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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 18
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Gerhardt, Paul: Die Wiederfestigung der Rethelschen Fresken im Krönungssaale des Rathauses zu Aachen
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Zur Kenntnis des Farbstoffs des antiken Purpurs
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0076

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72

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. :8.

Rethel behandelte das Ei mit Kaik, wusste jedoch
nicht, dass dasselbe zuvor einer genügenden Gerbung
bedurfte. Natürlich war es ihm auch fremd, dass dieses
nicht genügend behandelte Bindemittel im Anfang stark
zusammenziehend wirkte, und da, wo das Fresko nicht
auf dem noch genügend nassen Mörtel aufgetragen
war, zudem der Mörtel noch infolge seiner unge-
nügenden Bearbeitung ohnedies nicht zu lange feucht
geblieben sein mag, ein Abspringen beim Pinselansatz
verursachte.
Aber auch noch ein anderer Nachteil stellte sich
infolge der fehlerhaften Behandlung des Eies ein, der
sich schwer rächte.
Zur Kenntnis des Farbstoits des antiken
Purpurs*.)
Ueber die Natur des antiken Purpurs, aus Schnecken
der Murex- und Purpura-Arten gewonnen, herrscht noch
vielfache Unklarheit. Es gab im Altertum verschiedene
Arten Purpur aus verschiedenen Schnecken hergestellt,
welche etwas abweichend im Farbton, doch im wesent-
lichen blaustichige Färbungen lieferten, also nicht
die heute als Purpur bezeichnete Farbe. Der sehr
hoch bezahlte antike Färber scheint beim Färbepro-
zess die Bildung gefärbter Zersetzungsprodukte des
Schneckenorganismus möglich vermieden bezw. diese
auszuschalten verstanden zu haben, so dass der reine
PurpurfarbstoH auf die Faser gelangte. In der Völker-
wanderung ging diese Kunst verloren und ist bis heute
noch nicht wieder praktisch ausgeübt worden.
Verschiedene Forscher beschäftigten sich im
iS. Jahrhundert mit den Purpurschnecken und der
Zoologe Lacaze-Duthiers bewies, dass es sich hier bei
der Farbstoffbildung um einen photochemischen
Vorgang handelt, dass sich der Purpur unter Einwir-
kung des Lichtes aus einem farblosen Stoff der Purpur-
drüsen der Murex- und Purpura-Arten bildet. Nach
Dubois soll hierbei ausser dem Licht noch ein in der
Drüse vorhandenes Enzym eine Rolle spielen. Die
Chemie des durch Belichtung aus den Drüsen ge-
wonnenen Farbstoffes förderten de Negri, Bizio, Le-
tellier und Schunk. Doch scheinen diese Forscher
mit unreinen Farbstoffen gearbeitet zu haben, konnten
aber feststellen, dass die von ihnen untersuchten Pro-
dukte grosse Aehnlichkeit mit Indigblau besassen, so
dass de Negri und Bizio dessen Identität annahmen
und einen roten Begleitfarbstoff aus Murex trunculus
und M. brandaris für In di grot ansprechen. O. N. Witt
sprach die Meinung aus, die Färbungen des antiken
Purpurs enthielten im wesentlichen Indigblau, welches
nur mit wenig echtem roten Farbstoff abgetönt sei.
Friedländer stellte vor einiger Zeit synthetisch
einen schwefelhaltigen, sehr lichtechten Farbstoff her,
welcher mit Indigblau eine Reihe Analogien zeigte und
hielt eine Verwandtschaft des antiken Purpurs mit dem
„Thioindigo" nicht für ausgeschlossen; er nahm des-
halb das Studium der Schneckenfarbstoffe wieder auf.
Die Beschaffung des Materials bereitete Schwierig-
keiten, Schunk präparierte aus Purpura lapillus die
Drüsen, zog mit Alkohol-Aether aus und belichtete
die Auszüge; er erhielt aus 400 Schnecken nur 7 mg
Farbstoff. De Negri belichtete die herausgeschnittenen
Drüsen, trocknete und zerrieb sie mit Eisessig, worauf
der gelöste Farbstoff mit Wasser gefällt und mit Chloro-
form geschüttelt wieder gelöst wurde. Der erhaltene
Farbstoff war stark verunreinigt. Friedländer verfuhr
wie folgt : Die Drüsen wurden dünn auf reines Filtrier-

*) Referat der „Farbenzeitung" nach Prof. Fried-
länders Untersuchung in der „Monatsschrift für Chemie",
XXVIII, 99U96.

