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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 10
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Mai, Johann: Die Künstlersteinzeichnung
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Schüz, Martin: [Rezension von: Manchot, Wilhelm, "Leonardos Abendmahl"]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0043

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Nr. ,0.

Münchner kunsttechnische Blätter.

39

Das Porträt und die Landschaft waren das
eigentliche Arbeitsfeld, auf weichem sich die
Kreidelithographie betätigte, und viele Meister,
deren Namen in der neueren Kunstgeschichte einen
guten Klang haben, befassten sich damals mit der
Steinzeichnung.
Die modernen Reproduktionsverfahren, welche
der Herstellung von Druckplatten oder Klischees
dienen, sind durchschnittlich nur für die Nach-
bildung von Originalzeichnungen oder Gemälden
bestimmt, so dass man also von einer persön-
lichen Eigenart des reproduzierenden Künstlers
hierbei nicht mehr sprechen kann.
In der Kreidelithographie kann durch den
berufsmässigen Lithographen die Eigenart des die
Zeichnung liefernden Künstlers nicht so nach-
geahmt werden, dass das Original und die Ver-
vielfältigung in jeder Beziehung einander gleichen.
Selbst dann, wenn der Lithograph tatsächlich dem
Künstler in jeder Linienlage oder jeder Schatten-
partie zu folgen und sie nachzuahmen imstande
wäre, werden doch Abweichungen auf den ab-
gedruckten Kunstblättern festzustellen sein, die
der Künstler bemängeln wird. Die persönliche
Technik des Lithographen weicht eben von der
des zeichnenden Künstlers sehr weit ab, und des-
halb ist jede Nachbildung durch zweite Personen
nur ein unvollkommenes Stückwerk.
Die durch die Zuhilfenahme der Photographie
erzeugten Druckplatten oder Klischees bezw. die
hiervon entnommenen Abdrücke zeigen, oberfläch-
lich betrachtet, die genaue Wiedergabe der Ori-
ginale, doch bei näherem Vergleiche treten auch
hier allerlei Ungenauigkeiten auf, die in der nach-
träglichen Behandlung der Platten während der
Retusche usw. ihren Grund haben.
Man ist allgemein der Ansicht, dass die Photo-
graphie jeden Gegenstand naturgetreu wiedergibt,
was ohne Zweifel richtig sein mag, solange nicht
die Verbesserung vermittelst Handretusche eine
Veränderung des negativen Bildes auf der photo-
graphischen Platte herbeiführt. Weiter erfordert
die auf chemigraphischem Wege von der photo-
graphischen Platte entnommene Kopie auf der
hochzuätzenden Druckplatte ebenfalls eine aus-
gedehnte Nachhilfe und Verbesserung, weil ohne
diese Retusche die Druckplatte oder das Klischee
kaum druckfähig wäre. Der allgemeine Charakter
des Druckfeldes auf der Platte wird dadurch ver-
schönert, dagegen entspricht der entnommene
Abdruck nicht in allen Partien der Vorlage, die
Originaltreue ist verloren gegangen.
Die Eigenhändigkeit des manuell schaffenden
Künstlers wird bei allen Nachbildungsmethoden
mehr oder weniger beeinträchtigt, und nur dann,
Wenn der Künstler selbst zum Stichel, der Gravier-
end Radiernadel oder zum Kreidestift greift, um
seine Ideen oder geistigen Gebilde auf den Druck-
platten darzustellen, kann man ihn erst in seiner

eigenartigen Auffassung, Gestaltungsgabe und in
der Strichführung bewundern, da wir Original-
erzeugnisse vor uns haben.
Leider fehlt den zeichnenden Künstlern die
fachliche Ausbildung, die bei der sachgemässen
Bearbeitung des Druckplattenmaterials unbedingt
erforderlich ist, um gute Resultate zu erzielen.
Noch viel umständlicher gestaltet sich der Holz-
schnitt, der als das schwierigste aller graphischen
Verfahren bezeichnet werden muss, so dass er
ohne fachtechnische Ausbildung und fortwährende
Betätigung keine annähernd brauchbaren Druck-
platten erwarten lässt.
Die lithographische Kreidezeichnung (Künstler-
steinzeichnung) ist die einzige Manier, in welcher
der Künstler als Nichtfachmann seine Ideen zum Aus-
druck bringen kann, deren direkte Vervielfältigung
dann im Wege des Steindruckes geschieht.
Die Kreidezeichnung auf lithographischen
Steinen wird fast in derselben Weise durchgeführt
wie auf Papier; die Rauheit des letzteren ist auf
dem Stein durch die Körnung wiedergegeben.
Der Künstler ist ganz allein auf seine eigenartige
Veranlagung in der Führung des Kreidestiftes ange-
wiesen, so dass er sein Empfinden, seine Ideen unge-
hindert darstellen kann, ohne dass Schwierigkeiten
wie bei den andern graphischen Verfahren zu
überwinden wären. (Schluss folgt.)
Zu dem Artikel „Leonardos Abendmahl"
von Architekt W. Manchot-Frankfurt a. M.
erhalten wir folgende Zuschrift:
a Eine recht regeTeilnahme an so erhabenen Werken
wie dem „Abendmahl" Leonardos muss jeden Kunst-
freund erfreuen, um so mehr, wenn Sachkundige reden,
die auch über technische Geheimnisse Aufschluss und
Belehrung geben können. Aber wenn wir auch gerne und
oft zu solchen Abstechern in die Domänen des Fachmannes
bereit sind, wir dürfen uns doch nicht so weit verlocken
lassen, dass wir den Weg nicht mehr zurückünden und
den Ueberblick über das Ganze verlieren.
Der Standpunkt bei der Betrachtung eines Bildes
gehört gewiss nicht zu den Nebensachen, aber was der
Verfasser vom Bildhorizont sagt, dass der nämlich mit
dem Horizont des Beschauers in einer Ebene sein
müsse, passt eigentlich nur auf das Staffeleibild. Ich
möchte den Spiess umdrehen und sagen: gerade die
Herren Architekten machen durch ihre Vertäfelungen
das richtige Aufhängen der Staffeleibilder unmöglich.
Doch das soll kein Vorwurf sein, über eine Vertäfelung
gehört eben kein Staffeleibild mit einem ausgesprochenen
Horizont, wohl aber ein Wandgemälde in grossen Ver-
hältnissen — und darum handelt es sich in vorliegendem
Falle.
Die geschickte Anpassung des Bildes ohne jeglichen
Rahmen in den Raum, die sich am stärksten in der
Eingliederung der Kassettendecke und Seitenwände
des Bildes in die Architektur des Refektoriums aus-
spricht und eine viel kompliziertere ist, als man auf den
ersten Blick glaubt, genügt allen Anforderungen, die
ein an perspektivisches Sehen gewöhntes Auge billig
erheben kann. Wer sich dem Eindruck des Bildes
hingibt, ist sofort in der Illusion, auf die alles ankommt,
und ist damit über alle die vorgebrachten Bedenken
hinausgehoben. Er bemerkt sie gar nicht, und das ist
kein Mangel seines Sehens, vielmehr so soll es sein,
 
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