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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 24
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Berger, Ernst: Maltechnischer Unterricht
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Werkstättendienst und Künstlerproletariat
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0098

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94

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 24

selbst herzustellen, und Chemiker wollen wir
nicht werden! Ein anderer meinte: Die chemische
Zusammensetzung einer Farbe, z. B. Neapelgelb,
ist mir völlig gleichgiltig; ich verlange nur, dass
die mit diesem Namen bezeichnete Farbe die
bestimmte Nuance hat, wie ich sie zu meinen
Mischungen benötige. Und auf meinen Einwand,
dass er durch die chemische Kenntnis ungeeignete
Farbenmischungen zu vermeiden lerne, gab er mir
zur Antwort : Man muss eben seine Palette ausschliess-
lich mit Farben besetzen, die ohne chemische
Rückwirkung aufeinander sind; solche Listen findet
man in Blocks Kompendium, in Church-Ostwald und
anderen einschlägigen Büchern zur Genüge.
Wenn dieser Standpunkt, rein praktisch ge-
nommen, seine Berechtigung haben mag, so glaube
ich dennoch, dass für jeden Maler eine bessere
Kenntnis seines Malmateriales von grösstem
Nutzen wäre. Er sollte sich, soweit als tunlich
ist, mit der eigentlichen „Technologie der Malerei"
und mit allem, was mit den physikalischen Eigen-
schaften seines Handwerkzeuges zusammenhängt,
gründlich bekannt machen, also die Materialien-
kenntnis erwerben, genau wie es in jedem anderen
Berufe gefordert werden kann. Dabei käme es
m. E. weniger auf die Betonung der chemischen
Herstellungs- und Prüfungsmethoden als auf die
physikalischen Eigenschaften (Verwendbarkeit) des
Materiales an; denn in der Technik des Malens
sind — einzelne Prozesse, wie das Trocknen der
Oele, die Freskomalerei und Stereochromie, aus-
genommen — alle Operationen, alle Erscheinungen
und Veränderungen eher mit Hilfe der Physik zu
erklären, als durch chemische Prozesse. Die Her-
stellung der Farben, ihre Untersuchung ist eine
Sache für sich, die wir unseren gelehrten Che-
mikern überlassen müssen.
Vor allem scheint es mir unerlässlich, dass
wir angehenden Maler auf die optischen Grund-
sätze der Farbenerscheinung, was im allgemeinen
Sprachgebrauch mit „Farbenlehre" bezeichnet
wird, aufmerksam gemacht werden; denn wir
wollen doch die „Erscheinung" der Natur wieder-
geben, und diese zu studieren, bietet die Farben-
lehre einzig den Hinweis. Die Theorien Newtons
und die Beziehungen der Farbensysteme zur
Maltechnik müssten Gegenstand eingehenderer
Erörterung sein, weil ohne diese Beziehungen die
gesamte Entwicklung unserer neueren Malerschulen
unverständlich blieben.
Nebst diesem theoretischen Teil müssten
praktische Uebungen einhergehen, im Grundieren
von Holztafeln und Leinwand, im einfachen An-
streichen mit Leimfarbe, wie es die Dekorations-
maler machen, dann mit Tempera- und Oelfarbe,
Fresko usw. Bei solchen Uebungen wird der
Schüler alles zur Herstellung der Farben Not-
wendige kennen lernen, und wenn er auch später
kaum mehr in die Lage kommen wird, sich seine

Oelfarben selbst zu reiben, so wird er dadurch
doch einige Kenntnis darüber bekommen, wie
diese richtig hergestellt werden sollen.
Das wäre etwa ein Weg, wie er auch in den
alten Malerwerkstätten begangen wurde, als es
noch keine Akademien und ähnliche Kunstschulen
gab. Wenn wir auch fortan „Hochschüler" ge-
nannt werden, könnte uns etwas von dem Geist
des alten Handwerks, auf das herabzublicken
jetzt Mode ist, durchaus nicht schaden!
Schliesslich noch eine Anregung: Wäre es
nicht wichtig, die jungen Akademiker über das
Zeichnen für Reproduktion zu belehren und
ihnen zu zeigen, worin Zinkographie, Autotypie,
Gravüre, Dreifarbendruck usw. besteht und wie
man für diese Vervielfältigungsarten zu arbeiten
hat? Heute, wo die Illustration im Erwerbsleben
der Künstler eine so grosse Rolle spielt, sollte
dem angehenden Künstler frühzeitig Gelegenheit
gegeben werden, sich darin zu üben.
Nachschrift: Wir geben die Zuschrift des
Einsenders — der ungenannt zu bleiben wünscht —
hier gerne wieder, weil das Thema wohl aktuell
genug ist, um zur Diskussion gestellt zu werden.
In dem obigen Programme scheint aber eine Lücke
insofern vorhanden zu sein, da die „Geschichte
der Maltechnik" fehlt. Zwischen die Theorie
(optische Farbenlehre) und die praktische Mal-
technik gehört dieser geschichtliche Teil unbedingt,
denn nirgends zeigt sich die Beziehung zwischen
Mittel und Zweck deutlicher als in der Maltechnik
früherer Zeiten. Im übrigen kann den Haupt-
punkten des Herrn Einsenders zugestimmt werden.
Dass der Unterricht in der Maltechnik nicht
nur von den Münchnern Akademikern erwünscht
wird, beweist die kürzlich bekannt gewordene Tat-
sache, dass die Schüler der Grossherz. Kunst-
akademie zu Karlsruhe in einer Eingabe an das
Professorenkollegium die Bitte geäussert haben,
durch entsprechende Vorträge und Uebungen mit
den Grundsätzen der Maltechnik bekannt gemacht
zu werden. Und jedenfalls haben unsere Kunst-
studierenden gleiches Interesse und Verständnis
für diese Dinge, wie die Schülerinnen an der
Akademie des Künstlerinnen-Vereins (in München),
in deren Lehrplan „Maltechnik" von jetzt ab als
Pflichtfach eingeführt wird. E. B.
Werkstättendienst und Künstler-
proletariat.
In den „M. N. N." erschien kürzlich folgender
Artikel mit der Ueberschrift „Woher das Künst-
lerproletariat?":
Nach Eugen Kaikschmidt ist das Künst!erpro!etariat
eine Folge unseres staatlichen Kunstakademiebetriebs.
Die Akademien, die der Staat freigebig mit Lehrern,
Räumen und Lehrmitte!n speist, brauchen sich um
die praktischen Lebensaussichten ihrer Schüler nicht
zu kümmern. So nehmen sie auf, wen immer ein noch
so bescheidenes Nachahmertaient auszeichnet. Und
 
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