papier gestrichen und eine halbe Stunde dem Sonnen-
licht ausgesetzt, hierauf das Papier mit verdünnter
Salzsäure digeriert, das ganze auf dem Wasserbade
bis fast zur Trockne eingedampft, der rötlichviolette
Cellulosebrei mit heissem Wasser aufgenommen, auf
dem Saughlter abgenutscht, mit heissem Wasser ge-
waschen und schliesslich mit Alkohol-Aether extrahiert.
Der Rückstand bestand aus fast reiner Cellulose und
Farbstoff. Er wurde mit Azetylenchlorid oder Anisol
ausgezogen und es schied sich schon während der
Extraktion der Farbstoff kristallinisch aus. Man nitrierte
nach dem Erkalten ab, kristallisierte aus siedendem
Nitrobenzol um und erhielt kupferglänzende derbe
Kristallchen, welche als chemisches Individuum sich
verhielten. Die Drüsen stammten von der Schnecke
Murex brandaris, welche in der nördlichen Adria häufig
sich findet und deren Schalen noch heute an der
Stelle einer antiken Purpurfärberei in Aquileja massen-
haft lagern. Aus 750 Schnecken erhielt Friedländer
etwa 0,15 g Farbstoff, mit welcher Menge nur qualita-
tive Proben ausgeführt werden konnten.
Der Farbstoff ist bei gewöhnlicher Temperatur in
allen gebräuchlichen Lösungsmitteln unlöslich, löst sich
sehr schwer in kochendem Eisessig, Chloroform, Ben-
zol, Toluol, welche Mittel sich nur schwach rotviolett
damit färben. Höher siedende Kohlenwasserstoffe
(Solventnaphtha), Petrolkohlenwasserstoff vom Siede-
punkt etwa 200 bis 230" nehmen kochenden etwas
grössere Mengen des Farbstoffes unter rotvioletter
bezw. rosenroter Färbung auf. Anisol, Nitrobenzol,
Chinolin, Phenol und Anilin lösen kochend mit stark
blaustichig violetter Farbe und es scheiden sich aus
diesen Lösungen beim Erkalten kupferglänzende dunkel-
violette Kriställchen aus, welche dem aus den gleichen
Lösungsmitteln umkristallisierten Indigoblau sehr ähn-
lich sehen. Auch das Absorptionsspektrum dieser
Lösungen (nach Rot hin schärfer abgesetzter Streifen
in Gelb und Orange), die Farbe des rotvioletten
Dampfes des trocknen, erhitzten Farbstoffes zeigen
viel Aehnlichkeit mit Indigblau. Doch konnten fol-
gende Unterschiede beobachtet werden: Indigblau löst
sich leichter als Purpur, kochendes wasserfreies Pyri-
din löst Indigblau reichlich mit stark blauvioletter
Farbe auf, während Purpur sich damit nur schwach
violett färbt. In konzentrierter Schwefelsäure löst sich
Purpur bei gewöhnlicher Temperatur nur sehr wenig
mit rotvioletter Färbung (Indigblau erst gelbgrün, dann
reinblau), Wasser gibt rotviolette Fällung (Indigblau
klare blaue Lösung der Sulfosäure). Erst mit rauchen-
der Schwefelsäure tritt Sulfurierung des Purpurs unter
Bildung einer blaulöslichen Sulfosäure ein, die sich
beim Stehen teilweise wieder in rotvioletten Flocken
abscheidet. Mit alkalischem Hydrosulht entsteht mit
Purpur eine schwach gelbe Lösung und Küpe (Indig-
blau zeigt ähnliches Verhalten); aus solcher scheidet
sich aber bei Berührung mit Luft Purpur in rotvioletten
Flocken, Indigo in blauen Häutchen ab. Im Purpur
konnte kein Schwefel, jedoch Stickstoff qualitativ nach-
gewiesen werden.
Nach diesen Untersuchungen Friedländers liegt
keine Identität des Purpurs mit Thioindigo und mit
Indigblau vor, doch ergibt sich grosse Aehnlichkeit
im chemischen und physikalischen Verhalten mit beiden
Indigofarbstoffen.
Zur geh. Kenntnisnahme.
Herr Maler Herrn. Linde ersucht uns, hierdurch
bekannt zu geben, dass der Schluss seines Aufsatzes
„Die eingefühlten Retouchen" von Nr. 16 erst in einer
der folgenden Nummern zum Abdruck kommen kann.
Die Schriftleitung.
 
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