäbischen Schule
aus dem Anfang des XVI. Jahrhunderts zu restau-
rieren, das herabgefallen war, wobei es in drei
Teile zerbrach, und eine grosse Anzahl kleiner
Stückchen der Farbe bis auf den Grund aus-
brachen. Diese kleinen Stellen werden nur dort
sorgfältig ausgefüllt, wo sie die Harmonie des
Bildes gänzlich vernichten, auf den weissen Ge-
wändern wie auf dem einfarbigen Hintergrund,
wo sie weniger störend sind, bleiben sie bestehen.
Auch bei der Uebermalung eines Bildes kommt
der Grundsatz, das Werk von späterer Zutat
möglichst frei zu halten, zur Anwendung. Es
gibt Autoren, die behaupten, dass ein Bild durch
Entfernung der Uebermalung leide. Selbst wenn
dies der Fall wäre, so scheint es mir doch, dass
das Bild durch die Entfernung der Uebermalung
 
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