Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

DOI Heft:
Nr. 21
DOI Artikel:
Berger, Ernst: Ueber die Enkaustik des Altertums
DOI Artikel:
Gerhardt, Paul: Die Wiederfestigung der Rethelschen Fresken im Krönungssaale des Rathauses zu Aachen, [4]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0086

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 21.

donien. Aber Ptinius wendet dagegen ein, dass es
weit äitere Biider enkaustischer Art gäbe, so die von
Poiygnot (dem Zeitgenossen des Phidias), von
Nikanor, Mnesiiaos und anderen, die unter ihre
Werke d. h. „hat es eingebrannt" geschrieben,
was sie nicht getan hätten, wenn die Enkaustik noch
unbekannt gewesen wäre.
Am Schluss der nun folgenden iangen Reihe von
Künstiernamen und ihrer Werke sagt Ptinius von der
enkaustischen Technik (XXXV, 149):
„Encausto pingendi duo fuere antiquitus
genera, cera et in ebore cestro, id est vericuto,
donec ctasses pingi coepere. Hoc tertium genus
accessit, resotutis igni ceris penicitto utendi, quae pic-
tura navibus nec sote nec sate ventisve corrumpitur",
d. h.: „Enkaustisch zu maten, hat es in aiter Zeit
(nur) zwei Arten gegeben, mit Wachs und auf Elfen-
bein, mit dem Cestrum, d. h. einem spiessähntichen
Werkzeug (vericutum), bis man anhng, die Kriegs-
schiffe zu bematen. Dadurch kam ats dritte Art
hinzu, die Wachsfarben durch Feuer ftüssig zu machen
und den Pinset zu gebrauchen: eine Materei, die an
Schiffen weder durch die Sonne noch durch das Satz-
wasser oder durch die Winde beschädigt wird."
Diese Stette war seit jeher der Ausgangspunkt
für die Erklärung der verschiedenen technischen Ab-
arten der Enkaustik; alte Interpretatoren haben sich
auf diese Stette stützen müssen, und sie ist auch so-
zusagen bis heute der Angetpunkt der ganzen Frage
gebtieben.
Schon im 17. Jahrhundert beginnt der Streit über
die Deutung dieser grundlegenden, aber dem bis-
herigen Worttaut nach nicht ganz ktaren Stette, und
er dauert fast ununterbrochen fort zwischen den Aiter-
tumsforschern einerseits und den mehr ein praktisches
Interesse verfotgenden Kunsttiebhabern und Künsttern
anderseits.
Am entschiedensten sprach sich 1629 der ats Poly-
histor auf atten Gebieten bekannte Ctaude de Sau-
mai se (Satmasius) in seinen Exercitationes Ptinianae
aus. Er geht davon aus, dass auf Grund streng gram-
matischer Austegung des Wortiautes drei Arten der
Enkaustik durch drei voneinander verschiedene Merk-
mate gekennzeichnet werden müssten, und kam zu
folgendem Schluss:
1. Die erste Art werde charakterisiert durch die
Bestimmung „mit Wachs" (cera);
2. die zweite durch das Instrument „cestrum";
3. die dritte durch den Gebrauch des Pinsets bei
heissftüssigem Wachs (ceris igni resotutis peni-
citto) ;
fotgtich gelte für die erste nicht das Cestrum, für
die zweite nicht das Wachs, und der heissftüssige
Zustand des Wachses mache bei der dritten das nach-
trägliche Einbrennen entbehrlich und vertange ats not-
wendigen Gegensatz, dass bei der ersten Art das
Wachs sich in kattem Zustand und seiner natür-
tichen Konsistenz befinde. Darnach konstruierte er
sich die Technik so:
ad t. Auf eine Hotztafet wurde das gefärbte Wachs
so, wie es ist, der Idee des Bildes entsprechend,
aufgetragen und das fertige Gemälde hinter-
her eingebrannt, um die Unebenheiten zu ver-
schmelzen. (Mit wetchen Werkzeugen dies
vollzogen werden sollte, hat Satmasius nicht
angegeben, vermutlich dachte er an ein spachtel-
ähnliches Instrument.)
ad 2. Auf Etfenbein wurde mit dem glühend ge-
machten Cestrum (d. h. mit einem spitzigen Stift
oder Griffel) eine Zeichnung eingebrannt (ähn-
lich unserer modernen Holzbrandmalerei).
ad 3. Bei der Schiffsmalerei wurde die heissflüssige
Wachsfarbe mit dem Pinsel aufgetragen, wie

