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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 20
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Bentz, F.: Die "eingefühlten" Retouchen, [2]
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Gerhardt, Paul: Die Wiederfestigung der Rethelschen Fresken im Krönungssaale des Rathauses zu Aachen, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0083

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Nr. 2o.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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manden, der sich dem Eindruck der Soiothurner
Madonna entziehen kann trotz der durchgreifenden
Restaurierung. Es sei auch noch an Cavenaghis
giückiiche und entsagungsvolle Tätigkeit an Leo-
nardos Abendmahl erinnert, die das dem sicheren
Verfaii entgegengehende Werk für uns zurück-
erobert hat. Dieser ist übrigens ein iebender
Protest gegen den Argwohn des Herrn Linde,
dass den Restauratoren ein einträgliches Honorar
iieber sei ais ein altes Meisterwerk; denn Cave-
naghi hat, wie in den Zeitungsberichten stand,
seine lange und ungemein anstrengende Tätigkeit
an Leonardos Biid nicht um eines Honorars wiiien,
sondern um dem Genius des Meisters zu dienen,
unternommen, und ich giaube, dass eine derartige
Gesinnung, die die eigene Tätigkeit ganz in den
Dienst eines grösseren steht, häufiger anzutreffen
ist, als manche meinen.
Ein Restaurator, der seiner Aufgabe bewusst
ist, weiss, welche Schätze ihm übergeben sind
und wird stets seine Tätigkeit daraufhin prüfen,
ob sie dem ihm anvertrauten Meister zugute
kommt. Eine eingreifende Tätigkeit an einem
Bilde wird er nur dann vornehmen, wenn sie
ihm unbedingt notwendig erscheint und Zumutungen
anderer Art wird er zurückweisen. Eine weit-
gehende Tätigkeit des Restaurators überflüssig
zu machen, liegt zum guten Teil in der Hand
der Gemäldebesitzer selber. Wenn ein Bild sorg-
fältig gepflegt, vor allen Unbilden der Temperatur
und der Witterung geschützt, sachgemäss ge-
reinigt und rechtzeitig bei austrocknenden Bildern
der Zusammenhang der Malschichten wiederher-
gestellt wird, braucht es in sehr vielen Fällen
keinen Eingriff einer fremden Hand. Die Tätig-
keit des Restaurators kann dann auf die eigent-
liche Konservierung beschränkt werden.
Die Wiederfestigung der Rethelschen
Fresken im Krönungssaale des Rat-
hauses ZU Aachen. (Fortsetzung)
Von Paul Gerhardt-Düsseldorf.
Als nach einer mehrjährigen beobachteten Probe
diese sich als in jeder Weise zweckentsprechend bewährt
zeigte, wurde der Auftrag erteilt, die sehr mühevolle
Arbeit in der von ihm erdachten und langjährig aus-
probierten Weise zu beginnen, wobei ich ihn unter-
stützte, um später seines hohen Alters wegen auf
seiner Basis allein fortzusetzen.
ln berechtigtem Interesse der Kunstwerke und der
Denkmalspflege liegt es, dass bei derartig wertvollen
Kunstwerken kein sogenanntes Geheimverfahren ver-
wendet wird, dass vielmehr die verwendeten Hilfsmittel
resp. deren Zusammensetzung an behördlich mass-
gebender Stelle bekanntgegeben werden. Auf diese
Weise wird sicherlich manch unersetzliches Kunstwerk
vor seinem endgültigen Verfall bewahrt bleiben. Auch
die in Aachen verwendeten Hilfsmittel wurden aus
diesem Grunde im hohen königlichen Ministerium zu
Berlin hinterlegt.
Es handelte sich also darum, sowohl alles Abgelöste
wieder an die Wand dauernd anzulegen und die ent-

