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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 23
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Berger, Ernst: Ueber die Enkaustik des Altertums, [3]
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Berger, Ernst: Aus den "Geheimnissen" der Malerpalette
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0096

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92

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 23

Die bereits erwähnte Menge von Wachs, die
Mischung von Harz und Wachs, sowie die Ergebnisse
der chemischen Analyse einiger angeriebener Farben
durch den französischen Gelehrten Chevreul Hessen
die Vermutung zu, dass wir hier die Utensilien eines
mit Wachsfarben arbeitenden Malers (oder einer Male-
rin) vor uns haben, und dies musste zu dem Schluss
führen, dass die hier gefundenen Instrumente die
für die antike Enkaustik geeigneten sein
könnten (s. Fig. 1 u. 2).
Wir sehen das kleine Kästchen mit den durch-
brochenen Silberdeckeln, das geeignet ist, glühende
Kohlen aufzunehmen, deren Hitze durch die Oelfnungen
ausströmen konnte, während oberhalb die Wachsfarben
aufgestellt und erweicht wurden.
Wir sehen die beiden langstieligen Löffel-
chen mit den verdickten Enden, die abwechslungs-
weise erwärmt werden konnten, um das auf die Mal-
fläche aufgetragene Wachs abzugleichen und ineinander
zu verarbeiten.
Wir können durch Versuche (mit den den obigen
nachgemachten Utensilien) das Praktische des gan-
zen Apparates nachprüfen und auf diese Weise ein
enkaustisches Gemälde in antiker Manier (s. die Re-
konstruktionen im Museum) herstellen.
Zur ersten Anlage diente wohl das löffelartige
Ende des Instrumentes — in dem wir das Cauterium
wiedererkennen dürfen —, indem die heissHüssige
Wachsfarbe damit aufgefasst und sofort auf der Fläche
ausgebreitet wurde (erste Art des Plinius), die Voll-
endung geschah mit dem anderen erwärmten Ende
des Cauteriums. Oder man begann nach der dritten
Art des Plinius mit dem Pinsel und heissflüssiger Farbe
und vollendete mit dem Cauterium, wie es die
besten Bilder der sogenannten Grafschen Porträtgalerie
zeigen.
Es hatte sich vermutlich im Laufe der Zeit die
Uebung gebildet, die Methoden zu mischen und so
Variationen der Technik zu bilden, die sich von
selbst ergeben haben werden. Und es mag auch in
den späteren Zeiten der schwerfällige Gebrauch der
Metall-Cauterien überhaupt mehr und mehr abge-
kommen sein, je mehr sich die Pinsel-Enkaustik aus-
gebreitet hatte.
Zu diesem Schluss berechtigt der vor zehn Jahren
gemachte Fund von Herne-St. Hubert in Belgien.
In der Nähe des am nördlichsten gelegenen römischen
Kastells Aduatuca (jetzt Tongres) wurde in einem Tu-
mulus (Grabhügel) nebst zahlreichen Objekten des
Totenkultus (Urnen, Weinkrügen, Lampen, Phaleren)
zahlreiche Farbenreste und für Malzwecke geeignetes
Handwerkszeug gefunden. Die Farben bestanden
grösstenteils (100 Stück) in kleinen Würfeln, in ganz
verwitterten, mit Zwischenteilungen versehenen Käst-
chen, und die chemische Analyse, bei der fast der
vierte Teil dieser Farben geopfert wurde, ergab als Re-
sultat das Vorhandensein hochoxydierter Fettsäuren,
die von Oelen, Wachs oder von Gemischen dieser
beiden herrühren könnten.
Das Auffallende war aber, dass Metallinstrumente
wie die in St. Medard gefundenen hier nicht vorhanden
waren, dafür aber ein eisernes Behältnis mit den Resten
von Pinselstielen. Wir haben demnach das Gerät
eines enkaustischen Malers der späteren Zeit vor uns,
der in einer der Uebergangsperiode des 3. bis 4. Jahr-
hunderts angehörenden Oel- oder Wachstechnik ge-
malt hat.
Am Schluss unserer Ausführungen über die En-
kaustik des Altertums drängt sich uns die Frage auf,
wie diese Technik so ganz hat verschwinden können und
welche Technik an ihre Stelle getreten ist.
Darüber können wir nur Vermutungen anstellen,
aber sie gewinnen an Wahrscheinlichkeit durch die
Umstände, die mit dieser Technik verknüpft waren.

