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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 19
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Berger, Ernst: Technisches zur Hans von Marées-Ausstellung, [2]
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Gerhardt, Paul: Die Wiederfestigung der Rethelschen Fresken im Krönungssaale des Rathauses zu Aachen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0078

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74

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. t9-

Verlangen zu immer erneuten Verbesserungen
einzudämmen. Einige von den in dieser kombi-
nierten Manier (Tempera und Firnisfarbe) gemalten
Tafeln — und gerade die besten unter diesen —
zeigen heute einen ganz eigentümlichen, dick-
plastischen, förmlich modellierten Auftrag der
Fleischpartien, der sonst von niemand, am wenigsten
in Tempera angestrebt, geschweige denn bisher
mit Farbe allein erreicht worden ist. (Die pla-
stischen Vergoldungen auf Bildern des Quattro-
cento sind mit Gips- oder Kreidegrund hergestellt.)
Ausser an den weiblichen Figuren des Mittelbildes
der „Hesperiden" und der „Werbung" sieht man
diese Manier deutlich auf dem Bilde „Zwei Jüng-
linge" von 1881, dem „Selbstbildnis" von 1882
fGalerie Schleissheim) und dem Bildnis Conrad
Fiedlers von 1882. Nach Pidolls Mitteilungen,
und dies wurde mir auch von noch lebendenFreunden
Marées', so von Prof. A. von Volkmann (Rom)
bestätigt, hat der Künstler diese plastische Er-
scheinung „wohl durch unzählige Male" wieder-
holtes Uebergehen der Partien zu Wege gebracht.
Der mit den Eigenheiten der Eitempera-Farben
Vertraute wird nicht glauben können, dass mit
Eitempera, deren wesentliche Eigenschaft die
Transparenz und Lasurfähigkeit ist, eine so dicke
Farbenschicht erzielt werden kann, und er muss
noch mehr darüber erstaunt sein, die so gemalten
Partien in einem verhältnismässig vortrefflichen
Zustand zu finden. Auf Leinwand würde die
Farbsubstanz in kürzester Zeit sprüngig werden
und nur deshalb, weil alle die obengenannten
Bilder auf Holzgrund gemalt sind, ist die Er-
haltung gut. Jetzt ist freilich die Tempera-Schicht
ganz verdeckt durch die Oelflrnisfarbe; aber
auch diese musste Marées in vielen Schichten
übereinander aufgetragen haben, weil die ölfarbigen
Schattenteile im Laufe der Jahre fast zu schwärz-
lich geworden sind. Nach Pidolls Darstellung
des ganzen Arbeitsprozesses beim Fleischmalen
hat Marées immer die ganze Figur vorgenommen
und aus einem dunklen Lasurton mit Lichtauf-
höhungen weiter herausmodelliert. Dadurch ist
in dem Schatten der dunkle Ton stehen geblieben,
und von den Uebergängcn (mit halbdeckender
Farbe) bis zum höchsten Licht wurde der Farben-
auftrag immer dicker und dicker gehalten. Wenn
Pidoll von „unzähligen Malen" dieses Verfahrens
spricht, so ist das nicht wörtlich zu nehmen, aber
jedenfalls gehört eine ganze Reihe von Schichten
dazu, um die Plastik des Farbenauftrages zu er-
zielen, wie es hier der Fall ist. Ich habe ver-
suchsweise mit sehr dick geriebenem Tempera-
Weiss nach 4—$ maflgem Farbenauftrage schon
eine gewisse Dicke erreicht, so dass es wohl
möglich scheint, in dieser Weise fortfahrend, nach
und nach die gewünschte Plastik zu erreichen.
Nur auf Holztafel dürfte dies gewagt werden,
weil auf geleimter Kreideleinwand, die für Eitempera

eventuell noch in Frage käme, durch das wieder-
holte Nasswerden und nachherige Austrocknen
die Fasern fortgesetzten Volumveränderungen
ausgesetzt würden, die unausbleiblich das Springen
der Malschicht im Gefolge haben müssten.
Das Eintreffen der Tafeln, die mit Fischleim
und Gips grundiert und sauber geschliffen waren,
war „ein freudiges Ereignis", sagt Pidoll, und er
erzählt auch ganz ausführlich, wie Marées dann
mit aller Sorgfalt und an der Hand seiner Entwürfe
und Naturstudien zur Aufzeichnung der Komposition
schritt, wie er dann in dünnen Lagen die Farben
auf der weissen Fläche ausbreitete und zu immer
kräftigerer Wirkung steigerte.
Wie Pidoll S. 76 erwähnt, „tränkte er (nach
der Vollendung der fertigen Eitempera-Unter-
malung) die Malerei mit einem Firnis, der sie
allerdings für kurze Zeit besonders frisch und
kräftig erscheinen Hess, aber doch bald das Ober-
flächenlicht der Eifarbe in transparente Qualitäten
verwandelte, die eine eingehende Umarbeitung
erforderten. Hierbei mussten die Bilder Zustände
durchlaufen, welche mannigfach mit Zerstörungen
verbunden waren, wenn sie in abermaligerSteigerung
der lebensvollen Wirkung zu neuer Schönheit
auferstehen sollten."
„Leider hat der unerbittliche Tod das Lebens-
werk Marées eben dort abgeschnitten, wo es ganz
nahe an seinem Ziele stand ... Es scheint, dass
er nach der Lösung des Problems suchte, die
Eigenheit einer Wandmalerei im antiken Sinne
mit den von der italienischen Renaissance ent-
wickelten glänzenden Qualitäten der Oelmalerei
zu verschmelzen."
Dass ihm dieses hohe Ziel zu erreichen nicht
vergönnt gewesen ist, ist in vollem Masse zu
bedauern. Seine letzten Werke lassen es jedoch
ahnen, dass er auf dem richtigen Wege dahin
begriffen war.
Die Wiederfestigung der Rethelschen
Fresken im Krönungssaale des Rat-
hauses ZU Aachen. (Fortsetzung)
Von Paul Gerhardt-Düsseldorf.
Sowohl durch feuchte Niederschläge als auch
vor allem durch übergrosse Mengen eingedrungenen
Wassers gelegentlich des Brandes, von welchem das
Rathaus heimgesucht wurde, wurde die bereits be-
gonnene Verwesung des Bindemittels unterstützt und
beschleunigt, so dass das Eibindemittel aus der
Farbe heraus verweste und der Kalk- und Farbstaub
zum Abblasen lose, pastellartig auf dem Bilde zurück-
blieb, während das zwischen den Strichen sichtbare
Fresko fest und dauerhaft verblieb. Die mit Eitempera
gemalte Farbe löste sich vom kleinsten Schüppchen
bis zu handgrossen Flächen vom Untergründe, die ge-
legentlich eines Luftzuges oder der leisesten Erschütte-
rung und Berührung herunterzufallen drohten. Dabei
wurde teilweise das darunter befindliche Fresko, wel-
ches durch die oben beschriebene stark zusammen-
ziehende Wirkung des Eies von der Wand gelöst
worden war, mitgenommen.
 
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