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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 6
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Ziegler, Walter: Herstellung von Bunt- und Vorsetzpapieren, [2]
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Manchot, Wilhelm: Leonardos "Abendmahl"
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0028

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24

Münchner kunsttechnische Blätter.

Erst wenn der Gallenzusatz der einzelnen Farben
geregelt ist, soll man das Arbeiten in der Schale be-
ginnen. Letztere lässt man zweckmässig aus Zinkblech
herstellen. Sie ist viereckig und etwas grösser als
die zu verarbeitenden Papierbogen und etwa 6 cm
tief. Die eine Schmalwand der Schale ist nicht recht-
winklig, sondern in stumpfem Winkel zum Boden an-
gesetzt. Dieser Schmalseite muss in ganzer Länge
ein Behälter angeschlossen sein, in welchen die
Farbenreste, welche auf der Oberfläche schwimmen,
und das erwähnte Häutchen des Grundes mittels
eines Streichbrettes aus der Schale hinübergeschafft
werden können. Immer muss man im Auge behalten,
möglichst rasch und sicher zu hantieren. Sofort nach
dem Abziehen mit dem Streichbrett wirft man mit
dem Pinsel in rascher Reihenfolge längs der Mitte
Farbentropfen auf. Z. B. Schwarz. Ohne zu zögern
tropft man in die Ränder links und rechts des ent-
standenen schwarzen Fleckenbandes eine zweite Farbe,
etwa Blau, die sich wieder ausbreiten wird. Dann
mag man noch eine weitere Farbe in gleicher Weise
auf den Grund bringen. Die Grundfläche soll ziem-
lich gleichmässig mit den ausgebreiteten Farbenflecken
bedeckt sein. Man nimmt nun ein dünnes Hölzchen,
etwa einen Pinselstiel, und zieht mit diesem, ohne den
Boden der Schale zu berühren, von einer Wand der
Schale bis zur anderen gehend und wieder zurück, eine
enge Schlangenlinie quer durch die Farbenbänder.
Durch diese Manipulation werden die vorhandenen
Tropfenformen umgeformt, zerlegt und verteilt, und
ergibt die erzielte Erscheinung oft schon ein ange-
nehmes Bild. Verwendet man jetzt einen Kamm, ge-
bildet aus Nadeln, die in gleichweiten Abständen in
einer Holzleiste oder einem Pappenstreifen befestigt
sind und streicht mit diesem in der Richtung des
erstlich aufgetropften Farbenbandes durch die Schale,
so erhält man die aus Bücherschnitten bekannten
Schuppenmotive, den „Kammschnitt". Es gibt nun
eine Menge von Varianten, ähnliche Formen hervor-
zurufen. So z. B. der „Federschnitt". Dieser wird
erzielt, indem man einen Nadelkamm mit etwas wei-
terer Nadelstellung nimmt, damit zuerst den Kamm-
schnitt macht, dann den Kamm um die halbe Nadel-
weite verschiebt und ihn in die Schale zurückführt.
(Fortsetzung folgt.)
Leonardos „Abendmahl".
Im Anschluss an unsere Notiz über die durch Prof.
Cavenaghi glücklich vollführte Restaurierung von Leo-
nardos Abendmahl übersandte uns Herr Architekt
W. Manchot seine in der „Fft. Z." erschienene Zu-
schrift, die wir mit Einwilligung des Verfassers hier
wiedergeben:
„Auf der Rückreise von den italienischen Seen
führte mich mein Weg wieder einmal nach Mailand,
und alter Gewohnheit getreu, wiederum nach S. Maria
dette Grazie, bezw. dessen Refektorium mit Leonardos
wunderbarem Abendmahlbilde. Mit aufrichtiger Trauer
musste ich das unaufhaltsame Fortschreiten des Ver-
falles dieses einzigen Werkes wahrnehmen und doch,
was bietet es noch selbst in diesem ruinösen Zustande !
Wie störend wirkt andererseits aber auch die höchst
ungeeignete Art und Weise, in der man gezwungen ist
dieses Meisterwerk zu betrachten. Ich meine das
starke Missverhältnis zwischen dem Horizonte des
Bildes und dem des Beschauers. Für jeden, der mit
den Gesetzen der Perspektive nur einigermassen vertraut
und dessen Empfinden dafür durch Uebung gestärkt
und gefestigt ist, macht es einen geradezu peinlichen
Eindruck, Aufsicht auf den Tisch, auf dem das Mahl
bereitet ist, zu haben, während man so tief steht oder
gar sitzt, dass sich die Augenhöhe tiefer als der Fuss-
boden des von Leonardo dargestellten Raumes be-

