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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 18
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Berger, Ernst: Technisches zur Hans von Marées-Ausstellung
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Gerhardt, Paul: Die Wiederfestigung der Rethelschen Fresken im Krönungssaale des Rathauses zu Aachen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0075

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Nr. :8.

Münchner kunsttechnische Blätter.

7!

sich einer reinen Primatechnik bediente, zeigt
der durchaus tadeiiose Zustand aller dieser Bilder.
Sie sind im Jahre 1873 gemait. (Schtuss foigt.)
Die Wiederfestigung der Rethelschen
Fresken im Krönungssaale des Rat-
hauses zu Aachen.
Von Paut Gerhardt-Düsseidorf.
Vor etwa 15 Jahren war es, ats der Schmerzens-
schrei sich verbreitete, dass die herrtichen Meister-
werke Aifred Retheis, die Friedrich Schaarschmidt in
seiner „Geschichte der Düsseidorfer Kunst" ais Haupt-
werk der „deutschen Monumentaimaierei" bezeichnet
und die den attehrwürdigen Krönungssaai im Rathause
zu Aachen schmücken, ihrem endgüitigen Verfall ent-
gegengingen und „unrettbar" verloren seien.
Wenn nun heute jene als „unrettbar verloren" be-
zeichneten Bilder dem Besucher wieder in ihrer ganzen
Schönheit erhalten und scheinbar unberührt erscheinen,
so wird es gerade jetzt von Interesse sein, wo die
Besorgnisse um das Abendmahlbild des grossen Floren-
tiners zu Mailand noch nicht verwischt sind, noch ver-
wischt sein können, da erst die nächsten Jahre einen
wirklichen Erfolg zeigen werden, den Gang des auf
technische Unvollkommenheit und Mängel beruhenden
Verfalls der Rethelschen Fresken und deren Wieder-
festigung durch Fritz und Paul Gerhardt nach dem
Prinzip von Fritz Gerhardt an dieser Stelle zu erörtern.
Die Aachener Fresken gehören noch zu den An-
fangswerken der wiedererwachenden Freskotechnik in
Deutschland, und bekanntlich war es Peter von Cor-
nelius, der im Anfang des vorigen Jahrhunderts damit
begann, die längst verloren gegangene Technik zu
neuem Leben zu erwecken und damit einer neuen
Aera deutscher Monumentalmalerei den Weg zu bahnen.
Dazu bedurfte es zunächst, dass die unbekannt
gewordene Technik der Freskomalerei aus ihren An-
fängen wieder studiert und aufgebaut werden musste.
So kommt es, dass wir Meister Cornelius mit seinen
Schülern in der Casa Bartoldi finden, um hier die
ersten Versuche mit dem Wiedergefundenen anzu-
stellen.
Berthold Georg Niebuhr, der derzeitige preussische
Gesandte in Rom und grosse Förderer der Kunst, er-
kannte gar bald, dass es jetzt an der Zeit sei, Peter
von Cornelius Gelegenheit zu geben, das Erforschte
und Studierte in der Heimat praktisch anzuwenden,
und in sehr bezeichnender Weise schreibt Niebuhr an
den Minister: „Wenn ich mir nicht helfen kann, für
den Verfall unserer Literatur und Gelehrsamkeit Be-
sorgnisse zu empfinden, so bin ich dagegen fest über-
zeugt, dass nur Beschäftigung und grosse Arbeiten
dazu gehören, um uns ein glänzendes Zeitalter der
Kunst zu schaffen."
So entstanden als erste Arbeit, gleichsam als Prüf-
stein des Gesuchten und gefunden Geglaubten die
Fresken in der Aula der Universität zu Bonn, die eben-
falls festigungsbedürftig waren und vom Verfasser
dieser Zeilen gefestigt wurden. Wenn auch diese Bilder
vom technischen Standpunkte eine grössere theoretisch
studierte als praktisch vollendete Arbeit darstellen, so
haben sie doch immerhin den für die Maltechnik
grossen Wert, eben die ersten Anfänge der Fresko-
malerei zu sein, lassen aber zugleich auch nur zu deut-
lich die Qualen der ersten ungewohnten Arbeit er-
kennen, die sich erst durch reiche praktische Erfahrung
zur Vollendung hindurchringen konnte.
Aber nicht allein der Mangel an Beherrschung der
Technik war es, der diese Fresken nicht aus den An-
fangsstadien herauskommen liess, über ihrem Entstehen
waltete auch insofern kein günstiger Stern, als ihr

