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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 5
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Pudor, Heinrich: Von den modernen Farbstoffen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0021

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München, 30. Nov. 1908.

Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

Y. Jahrg. Nr. 5.

Inhait: Von den modernen Farbstoffen. Von Dr. Heinrich Pudor. (Schluss.) — Die Erhaltung von Bildern
und Zeichnungen. Von A. H. Church. (Schluss.) — Herstellung von Bunt- und Vorsetzpapieren.
Von Walter Ziegler. — Beziehungen zwischen Pigment und Bindemittel bei Aquarellfarben. —
Schwierige Beantwortung !

Von den modernen Farbstoffen.
Von Dr. Heinrich Pudor.

Der Indigo haftet dabei so fest an der Faser,
dass er sich auf mechanischem Wege nicht wieder
entfernen lässt. Nachdem um die Mitte des 18.
Jahrhunderts Barth die wichtige Entdeckung ge-
macht hatte, dass der Indigo sich durch Schwefel-
säure in Lösung bringen lässt, wurde zwar mit
diesem idealen Färbstoff wieder Missbrauch ge-
trieben, da das Färben auf diese Weise keine so
echten Töne gab, als die Küpe, aber das Färben
selbst war vereinfacht und die Sächsisch-Blau-
und Sächsisch-Grünfärberei wuchs empor.
Als nun gar die schon genügsam erwähnten Teer-
farben durch grossindustriellen Fabrikbetrieb auf
enorm billige Weise hergestellt wurden, da war
es nicht nur mit der Haltbarkeit, sondern mehr
noch mit der Schönheit der Farben schlecht be-
stellt. Der Färber half sich, indem er in jedem
einzelnen Falle vorher feststellte, zu welchem
Zweck der zu färbende Stoff dienen sollte. Hatte
er Sonnenschein auszuhalten, so wurde er mit
Lichtechtheit gefärbt. Im anderen Falle mit
Waschechtheit. Oft genügte aber auch die
Bügelechtheit, oder die Reibechtheit. Es kam
vor, dass ein teurer Stoff keinen Regen, ja nicht
einmal einen Wassertropfen vertragen
konnte. Welches kräftigere Beweismittel für
den Bankerott der modernen Farbstoffe könnte
man Anden? Und wer wollte das eben Gesagte
bestreiten? Dass etwa der betreffende Stoff nicht
dekatiert war? Aber warum hatte man ihn erst
durch unnatürliches Auseinanderziehen glänzend
gemacht? Ja, es gibt vielleicht noch ein kräftigeres
Beweismittel: der Bankerott der Seidenfärberei,
welcher bekanntlich nicht mehr aufzuhalten ist.
Dem Publikum sind endlich die Augen darüber

(Schluss.)
aufgegangen, dass es schmählich getäuscht worden
ist, dass ihm statt Seide Zinn (Chlorzinn) oder
mit Chlorzinn beschwerte Seide verkauft worden
ist, die sich weder reinigen, noch umfärben
Hess und gelbe Flecke förmlich aus dem Nichts
erstehen liess.
Weniger Kunstfabrikation und Künstelei und
mehr Kunst auf der einen und Natur auf der
anderen Seite, nämlich Verwendung der natürlichen,
einfachen Farbmittel muss daher verlangt werden.
Und für den Laien ist es bei einiger Uebung des
Auges nicht gar so schwer, zu unterscheiden, ob
gute oder schlechte Farben zur Anwendung ge-
kommen sind. Denn die modernen künstlichen
Farbstoffe, besonders Anilinfarben haben zumeist
ein scharfes grelles Ansehen und schauen wie
aufgestrichen aus, statt dass sie eins mit dem be-
treffenden Gegenstand erscheinen. Freilich ist das
Auge des Laien verbildet, und vielfach ausserstande,
gute und schlechte Farben zu unterscheiden. Aber
desto mehr müssen wir bemüht sein, unser Auge
zu erziehen, dass es wieder für die natürlichen
Farbmerkmale und Unterschiede empfänglich wird.
Dazu ist nötig, dass wir in der Kunst und Industrie
wieder mehr die natürlichen Farben der Materiale
und Stoffe selbst zu schätzen wissen, ob es sich
nun um einen gut gebrannten Backstein oder um
die natürliche Färbung eines Holzes handelt: ge-
meinhin streichen wir viel zu viel an, wir dekorieren
zu viel und freuen uns zu wenig an den natürlichen
Farben der Gegenstände. Und weiter müssen
wir unseren Farbensinn durch die liebevolle Be-
trachtung der Natur und der natürlichen Färbungen
der Natur wieder zu bilden suchen.
Handelt es sich aber darum, Gegenstände oder
 
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