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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 11
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Berger, Ernst: Ein Brief Segantinis, [2]
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Mai, Johann: Die Künstlersteinzeichnung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0046

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42

Münchner kunsttechnische Btätter.

Nr. !i.

umgibt, sondern auch die zielbewusste Art, wie
er die Ergebnisse moderner Wissenschaft für seine
künstlerischen Ziele verwendet, machen Segantini zu
dem grossen Künstler, der er heute ist. E. B.
Die Künstlersteinzeichnung.
Von Johann Mai-Tilsit. (Schluss.)
Besonders die Landschaft und das Porträt
sind hier die geeigneten Motive, auch ügurale
Kompositionen gelingen sehr gut.
Je nach dem Charakter der Körnung auf dem
Steine lassen sich die Halb- und Ganzschatten
genau so wie auf Zeichenpapier mit den Kreide-
stiften oder Wischern durcharbeiten. Linien von
der verschiedensten Stärke werden entweder mit
Kreide oder Tusche gezogen. Kräftige oder mar-
kante schwarze Schlagschatten werden ebenfalls
mit Weichkreide ausgeführt, während die hellsten
Lichter nachträglich durch Hcrausschaben aus den
schattierten Flächen hervorgehoben werden. Hier-
durch erreicht der Künstler Effekte in den Stein-
zeichnungen, die er auf dem Papier niemals er-
zielen kann.
Die äusserst gleichmässige Struktur der Stein-
körnung übertrifft die des Papiers ganz wesentlich,
denn es lassen sich äusserst weiche Schattierungen
anbringen, die fast den photographischen Haib-
tönen gleichen und nur mit der Lupe als Kreide-
töne zu erkennen sind, die aus lauter feinen, eng
aneinander liegenden Pünktchen bestehen.
Die Körnung des Steines ist wegen ihrer
Widerstandsfähigkeit günstig für alle Schatten-
lagen, überhaupt für die ganze Zeichnung, weil
sich das feste Korn bei dem oftmaligen Ueber-
schattieren nicht breit- oder zusammendrückt wie
auf Papier.
Dieses verhältnismässig leichte Arbeiten auf
dem gerauhten Steine ist die wesentliche Veran-
lassung, dass sich die Künstler und bedeutendsten
Kunstschulen der Steinzeichnung zugewendet haben,
denn nicht nur die gelernten lithographischen Stein-
zeichner, sondern auch jene Komponisten, die bis-
her ihre Werke nur auf dem Zeichenpapier schufen,
können sich allseitig in der vervielfältigenden Kunst
betätigen.
Soll eine Komposition auf Stein ausgeführt
werden, so ist der Entwurf nicht auf diesem, son-
dern auf Papier richtig darzustellen, weil es nicht
ratsam ist, mit Bleistift auf der gerauhten Stein-
fläche zu skizzieren, indem der Graphit des Blei-
stiftes sich festsetzt und beim späteren Druck
die fette Druckfarbe annimmt. Sachgemäss ist
es, dass der Entwurf so weit auf dem Papier als
Gerippe ausgearbeitet wird, dass keine wesent-
lichen Aenderungen mehr vorgenommen werden
brauchen, worauf auf durchsichtigem Pauspapier
eine Kopie entnommen und diese von der Rück-
seite her, d. h. verkehrt auf den gerauhten Stein
kopiert wird.

Zum Kopieren verwendet man fettfreies rotes
Kopierpapier, welches sich der Künstler mit feinst
pulverisiertem Englischrot selbst herstellen kann,
indem dünnes, festes Papier mit dem Pulver auf
einer Seite kräftig eingerieben, nachher mit weicher
Watte abgestaubt und so verwendet wird.
Damit das Werk des Künstlers auf dem Steine
nicht verdorben wird, muss er während der
Arbeit darauf achten, dass die Berührung der
gerauhten Steinfläche mit schweissigen fettigen
Fingern möglichst unterbleibt, ebenso sind herum-
fliegende Staubpartikeln aller Art, Lampenruss usw.
von grossem Nachteil, weil die geringste Fett-
ablagerung gierig vom Stein aufgenommen wird.
Beim Aufträgen der fetten Farbe durch den Stein-
drucker setzt sich diese dort an, und statt der
reinen, sauberen Schattierung usw. treten an diesen
Stellen Schmutzflecke auf, die oft sehr schwer zu
entfernen sind.
Handelt es sich nun um irgendeine Kompo-
sition, gleichviel welcher Art diese sein mag, so
wird zuerst das ganze Bild in Fettkreide in allen
seinen verschiedenen Tonstufen auf dem gerauhten
Steine gezeichnet in der Art, dass die leichten
Lokalschatten mit harter, die kräftigeren mit der
mittelharten und die tiefsten Schatten mit der
weichen Fettkreide in der hier angedeuteten
Reihenfolge nacheinander behandelt werden. Kräf-
tige markante Partien, wie Schriften, Umrahmungen
oder Konturen, werden erst nach vollendeter Kreide-
zeichnung mit flüssiger lithographischer Tusche und
entsprechenden Federn hineingezeichnet.
Nachdem die scharfen Abgrenzungen mit
Tusche eingezeichnet sind, werden die Spitzlichter
mit einem scharfen Messer flach herausgeschabt,
wobei das Korn des Steines an diesen Stellen
mit der Kreide entfernt wird. Die weitere Be-
handlung der farbigen Steinzeichnung ist Sache
der Steindruckerei.
Um den Effekt der Künstlersteinzeichnungen
mehr zu beleben, lässt sich der mehrfarbige Druck
vorteilhaft damit verbinden und kann sich der
Künstler bei seinem weiteren Vertrautwerden mit
der Lithographie recht bald mit dem Wesen des
Buntdruckes bekannt machen.
Mit einer geringen Anzahl von Farben werden
die Steinzeichnungen bedeutend an Ansehen ge-
winnen, denn selbst nur eine zweite, sogenannte
leichte Tonfarbe, die auf die schwarzgedruckte
Steinzeichnung aufgedruckt wird, hebt das ganze
Bild in vorteilhafter Weise.
Die namhaftesten Kunstschulen bedienen sich
jetzt mit grosser Vorliebe der lithographischen
Künstlersteinzeichnungen, vermittelst welcher sie
ihre Publikationen und Bildwerke im Steindruck
erscheinen lassen. Diese vorbildlich wirkenden
Werkstätten haben den grossen Wert der Stein-
zeichnung den Lithographen wieder vor die Augen
geführt. Tatsächlich war die Kreidezeichnung auf
 
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