geistiger Urheber, Peter von Cornelius, kurz nach Be-
ginn der Arbeit Düsseldorf verlässt, um nach München
überzusiedeln und mit ihm seine besten Schüler. Die
Ausführung der Bonner Fresken lag von nun an (das
erste Bild war noch nicht beendet) ausschliesslich in
den Händen Jakob Götzenbergers, ebenfalls eines Schü-
lers Cornelius', der aber scheinbar wenig Erfreuliches
in der Freskokunst erfuhr und sich je mehr dem Ende
nähernd, je mehr der Seccomalerei wieder sich zu-
wandte.
Dies mag wohl auch sein „Stosseufzer" dartun,
den „Jakob Götzenberger aus Heidelberg als Fresko-
maler" dem aufgeschlagenen Buche anvertraute, welches
einer der dargestellten Gelehrten in der „Jurisprudenz"
in der Hand hält und lautet:
„Hier bin ich armer Maler bei Matthäum am letzten
Kapitel und bin des recht von Herzen froh ; denn nie-
mand wird es dieser Figur ansehen, in wie grossen
Schwulitäten ich dahier war, als ich sie machte" usw.
Näheres über die Technik der Bonner Fresken
würde einer besonderen Abhandlung an dieser Stelle
Vorbehalten bleiben müssen.
Aber das von Cornelius gesäte Samenkorn begann
zu keimen und die Versuchsarbeit hielt die Idee an
eine Wiederbelebung der Freskotechnik wach.
Michel Angelo soll gesagt haben, dass die Fresko-
malerei eine Malerei für Männer sei, und in der Tat
schien keiner für diese wuchtige Monumentalmalerei
geeigneter als Alfred Rethel.
Schon während seiner Frankfurter Zeit im Städel-
schen Institut begann er sich für seine grosse Aachener
Arbeit zu üben und malte den „Rettungsengel" al
fresco an die Wand seines Ateliers.
Endlich 1847 wurde ihm der Auftrag zuteil, den
Krönungssaal zu Aachen, seiner Vaterstadt, mit Fresken
auszuschmücken.
Mit Recht werden diese sowohl durch ihre Formen-
kenntnis, durch Striche und Harmonie mit so wenig
Farbmitteln ausgeführten und sich der Architektur so
anpassenden Fresken als eines der grössten Meister-
werke deutscher Monumentalmalerei bezeichnet. Aber
neben ihrer künstlerischen Grösse zeigen die Bilder
leider auch, wie wenig die Maltechnik mit der Ent-
wicklung der Kunst Schritt gehalten hat. Die noch
überhaupt herrschende unklare Kenntnis und Beherr-
schung der Freskotechnik, der vollständige Mangel an
praktischer Erfahrung, was wohl aus dem langen Brach-
liegen der Freskomalerei erklärlich ist, haben diese
unheilvollen Folgen hervorgerufen.
Es ist unbegreiflich, wie wenig Gewicht zunächst
auf die praktische Herstellung des Malgrundes gelegt
wurde, der sowohl in Bonn als auch in Aachen aus
einem durch und durch gleichmässigen Material be-
stand, ohne einer dem Fresko notwendigen grösst-
möglichsten Entwicklung der Sinterbildung Rechnung
zu tragen, die durch eine geeignete Zusammensetzung
und Behandlung des Mörtels hervorgerufen und ver-
grössert werden kann.
Aber auch beim Maler selber machte sich der
Mangel an praktischer Erfahrung in dieser Technik
dadurch bemerkbar, als ihn an ungewollten Stellen ein
zu dunkles Auftrocknen der Töne überraschte. Diese
hellte er nun durch nebeneinander laufende Strich-
lagen auf, die von einer unbegreiflichen künstlerischen
Fertigkeit und Formenkenntnis zeugen und die sich
über ganze Gewänder, Gesichter, Hände, Bäume usw.
erstrecken.
Da Rethet andere Retouchemittel unbekannt waren,
ferner aber, weil Eitempera ihm leicht handlich er-
schien, griff er auch zum Ei als Bindemittel der Farbe
für seine Retouchen. Ei als Bindemittel verwendet
gibt bekanntlich ein sehr angenehmes Material, ver-
langt aber andererseits eine gründliche Behandlung.
 
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