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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 21
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Berger, Ernst: Ueber die Enkaustik des Altertums
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0085

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München, 19. JnH 1909.

Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

Y. Jahrg. Nr. 21.

Inhalt: Ueber die Enkaustik des Attertums. Von Ernst Berger. — Die Wiederfestigung der Rethetschen
Fresken im Krönungssaate des Rathauses zu Aachen. Von Paut Gerhardt-Düssetdorf. (Fortsetzung
und Schtuss.) — Literatur. Oetfarbe und Oetfarbanstriche von C. Hebing.

Ueber die Enkaustik des Altertums

Aus einem Vortrage von Mater Ernst Berger
(Voran ging eine die attgemeinen Gesichtspunkte für
Aufstehung eines Programmes der Abteitung für
„Maten" des deutschen Museums berührende Einteitung
und eine kurze Charakterisierung der attägyptischen
Materei, ats einer auf dem Prinzip des Schattenrisses,,
d. h. der einfachen Konturzeichnung, beruhenden
Kunstübung.)
Bei den Griechen des Attertums beruht an-
fänglich auch die Matkunst auf dem Grundsatz des
Schattenrisses, aber dieser ist schon zu grosser Voll-
kommenheit, zu einer Kunst der Linienführung
ausgebitdet. Wir sehen dies an den reizvotten Vas en-
gem ät den der vorchristtichen Jahrhunderte, die
griechischen Künsttern zugesprochen sind und auch
an den etruskischen Wandgemälden derBegräbnis-
ptätze von Ruvo, Corneto Chiusi u. a., die technisch
auf ähnlicher Stufe stehen wie die Malereien in ägyp-
tischen Tempeln, nämtich in Konturzeichnung mit Aus-
füllung der Zwischenräume in Lokatfarben ohne
Modellierung.
Aber schon im V. Jahrhundert vor unserer Zeit,
so berichten die alten Schriftquellen, haben Künstler
gelebt, die sowohl in Zeichnung und Modellierung der
Formen gewisse Vollkommenheit erreichten und jeden-
falls für jene Zeit die Naturwahrheit so weit ge-
bracht hatten, dass die Beschauer getäuscht werden
konnten, ob sie die Wirklichkeit oder nur ein Abbild
vor sich hatten. Wir brauchen nur an die bekannte
Anekdote zu erinnern von den gemalten Trauben des
Zeuxis, zu denen Vogel heranhogen, und an den
von Parrhasios gemalten Vorhang, durch den selbst
Zeuxis getäuscht wurde, da er hinter diesem ein
Bild vermutet hatte.
Die blendendste Künstler-Erscheinung des Alter-
tums war Apelles (lebte im 4. Jahrhundert v. Chr.),
als Porträtmaler Alexanders des Grossen und
wegen seiner zeichnerischen Sicherheit und der
Feinheit der Linienführung berühmt.
Alle diese Künstler mussten sich mit den einfachen
Mitteln der Temperamalerei (wie Ei, Gummi, Leim)
begnügen; aber gleichzeitig trat eine neue Technik
auf, nämlich die Enkaustik. Es ist dies ein Beweis
des schon vorhin erwähnten Gesetzes: Jede Zeit sucht
sich die Technik, deren sie bedarf. Die Zeit des

gehalten im deutschen Museum zu München.
Apelles, eines Protogenes, Praxiteles, des Bildhauers,
des Pausias (des Tizians des Altertums) brauchte eine
neue Technik, die
1. koloristische Vorzüge hatte, und dem
Bestreben nach Realistik der Darstellung mehr
entgegenkam und
2. grössere Gewähr für Haltbarkeit bot.
Das waren vermutlich die Motive, die für diese
Neuerung massgebend waren, alle anderen sich bietenden
Schwierigkeiten technischer Art traten in den Hinter-
grund. Es scheint, dass die Maler der Zeit mit ihrer
uralten Tempera keine guten Erfahrungen gemacht
hatten, wenn auch, wie wir von Apelles wissen, Firnisse
zum Schutz des Bildes üblich gewesen sein mögen.
Es fehlte die innere Festigkeit der Farbsubstanz, und
die gute verlässige Vereinigung mit dem Grund. Der
Gips- oder Kreidegrund bot überdies wenig
Widerstand gegen Nässe und Feuchtigkeit.
Aus den wenigen Angaben alter Schriftquellen
wissen wir bestimmt nur dies, dass in der sog. En-
kaustik das Wachs ein integrierender Bestandteil des
Farbenbindemittels gewesen i,st, und dass die Wärme
resp. die Erhitzung der Farben dabei eine Rolle
gespielt haben muss.
Aber wie dies vor sich gegangen ist, wie die In-
strumente ausgesehen haben, wie das ganze Malver-
fahren ausgeübt wurde, darüber wissen wir nichts
völlig Sicheres und sind auf Vermutungen angewiesen.
Der einzige Autor, der etwas Genaueres über
die Enkaustik sagt, ist Plinius in seiner „Naturalis
Historia". Er erwähnt die enkaustische Malweise einige
Male, so gelegentlich der Aufzählung der enkaustischen
Maler und ihrer Werke,, die er mit den Worten be-
ginnt (XXXV, 122):
„Ceris pingere ac picturam inurere, quis
primus excogitaverit, non constat", d. h. „wer zuerst
auf den Gedanken gekommen ist, mit Wachsfarben
zu malen und ein Gemälde einzubrennen, ist
nicht bekannt."
Plinius zitiert dann die Ansicht einiger: „dass die
Enkaustik vom Maler Aristides erfunden und vom
Bildhauer Praxiteles vervollkommnet worden sei".
Beide hatten ihre Blütezeit etwa nach 370 v. Chr.,
also während der Regierungszeit Philipps von Mace-
 
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