man auch Türen und andere Holzteile in der
Architektur mit farbigem Anstrich versah.
Diese Erklärung richtete sich gegen einen anderen
Franzosen, Louis de Montjosieu, der schon 40 Jahre
vorher, im Jahre 1585, die Ansicht ausgesprochen
hatte, dass zwar nicht das „Wachs", aber die Be-
stimmung „mit dem Cestrum" gieichmässig auf
beide Arten bezogen werden müsste, eine Ansicht,
die dann von dem Jesuitenpater Hardouin in seiner
grossen Pliniusausgabe von 1683 wieder übernommen
wurde. Er behauptete, die Sache sei sehr ein-
fach, und zwar:
!. Auf einer Holztafel wurde die Zeichnung mit
dem Cestrum, wie der Kupferstecher mit dem
Grabstichel in Linienmanier, eingraviert, die
Furchen und Vertiefungen mit farbigem
Wachs ausgefüllt, und das Gemälde dann über
ein Feuer gehalten, um das Wachs „durch Ein-
brennen", d. h. Schmelzen, auf der Tafel zu
befestigen.
2. Auf Elfenbein habe man die Zeichnung mit dem
glühenden Cestrum eingraviert und bei der
Kolorierung das Weisse des Elfenbeins als
Lichter stehen gelassen, die Mitteltöne und die
Schatten dagegen mit gewöhnlicher Farbe, ohne
Wachs, ausgefüllt.
3. Die dritte Art bedürfe keiner weiteren Er-
läuterung.
Das sind die ältesten Auffassungen, die einander
gegenüberstehen. Die Folgezeit hat sich in der Haupt-
sache, dass das Instrument Cestrum beiden Arten
gemeinsam sei, auf Hardouins Seite gestellt, und
die späteren Erklärer haben mit unwesentlichen Modi-
fikationen auch die übrigen Bestimmungen wiederholt.
Neben dieser theoretischen Erörterung der Frage
geht auch lange Zeit das praktische Interesse der
Kunstfreunde und Künstler einher, die durch eine
Wiederentdeckung einer einst gepriesenen Technik
ihrer Zeit einen wichtigen Dienst zu erweisen hofften.
Sie gingen dabei weniger von sorgfältiger Analyse der
überlieferten Nachrichten als von praktischen Experi-
menten aus und gelangten zu verschiedenen Methoden,
bei denen, um den Namen zu rechtfertigen, wenigstens
das Einbrennen eine gewisse Rolle spielt.
Das grösste Aufsehen erregte in dieser Richtung
der aus Lessings Laokoon wohlbekannte Kunstmäzen
Graf Caylus, der im Juli 1733 der französischen
Akademie der Wissenschaften zu Paris ein Mémoire
über die enkaustische Malerei vorlegte, nachdem im
November vorher durch die öffentiiche Ausstellung
einer vom Maler Vivien in Enkaustik gemalten Minerva
Reklame gemacht worden war. Ganz Paris wollte das
Gemälde sehen, so sehr war man von der Nachricht
der wiederentdeckten Malart überrascht.
Die Wiederfestigung der Retheischen
Fresken im Krönungssaale des Rat-
hauses zu Aachen.
Von Paul Gerhardt-Düsseldorf.
Ich sagte seinerzeit wie folgt:
„Eine Behandlung der Fresken mit Wasserglas oder
einem durchsichtigen Firnis ist ganz ausgeschlossen,
weil schädlich. Während Wasserglas hygroskopisch
stets mit der Luft arbeitet, mit der Zeit, und beson-
ders da, wo menschliche und Kohlenausdünstungen,
wie gerade in Kirchen, stattfinden, bald grau, tot und
undurchsichtig wird, wie dies an vielen Beispielen aus
der letzten Zeit leider ersichtlich ist, beeinträchtigen
fette Lacke die Klarheit und Leuchtkraft des Fresko."
 
Annotationen