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findet. Man nimmt also einen Standpunkt ein, von
dem aus man niemals die obere Fläche des Tisches
sehen könnte, von dem aus sogar durch die Tisch-
platte noch die am Tische sitzenden Gestalten zum
grossen Teile verdeckt sein müssten, während die
Decke des Raumes von diesem falschen Standpunkte
aus übertrieben verkürzt erscheint, so dass die ruhige
Gesamtwirkung des von Leonardo absichtlich so sym-
metrisch perspektivisch komponierten Raumes Not
leidet. Man kann sich von dem Gesagten leicht über-
zeugen, wenn man, auf einem der vor dem Bilde auf-
gestellten Stühle sitzend, die Wirkung des Bildes mit
einer der vielen trefflichen photographischen Auf-
nahmen desselben vergleicht. Denn letzteren haftet
der erwähnte Mangel nicht an, weil sie alle — wenn
auch nicht aus dem angeführten Grunde, sondern um
das Bild ganz und gleichmässig auf der photographischen
Platte zu erhalten — von einem höher liegenden
Standpunkt aus gemacht sind, bei welchem Objektiv-
achse und Bildhorizont in einer und derselben Höhe
liegen, bzw. nur geringe Unterschiede aufweisen. Ein
Mitbesucher, mit dem ich über das hier Gesagte
sprach, gab mir sofort zu, dass er, nun aufmerksam
gemacht, meinem Empfinden unbedingt beipflichte;
„aber", warf er ein, „wie soll man sich erklären, dass
Leonardo bei seinem eminenten Wissen und Können
diesen Umstand völlig ausser acht gelassen hätte?"
Allerdings erscheint es ausgeschlossen, dass ein so
wichtiger Punkt von Leonardo übersehen worden wäre,
und man wird daher von selbst darauf hingewiesen,
die vorhandene Dissonanz in den Wandlungen zu
suchen, welche das alte Dominikanerrefektorium im
Laufe der Jahrhunderte zu erdulden hatte. Hat dieser
Raum doch eine Zeitlang selbst als Stall gedient!
Fussboden und Wandtäfelungen sind später erneuert
worden, und wenn man den Blick auf die beiden
Türen des Raumes heftet, so wird man über den Tür-
stürzen, in ihrer Breite, neueres Mauerwerk und neueren
Verputz gewahr. Es scheint demnach, dass die Türen
ursprünglich höher sassen, bzw. der Fussboden des
Raumes höher lag, als dies heute der Fall ist. Es
geht dies auch daraus hervor, dass die Mönche seiner-
zeit, um einen bequemeren Verkehr mit der Küche
zu haben, unter der Gestalt Christi eine Tür durch-
brechen Hessen, deren obere Kante bis in das Tisch-
tuch hinein ragte. Bei der jetzigen Höhe des Fuss-
bodens hätte eine solche Tür noch nicht einmal die
Höhe der hölzernen Wandbekleidung überschritten.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Einrichtung
solcher Refektorien vielfach der Art war, dass sich
rings den Wänden entlang ein erhöhtes Podium befand,
auf dem erst die Tische und Bänke standen. Es ist
dies eine Einrichtung, wie sie u. a. heute noch in dem
Refektorium der Certosa bei Pavia zu sehen ist.
Hieraus folgt, dass für die Beschauer des Bildes zu
.Leonardos Zeit ein wesentlich höherer Standpunkt
gegeben war. Und ein solch höher gelegener Stand-
punkt, von dem aus man das wunderbare Gemälde,
unbeeinträchtigt durch die zur Zeit vorhandene Disso-
nanz, im Einklang mit den Absichten seines grossen
Schöpfers betrachten und gemessen könnte, liesse
sich leicht und ohne allzu grosse Kosten vornehmen.
Man brauchte nur an der Stelle, an der jetzt die Stühle
stehen, ein um mehrere Stufen erhöhtes, eventuell auf
Rollen bewegliches Podium für die Beschauer her-
zustellen. Die Kosten hierfür wären gewiss nicht
sonderlich hoch und würden um so weniger ins
Gewicht fallen, wenn man das hohe Eintrittsgeld und
den überaus starken Besuch des Raumes in Betracht
zieht. Andererseits aber würde sich die Verwaltung
sicherlich den Dank aller Kunstfreunde erwerben."
W. Manchot-Frankfurt.
 
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