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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 22
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Berger, Ernst: Ueber die Enkaustik des Altertums, [2]
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KONSTTEOMSCBE
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München, i8.ing. 1909.

Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

Y. Jahrg. Nr. 22.

Inhait: Ueber die Enkaustik des Attertums. Von Ernst Berger. (Fortsetzung.) — Literatur: A. Eibners Mai-
materialienkunde. Von Georg Buchner-München. — Anfragen und Beantwortungen.

Ueber die Enkaustik des Altertums.
Aus einem Vortrage von Maier Ernst Berger, gehaiten im deutschen Museum zu München.

Es biideten sich Parteien, und die ersten Mitgiieder
der Académie royaie de Peinture standen vor einem
Rätsei, wie man mit Wachs maien könne, ohne es vor-
her zu iösen.
Noch grösser war aber das Erstaunen, ais Graf
Cayius mit seinem Mémoire herauskam und nicht in
einer, sondern in vier Arten die enkaustische
Maierei zu erkiären suchte. Dabei war aber nicht ein-
mai die Art der Lösung des Wachses in Terpentinöi,
die Cayius mit dem Arzt Mayauit erfunden und „Pein-
ture à ta cire" genannt hatte, inbegriffen.
Die erwähnten vier Arten waren:
1. Man trägt mit Farbstoffen gemischtes Wachs,
das in Näpfchen über einem Rechaud mit
siedendem Wasser fiüssig erhaiten wird,
mit dem Pin sei auf eine ebenso erwärmte Hoiz-
piatte. Mischungen werden auf einer heissen
Paiette gemacht.
2. Das mit Farben gemischte Wachs wird in Wasser
gekocht und mit einer Spatei so iange ge-
schiagen, bis das Wasser erkaitet ist. Das
Wachs wird dadurch in kieine Partikei geteiit,
eine Art „Poudre", der im Wasser schwimmt
und feucht gehaiten wird. Mit diesen Farben
matt man mit dem Pinsei wie mit Tempera.
Das fertige Biid wird dann mitteis eines Ver-
gotderofens eingebrannt.
3. Auf stark mit Wachs getränkte Hoiztafein mait
man mit Wasser- oder Gummifarben, erwärmt
nach dem Trocknen die Maierei am Feuer, bis
das darunter behndiiche Wachs erweicht ist und
die Farbenschicht durchdringt. Zur besseren
Haftung der Farben auf dem Wachse bestreut
man die Fiäche mit einer feinen Schicht von
Bianc d'Espagne (Kreide).
4. Dasseibe Verfahren wie das vorige, nur wird
zuerst mit Gummi- und Wasserfarben gemait,
auf die fertige Maierei werden dünne Wachs-
iameiienaufgeiegtundwie oben „eingebrannt".
Fast gieichzeitig, im März 1755, wurde die Pariser
Kunstweit mit einer abermaiigen Entdeckung der En-
kaustik überrascht. Die Maier Bacheiier, Hatte
und Lorrain (nicht zu verwechsein mit Claude Lorrain,
der 1682 starb) hatten Versuche gemacht, das Wachs

durch ein Aikaii (sei de tartre) zu iösen, sie mischten
Farben mit dieser Lösung, maiten auf Taffet oder
Leinen und erhitzten das Gemäide ziemiich stark von
rückwärts.
Die drei Künstier beeilten sich, bekannt zu machen,
dass sie die wirkiiche Enkaustik der Griechen ge-
funden, da mit Wachs gemait und das Gemäide ein-
gebrannt würde.
Die Gemüter schienen sich immer mehr zu er-
hitzen; es erschienen Broschüren und Pamphiete,
z. B. „Ueber die Kunst, mit Käsequark zu maien"
(L'Art du peindre au fromage ou Ramekin) unter einem
Pseudonym (Rouquet) und eine Abhandiung, angebiich
von Diderot, in der die neue Entdeckung gegen die
des Grafen in den Himmei gehoben wurde.
Schiiessiich sah die Akademie, von weicher der
Sturm ausgegangen war, sich veraniasst, seibst zur
Lösung der Frage zu schreiten und beauftragte ihr
Mitgiied, den Geiehrten Monnoye, mit der Bearbei-
tung der Frage.
Monnoye entiedigte sich der Aufgabe ebenso ge-
schickt wie dipiomatisch, indem er weder dem Grafen
Cayius mit seinen vier Arten, noch den Gegnern, die
ebenso mit vier Arten auftraten, in aiien Punkten bei-
stimmte, aber auch nicht in allen Punkten widersprach.
Die Art, wie er dies machte, ist sehr instruktiv und
aus Pernetys Dictionnaire de peinture (Paris 1757) zu
entnehmen.
Die Methode, das Wachs in einem Aikaii zu iösen
und es somit wassermischbar zu machen, wurde später
noch mehrere Maie zur Grundiage der Rekonstruktion
der antiken Enkaustik genommen, indem man annahm,
dass das mit dem Namen „punisches Wachs" bezeichnete
mit dem so geiösten identisch sein müsste.
Hierher gehören Benjamin Caiau, der [769
einen Bericht herausgab : Wie das Punische oder Eieo-
dorische Wachs aufzuiösen; dann John Gottiieb
Waiter, dessen „Materiai" ähniich zusammengesetzt
gewesen sein mag, der Marquis de Lorgna in Verona,
Peterssen in Haiie und neben manchem anderen der
gothaische Hofrat Joh. Friedrich Reiffenstein in
Rom, mit dem Goethe auf seiner römischen Reise
zusammentraf und durch den Goethe seibst in die neu-
entdeckte enkaustische Maierei eingeführt wurde.
 
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