standenen Risse zu schliessen, als auch diese Festigung
derart vorzunehmen, dass der Ton der Farbe sich
nicht veränderte und das Bild nichts an Wirkung verlor.
Zur Orientierung schicke ich voraus, dass der
ganze Bilderzyklus aus acht Bildern besteht, die aus
dem Leben Karls des Grossen genommen sind. Von
Rethel selbst sind nur vier Bilder auf die Wand ge-
bracht worden, während beim vierten Bilde, „Einzug
Karls in Pavia", eine tückische Krankheit den Künstler
überfiel und der Tod ihm, der ihn als Freund darge-
stellt hat, die Palette aus der Hand nahm, um ihn von
einem qualvollen langen Leiden zu erlösen.
Unsere Arbeit begann mit dem Festigen der lose
gewordenen Retouchen. Wie ich schon oben erwähnte,
war das unter diesen Retouchen befindliche Fresko
mit abgelöst und dadurch die Wand der sehr dünnen
schützenden Sinterschicht beraubt. Da nun der Mörtel
ziemlich weich und porös ist, war dieser nach Verlust
der Sinterschicht nicht mehr in der Lage, die wieder
angelegten Farbteilchen dauernd festzuhalten, gleichsam
als ob man auf sehr losem Fliesspapier mit einer dünnen
Klebelösung etwas aufzukleben versuche.
So musste denn zunächst der schadhafte Untergrund
derart bearbeitet werden, dass er den Farbteilchen
einen dauerhaften Halt zu bieten vermag, dass aber
nicht etwa zwischen dem Untergrund und den wieder
aufzulegenden Farbteilchen eine Isolierschicht gebildet
wird, sondern dass zwischen der Tiefe des Unter-
grundes und den Farbteilchen eine innige Verbindung
stattzufinden vermag. Nur darin liegt eine Gewähr für
die Dauerhaftigkeit einer Wiederfestigung, gleichsam
das Fundament zum Wiederaufbau des Zerstörten. Das
dazu verwendete Material muss tief in den Mörtelgrund
einzudringen imstande sein, überhaupt muss die Festi-
gung von innen nach aussen betrieben werden. Bei
dieser Arbeit lässt sich am besten die Güte des Mörtel-
grundes bestimmen, und wenn man bei dieser Arbeit
genügende Erfahrung besitzt, wird man sehen, wie weit
die Durcharbeitung des Grundes erfolgen muss.
Sobald sich dieses als genügend anzeigt, beginnt
die erste Behandlung derFarbblättchen. Diese besteht
darin, das Farbblättchen, welches an und für sich
spröde und trocken ist, gefügig, geschmeidig zu machen,
da es ohnedem bei der geringsten Berührung, ja vom
Atemhauch abblättert. 1st das Farbblättchen hingegen
durchtränkt, kann man ungehindert daran arbeiten,
muss nur dafür sorgen, dass man es durch Unvorsich-
tigkeit nicht aus der Lage bringt.
Ist das Farbblättchen genügend schmiegsam, so
wird es vorsichtig angelegt, fest angeglättet und noch
etwas abgetupft, um etwaige Schmutzteilchen zu ent-
fernen, die im Verlauf der Festigung anderenteils mit
gefestigt würden.
Die Festigung selber kann und soll unter keinen
Umständen auf einmal geschehen, sondern kann, wenn
es dauernd sein soll, sich nur langsam in gewissen
Abständer vollziehen. Sind die Poren an der Ober-
fläche ge hlossen, so hört selbstverständlich jede
tiefere Bearbeitung auf, das Nichtanzustrebende tritt
ein, nämlich die Bildung einer Isolierschicht zwischen
Wand und Farbteilchen.
Nur wenn das Material tief einzudringen vermag,
wird bewirkt, dass erstens die schadhaft gewordene
Wand nicht hygroskopisch wirkt, zugleich, dass deren
Oberfläche zur Aufnahme des Farbblättchens geeignet
wird, zweitens wird dadurch eine neue Verbindung
zwischen Wand und Farbblättchen geschaffen, drittens
der der Bindung beraubte Farbkörper erhält ein neues
indifferentes Bindemittel und schliesslich erhält die
schadhafte Stelle dadurch einen Ueberzug, der die-
selbe vor den atmosphärischen Einflüssen wirksam
schützt.
Betrachtet man nun die häufig angewendeten, für
 
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