Die Technik ging langsam vonstatten, man konnte
nur kleine Bilder damit anfertigen (ausnahmsweise er-
wähnt Plinius einige Bilder in Lebensgrösse), vor allem
musste es den Enkaustikern sehr lästig sein, ihre
Farben stets warmflüssig zu erhalten.
Um ihr Farbenmaterial zu verbessern, mischten
sie Harze zur Wachsmasse; sie verringerten dann
den Anteil der letzteren und vergrösserten den
Anteil des fetten Oeles, so dass sie endlich eine
Art Harz- und Oelfarbe bekamen, die ohne Wärme
mit dem Pinsel verarbeitet werden konnte. Damit
war das Ende der Enkaustik von selbst gekommen,
die in die byzantinische Oel-Harz-Technik über- und
in dieser auch untergegangen ist.
Ein schriftliches Dokument dieser Wandlung ist
uns in einer Aufzeichnung des griechischen Arztes
Aetius(6. Jahrh.) überliefert, der von dem trocknen-
den Nussöl erwähnt, es diene den Enkaustikern
und Vergoldern wegen seiner Trockenkraft.
Diese Eigenschaft der Oele wurde damals erkannt, und
so kann die Enkaustik als eine Vorstufe der Oelmalerei
späterer Zeit angesehen werden.
Aus den „Geheimnissen" der Maier-
palette
ist ein Artikel der „B. Z. am Mittag" vom 10. Aug.
betitelt, aus dem wir zur Erheiterung unserer Leser
einige Stellen entnehmen. Der Autor erörtert die
Ursachen des schlechteren Zustandes neuerer Gemälde
(z. B. von Menzel und Makart), deren verblichene Far-
benpracht auf die „Unzahl neuer Farben", die uns die
moderne Chemie geschenkt, zurückzuführen sei. Aber
neuerdings sei eine Anzahl von Farben geschaffen, die
an Güte hinter den Farben der alten Meister nicht
zurückständen und „sich wie diese als sog. Mineral-
farben kennzeichnen, d. h. aus dem Mineralreiche
stammen" (!). Aber diese genügten nicht allein, es
kommen noch einige organische Farbstoffe, die man
als „Effektfarben" bezeichnen könne, hinzu. Von „allen
den Tausenden und aber Tausenden (!) von Farben,
die in den letzten zwei Jahrzehnten geschaffen wurden,
zeigen nur zwei die Eigenschaft der Lichtechtheit:
Krapplack und Indischgelb". Letzteres sei „besonders
auch deshalb interessant, weil es trotz aller Bemühungen
noch nicht gelungen ist, es auf anderem Wege herzu-
stellen, als dadurch, dass man den Urin (!) der Kühe
einem umständlichen chemischen Behandlungsverfahren
unterwirft, bis zuletzt (!) die schöne Malerfarbe erzielt
ist". Den unausgesetzten Bemühungen der modernen
Farbenfabriken würden wir aber dennoch eines Tages
lichtechte organische Teerfarben zu verdanken haben,
um wieder „aus Hunderten von Tuben "(!) alle möglichen
Nüancen herausdrücken zu können. Von der „Ein-
schränkung der Palette", die jetzt von Künstlern (mit
Recht!) propagiert wird, käme man dann wieder zur
„Vielseitigkeit der Palette". Besonders naiv ist, was
der Autor über die „Maltechnik der alten Meister"
sagt: „Das Geheimnis, die Farben zuzubereiten, erbte
sich vom Meister auf den Schüler fort, und das, was
an schriftlichen Aufzeichnungen überkommen ist, vermag
den Erfolg nicht zu erklären. Da wird mit Katzen-
galle (!) und Krähenaugen (!) sowie mit dem Herzblut (!)
von ungeborenen Lämmern sowne mit anderen schönen
Dingen gearbeitet . . ." Woher der Schreiber des
Artikels diese „Geheimnisse" hat, verschweigt er; es
ist nur zu bedauern, dass eine grosse Zeitung ihren
Lesern derartigen — Blödsinn auftischt. In obskuren
Hexenküchen des Mittelalters (oder im Märchenland)
mögen derlei Dinge eine Rolle gespielt haben, niemals
aber in der Werkstatt eines Malers. E. B.
 
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