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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 8
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Berger, Ernst: Lichtechte Teerfarbstoffe
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0033

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München, u. Jan. 1909.

Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

Y. Jahrg. Nr. 8.

Inhalt: Lichtechte Teerfarbstoffe. Von E. B. — Herstellung von Bunt- und Vorsetzpapieren. Von Walter
Ziegler. (Schluss.) — Der Hygrometer im Atelier. — Die Lebensdauer der modernen Gemälde. —
Schwierige Beantwortung.

Lichtechte Teerfarbstoffe.

Im Anschluss an die Ausführungen von Dr. H.
Pudor in seinem Artikel „Von den modernen
Farbstoffen" (Nr. 4 u. 5 dieser Blätter) möge es
gestattet sein, auf die Roiie hinzuweisen, die die
sog. Anilinfarben in der Fabrikation von Künstler-
farben zu spieien berufen scheinen. Man kann
den Klageruf des Verfassers obigen Artikels wohi
begreifen, wenn er den modernen Anilinfarben
ihre widrig grellen Farbentöne zum Vorwurf
macht und die Rückkehr zu den natürlichen, ein-
fachen Farbmitteln unserer Vorfahren anrät. Aber
es dürfte weder ihm, noch überhaupt jemand
gelingen, den Siegeslauf der modernen Teerfarben
zu hemmen, denn schon die ungeheuren Quanti-
täten an färbenden Mitteln, wie sie unsere heutige
Grossindustrie bedarf, könnten nimmermehr in der
Art der alten Farbstoffe hergestellt werden.
Und dann fragt es sich, ob denn auch wirk-
lich jene zarte und abgestimmte Farbenharmonie
nur die Folge der alten Farbstoffe und nicht
vielmehr die Folge des Alters ist, dass wir also
einer Art von Merochromie, wie es Brücke nannte,
die wunderbare Tonweichheit alter Gewebe, Gobe-
lins usw. zu verdanken haben. Die Mehrzahl der
von unseren Voreltern gebrauchten Pflanzenfarb-
stoffe, deren Kenntnis ja nicht verloren gegangen
ist, war nicht sehr lichtbeständig. Von der Purpur-
farbe wissen wir wohl, dass sie sehr haltbar sei,
aber, durch ihre Kostbarkeit bedingt, musste sie
mit allerlei geringeren Farbstoffen verschnitten
werden, bis sie durch Kermes (Grana oder Lacca)
verdrängt und neuerer Zeit durch Cochenille er-
setzt wurde. Anderen Farbengruppen, vielleicht
Indigo allein ausgenommen, erging es nicht anders.
Die grösste Umwälzung verursachte bekanntlich
die Entdeckung der Anilinfarben, die von nun
ab für alle Arten von Geweben als Hauptfarb-
stoffe in Betracht kommen.

Da die Anilinfarben stets als Lösungen ver-
wendet werden, schien anfangs ihr Einfluss auf
die eigentlichen Malerfarben, die Mineral- und
Erdfarben, gering; aber es dauerte nicht lange,
dann brachte die Methode des „Schönens", d. h.
des Auffarbens wenig schöner Nuancen der körper-
haften Farben mittels Anilin die Malerwelt auch
mit der Errungenschaft der modernen Chemie in
Berührung. Gegen diese Unsitte des „Schönens"
ist seit Jahren Stellung genommen worden, weil
die so präparierten Farben äusserlich farbkräftig
erscheinen, aber in kurzer Zeit ihre schöne Farbe
verlieren. Nichtsdestoweniger haben einzelne
Anilinfarben als Malerfarben Eingang gefunden
und trotz vieler Warnungsrufe finden sie sich
noch auf der Liste der Künstlerfarbenfabriken.
Wir haben selbst schon vor Jahren auf diese
Farben mit Fingern hingewiesen und gezeigt, dass
ihre Farbenschönheit allzu schnell und zusehends
schwindet, so dass ihr Einschmuggeln in die Maler-
palette verurteilt werden müsste; dahin gehören
Farben wie Mauve, Magenta, Solferino (lauter
„schöne" Violett), das Geraniumrot u. a.
Aber der rastlos tätigen Arbeit des Farben-
chemikers ist es gelungen, auch Farben aus den
Produkten des Steinkohlenteers zu erzeugen, die
mit bestimmten Pflanzenfarbstoffen identisch sind,
diese sogar an Reinheit und Beständigkeit über-
treffen. So ist nachgewiesen, dass der künstlich
hergestellte Alizarin-Krapplack reiner und dauer-
hafter ist, als der aus der Krappwurzel herge-
stellte. Und ebenso ist auch der künstliche
Indigo nicht nur gleichwertig, sondern auch
billiger als der aus der Indigopflanze erzeugte.
Wir können uns darauf gefasst machen, dass
unsere Farbenchemiker in kurzer Zeit auch andere
Anilinfarben lichtecht herstellen und die Künstler
eines Tages mit solchen Farben malen werden.
 
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