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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 14
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Täuber, Ernst: Ueber Risse in der Bildschicht von Oelgemälden, [3]
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Einiges über Gemäldeerhaltung und Gemälderenovierung
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0059

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Nr. 14.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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Schicht zur Folge habe. Wäre dies zutreffend,
so müsste wohl überall da, wo die obere Schicht
Risse aufweist, auch eine Zerreissung der unteren
Schicht stattgefunden haben, denn die untere
Schicht ist bereits teilweise erhärtet, also weniger
nachgiebig als die frischere obere Schicht; das
Zerreissen der letzteren durch Bewegung der
ersteren ohne deren Verletzung ist also nicht wohl
denkbar. Nun hat aber in keinem einzigen der
von mir untersuchten Fälle eine solche Verletzung
der unteren Schicht festgestellt werden können.
Ueberall wo eine Beobachtung möglich war, erwies
sich die untere Schicht äusserlich ganz unverändert,
der Zusammenhang war nirgends zerstört und der
Flächenumfang des farbigen Feldes der ursprüng-
liche. Diese Feststellung liess sich besonders auf
Glas machen, auf dem bekanntlich Oelfarben auch
bei spiegelglatter Oberfläche sehr fest haften.
Hier zeigten bei meinen Versuchen die Grundfarben
auch dort keine Verletzung, wo die darüber
liegende Farbschicht bereits klaffende Risse auf-
wies, so dass die unverletzte glatte Oberfläche der
Grundfarbe zum Vorschein kam. (Schluss folgt.)
Einiges über Gemäldeerhaltung und
Gemälderenovierung.
Zu diesem Thema sendet uns Herr Karl
Strempel-Pfaffendorf (Rhein) folgende Zuschrift:
Es gibt viele Kunstfreunde und Sammler, die ein
gutes Bild gebührend zu würdigen und zu schätzen
wissen, aber in der Pflege der Oelgemälde wird meist
schwer gesündigt. Viele Kunstwerke gingen schon
infolge falscher Behandlung zugrunde, und die Un-
kenntnis der richtigen Konservierung wird wohl auch
viel dazu beigetragen haben, dass keine Werke von
Zeuxis und Apelles auf unsere Zeit gekommen. Wohl
schonte Demetrios Poliorketes die Stadt Rhodos, um
das berühmteste Werk Protogenes — den rhodischen
Heros Jalysos darstellend — vor Vernichtung zu retten,
aber ein Verfahren, um die Bilder vor dem zerstören-
den Einfluss von Licht und Luft in geeigneter Weise
zu schützen, kannte man nicht.
Noch in der ersten Hälfte des r$. Jahrhunderts
war die Art der Gemälderestaurierung sehr zweifel-
hafter Natur. Erst im Jahre 1864 lenkte Prof. Dr.
Max von Pettenkofer durch seine Entdeckungen
die Konservierung in wissenschaftliche Bahnen. Ihm
verdanken wir, dass uns viele wertvolle Kunstwerke
erhalten blieben, welche wohl sonst unrettbar der vor-
eiligen Uebermalung oder dem Zahn der Zeit zum
Opfer gefallen wären. Ersteres eine Manipulation,
welche besonders im 18. Jahrhundert mit Vorliebe an-
gewandt wurde. Nach „Frimmels Gemäldekunde"
polemisierte schon die Wiener Zeitung vom 12. Oktober
1768 gegen das „Aufschmieren" auf alte Bilder. Leider
wird auch noch heutzutage in fatalen Uebermalungen
schwer gesündigt, trotzdem uns Pettenkofer durch
seine Forschungen bewiesen, dass alle auf physikalischer
Ursache beruhende Bilderschäden, wie Trübung der
Oberfläche, weisser, schimmelähnlicher Niederschlag
usw., ohne Uebermalungen und Verputzen beseitigt
werden können.
Ob mit Recht oder mit Unrecht wurden die
Restauratoren früher mit Aerzten verglichen, weil sie
das „kranke" Gemälde kurierten. Vielleicht war dies
auch Ironie, denn viele Bilder, die dem „Tode" glück-

