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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 22
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Berger, Ernst: Ueber die Enkaustik des Altertums, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0090

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86

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 22.

Alle Rekonstruktionsversuche auf Grundiage des
vieigesuchten punischen Wachses endeten mit einem
Maie, ais die Ansicht, dass die Aiten ätherische
Oeie zur Lösung des Wachses gebraucht hätten,
immer mehr an Boden gewann. Fabroni giaubte bei
der Untersuchung eines ägypt. Mumiensarges im Mu-
seum zu Fiorenz konstatieren zu können, dass ausser
dem Farbstoff nur Wachs, das in Naphtha aufgeiöst
worden war, verwendet wurde.
Dadurch wurde die Ansicht verbreitet, die Griechen
hätten das Wachs ebenso in den Zustand der Pinsel-
fiüssigkeit gebracht.
Paiiiot de Montabert griff diese Idee der
kalten Auflösung des Wachses (in Terpentin) zuerst
auf und arbeitete ein Verfahren aus, auf geeignet prä-
parierten Wandfiächen mit Farben, die in einer be-
stimmten Mischung von Wachs und Terpentinöl an-
gerieben waren, zu malen. Er fand besonders in den
Kreisen der Künstler grossen Beifall und in dem Arch.
Hittorff einen ausserordentlichen Anwalt. Auf seine
Veranlassung wurden in der von ihm erbauten Kirche
St. Vincent et Paul in Paris alle Malereien, darunter
der grosse Fries von Flandrin, in dieser Technik
ausgeführt.
In Nachahmung dieses Verfahrens erfand F. X.
Fernbach (1845) ein ähnliches, als Ersatz des Fresko-
verfahrens, wobei dem in Terpentin erweichten Wachs
vornehmlich Bernsteinharz und Kautschuklösung bei-
gemischt wurden. Im neuen Königsbau der Münchner
Residenz, und zwar im Hohenstaufen- und Habsburger-
Saal, haben sich diese von Schnorr v. Carolsfeld und
seinen Schülern hergestellten Gemälde, wie man sich
überzeugen kann, bis heute sehr gut erhalten.
Da man aber sowohl in Paris als auch in München
vöm Einbrennen des Gemalten als überflüssig
abkam, so konnte von einer wirklichen Erneuerung
der alten Enkaustik nicht die Rede sein. Hingegen
hat sich jedoch die Bezeichnung Enkaustik für
alle jene Malerei eingebürgert, bei der das Wachs in
irgendeiner Form angewendet wurde. Denn Wachs
und Enkaustik waren seit jeher untrennbare Begriffe
und sie sind es auch bis heute geblieben.
Das Auffallendste an diesen praktischen Wieder-
belebungsversuchen der antiken Enkaustik war, dass
die Chemiker Chaptal (1809) und Humphry Davy
(1815) weder Wachs noch Mischungen mit Harzen in
antiken Wandresten nachweisen konnten, so dass der
Architekt Rob. Wiegmann (Düsseldorf) schon 1836
den Beweis zu erbringen versuchte, dass im Altertum
überhaupt nicht mit Wachsfarben auf Wandflächen ge-
malt worden sei und die antike Enkaustik nie etwas
anderes als eine Griffeitechnik auf Tafeln ge-
wesen wäre.
Wir kommen damit wieder auf den Ausgangs-
punkt, nämlich die wenigen Angaben des Plinius zurück,
um die bis in die jüngste Zeit geltende Ansicht des
gelehrten Malers O. Donner-v. Richter, die er zuerst
im Jahre 1869 ausgesprochen hat, hier anzureihen.
Donner ging von der Ansicht aus, dass die En-
kaustik in zwei getrennten Operationen bestanden
hätte, weil Plinius sage, ceris pingere ac picturam
inurere, d. h.: Mit Wachsfarben malen und (hernach)
das Gemälde einbrennen.
Von den dreiArtenscheidedie letzte, dieSchiffs-
malerei, als rein handwerksmässige „Anstreicher-
arbeit" von der künstlerischen Technik aus. Den beiden
ersten Arten sei das Instrument Cestrum gemein-
sam, sie unterscheiden sich nur durch den Malgrund,
der im ersten Falle Holztafel, im zweiten Elfen-
bein gewesen sei.
Als Material diente verschieden gefärbtes Wachs,
und zwar das sogenannte Punische (als das beste), das
durch besondere Präparation in Verbindung mit etwas

