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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 16
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Linde, Hermann: Die "eingefühlten" Retouchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0065

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Inhait: Die „eingefühlten" Retouchen. Von Herrn. Linde. — Das Zeichnen für Illustrationszwecke. Von
Joh. Mai-Tilsit. (Fortsetzung.) — Zum Thema: Leonardos „Abendmahl". I. Zuschrift von M. Schüz-
Düren. — Neue Literatur (Malmaterialienkunde a!s Grundlage der Maitechnik von Prof. Dr. A.
Eibner). — Bücheranzeige.

Die „eingeiühlten" Retouchen.

Von Herrn Maier Herrn. Linde erhalten wir
folgende Zuschrift:
„In der Pinakothek in München sind seit kurzer
Zeit im grossen Rubenssaaie zwei Gemälde „Das
Bad der Diana" (als Leihgabe) und das „Porträt
der Heiene Fourment" aus dem kleinen Rubens-
saaie zur Aufstehung gelangt. Man hat daher die
von mir in früheren Aufsätzen gewünschte Ge-
legenheit, zwischen restaurierten Gemälden und
unrestaurierten in der Pinakothek selbst einen
Vergleich anstelten zu können. — In der Nähe
der unrestaurierten „Helene Fourment" hängt ein
restauriertes Porträt derselben und in der Nähe
des „Bades der Diana ' das restaurierte „Bad der
Susanne".
Wer Gelegenheit hat, die Bilder zu vergleichen,
wird sich überzeugen können, dass die Rubensschen
Porträts keineswegs ursprünglich so glasig waren,
wie die restaurierten es sind und dass seine
figurenreichen Bilder durchaus nicht der feinen
Nuancierungen und Halbtöne entbehrten, wie es
die restaurierten der Pinakothek, namentlich die
arg mitgenommene „Susanna im Bade", tun. Aller-
dings kann man an diesen Bildern nur entfernt
den Schaden ermessen, den das Restaurieren der
Pinakothek gebracht hat, denn Rubens hat immer-
hin mit wenig Lasuren und mit sehr hart gewordenem
Farbmaterial gemalt, im Vergleich zu Meistern
wie Dürer oder gar Rembrandt, dessen Lasuren
und die das Ganze harmonisierenden Halbtöne
auch bei subtiler Restauration schon verloren
gehen.
Nach einer Notiz der „Münchener Neuesten
Nachrichten" hat nun der Herr Kultusminister an-
geordnet, die Schäden an den Bildern im Rubens-
saale alsbald zu beheben! Ob die Galerie-

kommission wohl derselben Ansicht ist, da doch
die Schäden zum grossen Teile erst durch das
Restaurieren entstanden sind ? Namentlich beginnen
sich erst jetzt die zerstörenden Wirkungen des
Jahre zurückliegenden Restaurierens zu zeigen. Bei
verschiedenen dieser restaurierten Bilder langt jetzt
die Farbschicht an, sich in grösseren und kleineren
Partien loszulösen. Stark bemerkbar ist dies bei
dem Rubensschen Bilde „Raub der Töchter des
Leukippos", Nr. 727.*) Ob diese armen Patienten
auch angefeuchtet und trocken frottiert wurden,
um ihre blau angelaufenen Partien zu verlieren, ent-
zieht sich meinem Wissen, doch gerade dieses Ver-
fahren wurde vielfach empfohlen und in anderen
Galerien auch angewandt. In dem Falle aber wäre
dies Ablösen der Farbschicht wohl zu verstehen;
doch auch Bilder, denen die Epidermis abgezogen
wurde, sind eben Patienten geblieben, die ihrem
schnelleren Verfalle entgegengehen.
Diese Betrachtungen führen mich zu dem in
Nr. $ dieser Zeitschrift erschienenen Artikel des
Herrn Restaurators Benz, dessen Ausführungen
wenigstens in einem Punkte nicht unerwidert
bleiben sollen.
„Wenn ein Bild durch Veränderung der
Pigmente seinen ursprünglichen Farben-
charakter verloren hat", so meint Herr Benz,
sei es die Aufgabe des Restaurators, „die zer-
störte Einheit des Bildes wieder aufleben
zu lassen", indem er zu Farbe und Pinsel greift
*) Dieses Abblättern der Farbe an dick gemalten
Stellen im Fleisch ist übrigens auch auf dem un-
berührten Bilde „Bad der Diana" zu bemerken; es
scheint demnach mit den physikalischen Veränderungen
der Farbsubstanz infolge von Temperatur- und
Feuchtigkeitsverhältnissen der Galerieräume im Zu-
sammenhang zu stehen. E. B.
 
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