lich entronnen sind, weisen heute noch die Spuren
einer Kur à la Dr. Eisenbart auf. Die Periode der
Restaurierungskunst vor Pettenkofer darf man wohl
mit ruhigem Gewissen das Zeitalter der Kurpfuscherei
und der krassesten Geheimmittel nennen.
Nun möchte ich den so beliebten und gern an-
gewandten „medizinischen" Vergleich einmal beibe-
halten. Sollen wir gesunde, lebensfähige Menschen
werden und bleiben, so müssen vom ersten Tage
unseres Daseins alle Regeln der Gesundheitslehre be-
folgt werden. So geht es auch in der Malerei: die
Technik derselben bedingt ihre Lebensfähigkeit.
Hier kommen wir zwar zu einem wunden Punkte
in der edlen Malkunst. In unserer Zeit verlassen sich
die Künstler in betreff ihres Materials viel zu sehr auf
die Fabrikanten und Händler. Schon W. Ostwald weist
in seinen „Malerbriefen" darauf hin, dass eine kleine
Aneignung von chemischer und physikalischer Kennt-
nis jeden Maler in den Stand setzt, sein Material auf
Echtheit zu prüfen, und ihn etwaige Schäden bei
Anwendung dieser oder jener Technik richtig erkennen
lassen. Es kann eben nicht genug betont werden, wie
sehr die Erhaltung eines Bildes von der Natur des
dazu verwandten Materials abhängig ist.
Besonders schädlich bei Herstellung der Gemälde
ist die allzugrosse Verwendung von Oel und blei-
haltigen Trockenmitteln. Das Bild wird alsdann nach
kurzer Zeit trübe, reisst und stirbt bald ab. Ver-
gleichbar mit einem Kinde, welches mit Kaffee und
geistigen Getränken grossgezogen werden soll und
hierdurch seine Lebenskraft einbüsst. Fehlen die
ersten Grundbedingungen für Erhaltung eines „ge-
sunden" Bildes, so helfen später auch alle Restau-
rierungskünste nichts. Folglich muss es bei der Ge-
mäldeerhaltung ebenso heissen wie in der Medizin:
„Vorbeugen!"
Diese Erkenntnis führte ja auch zur Bildung der
„Deutschen Gesellschaft zur Beförderung rationeller
Malverfahren" in München, und hat diese Institution
schon sehr viel Gutes und Bemerkenswertes geleistet.
Wird sich nun auch der schaffende Künstler be-
wusst, dass nur bei gründlicher Kenntnis der Be-
schaffenheit des Materials ein wirklich lebensfähiges
Kunstwerk hervorgebracht werden kann, so über-
dauern seine Oelgemälde Jahrhunderte, ohne die ge-
ringste Veränderung in ihrer Gesamtwirkung zu er-
leiden. Natürlich vorausgesetzt, dass sie auch ferner-
hin stets einer sachgemässen Behandlung unterliegen.
Aber auch in letzterer Beziehung wird nicht nur
in Laienkreisen gefehlt, sondern auch von Künstlern
selbst und sogar in Galerien. So sah ich vor Jahren
in einem bedeutenden Museum unter anderem einen
Achenbach direkt über der Luftheizung hängen.
Speziell dieses Bild hatte ich mir gemerkt, weil es
durch unzählige Sprünge total ruiniert war. Auch
überzeugte ich mich durch Tastsinn, dass das Bild
sehr erhitzt war infolge der trockenheissen Luftwelle,
welche über das Gemälde hinwegstrich. Als weiteren
Beweis hebe ich folgenden Satz hervor, der einem
Vortrage Prof, von Pettenkofers entnommen ist —
gehalten am 23. November 1887 in der Sitzung der
„Deutschen Gesellschaft zur Beförderung rationeller
Malverfahren" in München —: „. . . Ich habe Bilder
in der Schleissheimer Galerie gesehen und selbst in
unserer alten Pinakothek, über welche das Wasser
geradezu herunterlief, ja sogar so, dass sich manch-
mal Eiskrusten gebildet haben!"
Das oben Gesagte entzieht auch der Ansicht den
Boden, alte Galeriestücke ein und desselben Meisters
müssten sich gleichwertig erhalten haben. Hierauf
beruhende Vergleiche mit alten restaurierten und an-
scheinend noch nicht restaurierten Bildern ergeben
nur irrige Hypothesen. Im übrigen halte ich es noch
für eine grosse Streitfrage, ob es überhaupt ältere
 
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