balsamischem Harz und einigen Tropfen Olivenöl zu
einem „duktilen Brei" verarbeitet würde.
Im Gegensatz zu den heissflüssigen Farben
derSchiffsmaltechnik seien die Wachsfarben bei beiden
ersten Arten im kalten Zustande aufzutragen und
zu verarbeiten. Als „Schlussbehandlung" lässt
Donner das „Einbrennen" mit einem zweiten Instru-
ment, etwa einem vorsichtig darübergehaltenen, nicht
zu stark erhitzten Metallstab, folgen.
Die Form des Cestrum denkt sich Donner als
ein lanzettförmiges Instrument mit sägeartig ge-
zahnten Rändern, indem er Namen und Gestalt von
dem Blatte der Pflanze xÉTrçog Vettonica, die lanzett-
förmige Blätter hat, ableitet. Als Stoff, aus dem das
Cestrum hergestellt wurde, wäre etwa Holz, Horn oder
Knochen — Metall sei nicht absolut nötig — anzu-
nehmen, und die Farben wurden je nach Bedarf aus-
gebreitet und mit wohlberechneter Zusammenstellung
der Töne zusammengearbeitet.
Obgleich der Einwand nicht zurückzuweisen ist,
dass nach Donners Rekonstruktion von den drei
Arten der ars encausto pingendi nur eine einzige (die
mit dem Cestrum) übriggeblieben war, hatten sich die
gelehrten Archäologen dennoch seiner Ansicht ange-
schlossen, und sie hat als richtigste Lösung der Frage
bis vor wenigen Jahren gegolten.
Literatur. *)
Malmaterialienkunde ais Grundiage der Mai-
technik. Für Kunststudierende, Künstier, Maier,
Lackierer, Fabrikanten und Händier von Dr.
A. Eibner, a. o. Professor, Leiter der Versuchs-
anstait und Auskunftssteiie für Maitechnik an
der Technischen Hochschuie in München. Berlin
1909, Verlag Juiius Springer.
Die Malmaterialienkunde ist eine der Grundlagen
des grossen, vielgestaltigen Arbeitsfeldes, das man
unter dem Begriffe „Maltechnik" zusammenfasst. Die
Maltechnik ebensowohl, als die Kenntnis der Mal-
materialien ist im Vergleich zu anderen, heute wissen-
schaftlich intensiv ausgearbeiteten Gebieten mensch-
licher Tätigkeit, bedeutend hinter den Entwickelungs-
möglichkeiten zurückgeblieben. Einer der Gründe ist
der, dass sich hier die Entwickelungslinien ver-
schiedener Wissenschaften begegnen, welche auf
dieses Gebiet angewandt und zu einem Ganzen
zusammengefasst werden müssen. Eine Reihe von
trefflichen Werken und Bestrebungen, ich denke z. B.
an diejenigen von Pettenkofer, Gentele, Linke, Keim,
Munkert, Church, Ostwald, Berger u. a., liefern Beiträge
hierzu und bemühen sich auch, die einschlägigen
Kenntnisse der Chemie und Physik, sowohl gesondert,
als auch zusammengefasst, fruchtbringend zu verwerten.
Einen neuen „Versuch", dieses schwierige Arbeits-
gebiet zu fördern, liefert Prof. Dr. A. Eibner mit dem
vorliegenden Buche. Einen „Versuch" sage ich; denn
der Verfasser ist selbst, nach dem Inhalt seiner Vor-
rede, der Anschauung, dass erst ,,im Laufe der Zeit
ein Werk geschaffen werden kann, das der gesamten
Maitechnik allgemein Nutzen schafft". — Dieses Buch,
eine fieissige, grösstenteils kompilatorische Arbeit, ist,
wie der Verf. ausführt, aus dem ursprünglichen Manu-
skript der Vorträge: „Ueber die Chemie in der Mal-
technik" entstanden, welche Prof. Dr. A. Eibner ab-
hält. Diesem Umstand, glaube ich, verdankt dieses
Werk, dessen Vorzüge gern anerkannt werden, seine
Mängel. In der Bearbeitung eines so riesigen, teilweise

*) Vgl. über das nämliche Werk'Nr. 16, S; 64 d. Bl.
 
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