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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Meyer, R. H.: Der Originalholzschnitt
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0005

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München, 5. Okt. 1908.

Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

Y. Jahrg. Nr. 1.

Inhalt: Der Origmalholzschnitt. Von R. H. Meyer-Schöneberg. — Noch einmai: Makarts Maitechnik. —
Das Klebrigbleiben der Oeifarben. Zuschrift von A. W. de Beauciair. — Die Renovierung von
Leonardos „Abendmahl".

Der Originaiholzschnitt.
Von R. H. Meyer-Schöneberg.

Der Holzschnitt ist die älteste graphische
Technik, die in den ersten Anfängen mehr ge-
werblichen Zwecken diente, wie zur Anfertigung
von Stempeln, Mustern für Zeugdruck und Spiel-
karten. Von Anfang des 1$. Jahrhunderts ab
schnitt man dann Schriftsätze in Holztafeln, hier
ab und zu später auch Abbildungen einfügend,
und gewann durch Einschwärzen mit Lederballen
und Abdruck mit dem Reiber die ersten gedruckten
Bücher — ein Verfahren, das die Chinesen schon
viele Jahrhunderte vor Christi zu hoher Ent-
wicklung ausgebildet hatten. Die Erfindung der
beweglichen Lettern durch Gutenberg machte
natürlich das Schneiden von Schrifttafeln über-
flüssig und der Holzschnitt konnte nun auf sein
eigentliches Gebiet, die Illustration, übergehen,
hierbei Unterstützung und Pflege durch die grossen
Künstler der deutschen Renaissance, Dürer, Hol-
bein u. a. findend. Dieser ersten Blüte folgte
tiefer Verfall durch die Wirren des 30jährigen
Krieges, die ja alles deutsche Kunstschaffen
untergruben. Mit der Herstellung von primitiven
Tabaketiquetten und noch primitiveren Dar-
stellungen von sensationellen Morden und Hin-
richtungen jener Zeit fristete bei uns der Holz-
schnitt sein Dasein damals weiter, bis endlich
im Anfänge des 19. Jahrhunderts die ersten An-
sätze künstlerischen Schaffens sich zeigten. Und
bald konnte er zu neuer Blüte sich wieder ent-
falten durch das Mitwirken eines Adolf v.
Menzel, Ludwig Richter, Rethel, Führig usw.
Für die im modernen Illustrationswesen gestellten
Aufgaben wurde nun der Holzschnitt für den
Buchdruck das vornehmste Ausdrucksmitte!, kraft
seiner sich ungemein vervollkommnenden Technik.
Im allgemeinen fiel dem Holzschnitt bis

jetzt eine reproduktive Tätigkeit zu, da die
Künstler selbst selten zu Ausübern auf der Holz-
platte wurden und lieber den Berufsholzschneidern
die technische Ausführung überliessen, dieselbe
überwachend und korrigierend. Erst das letzte
Jahrzehnt brachte da eine Aenderung, und in der
jüngsten Zeit sehen wir zahlreiche Künstler sich
nun auch der technischen Ausführung unterziehen,
womit die alte Holzschneidekunst in eine neue
Phase getreten ist. Nicht dass neue technische
Möglichkeiten und Verbesserungen im Holzschnitt
uns dadurch geschenkt würden — nein, die
Technik hat wohl ihren Kulminationspunkt durch
die Berufsxylographie erreicht — ein technisches
„Weiter" ist hier kaum denkbar. Aber nach der
rein künstlerischen Seite hin ist durch die
originale Betätigung der Künstler auf der Holz-
platte noch viel Neues und Schönes zu erwarten!
Besonders dann, wenn die Künstler mit der
Technik sich vertraut machen und Material und
Werkzeug zu beherrschen wissen. Dann ist auch auf
der Holzplatte eine individuelle Entfaltung
möglich, während mangelhaftes technisches Können
auch hier nur den Dilettantismus bereichern hilft,
genau wie in anderen graphischen Künsten.
Verfolgt man die vielen Erzeugnisse der
letzten Jahre im Originalholzschnitt, so drängt
sich einem die Beobachtung auf, dass viele Künstler
es nicht besonders ernsthaft mit der Technik
nehmen. Es scheint sich bei vielen die Ansicht
Bahn zu brechen, dass der Holzschnitt besondere
technische Berücksichtigung nicht nötig hat.
Denn sonst wären nicht Schnitte möglich, wie
wir sie oft sehen müssen. Wohl ist der moderne
Originalholzschnitt noch sehr jung -— deshalb
braucht aber die Technik nicht als quantité
 
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