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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 16
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Linde, Hermann: Die "eingefühlten" Retouchen
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Mai, Johann: Das Zeichnen für Illustrationszwecke, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0066

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Ô2

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr.t6.

und mit „künstlerischem Takte" die sogenannten
„eingefühiten Retouch en" hinaufmalt! — Also
daher die merkwürdige Veränderung, die die
Bilder so oft durch das Restaurieren erfahren!
Ein Restaurator aber, der nur das geringste mit
dem Material der bildenden Kunst an den Bildern
tut, verkennt meines Erachtens seine Aufgabe
vollends! Ein Torso eines Gemäldes, wenn er
nur allein vom alten Meister herrührt, ist mehr
wert, als ein vom Restaurator noch so schön zu-
sammengestimmtes Gemälde, mag derselbe auch
alle „Studien und übrigen Werke des Meisters
studiert haben". — Wohin dies Restaurieren
führt, zeigen uns unsere verrestaurierten Galerien.
Nach all den schlechten Erfahrungen, die man
durch das viele Restaurieren gemacht hat, muss
es allerdings Wunder nehmen, dass sogar an
Akademien Schulen zum Erlernen des Restaurierens
errichtet werden, wie das jetzt erst wieder in Wien
der Fall ist. Die alten Meister werden also noch
lange nicht zur Ruhe kommen; wer garantiert denn,
dass die dafür ausgebildeten Leute alle so gewissen-
haft sind, dass ihnen ein altes Meisterwerk mehr
wert ist, wie ein gutes Honorar für sogen. Wieder-
herstellung ?" (Schluss folgt.)
Das Zeichnen iiir Hlustrationszwccke.
Von Johann Mai-Tilsit. (Fortsetzung.)
Als chinesische Tusche muss jedoch eine völlig
tiefschwarze und etwas dicklich angeriebene Sorte
benutzt werden, die — wenn man sie selbst anreibt —
noch mit einer Wenigkeit Krapp- oder Karminlack
versetzt wird. Besser ist es jedoch, wenn man eine
der besten flüssigen, käuflichen, tiefschwarzen und
konzentrierten, unverwaschbaren oder wasserunlös-
lichen Tuschen gebraucht, weil damit jeder gezeichnete
Strich seine volle tiefe Schwärze und Deckkraft er-
hält, was bei den selbst angeriebenen oder auch ge-
wöhnlichen käuflichen, üüssigen Tuschen selten erzielt
wird. Es handelt sich bei den zu photographierenden
Zeichnungen für Klischeezwecke hauptsächlich darum,
dass jeder und selbst der feinste Strich, oder Punkt
so tiefschwarz, satt und kräftig dasteht, als wäre er
gedruckt; denn wenn dies nicht der Fall ist, und
statt der Tiefschwärze graue, wässerigdurchsichtige,
durchbrochene Linien usw. auf den Zeichnungen vor-
handen sind, dann sind solche Originale für die Re-
produktion als ungeeignet zu betrachten; denn grau
gezeichnete wässerige Striche kommen bei den photo-
graphischen Reproduktionen genau so auf den Nega-
tiven zum Vorschein, wie sie gezeichnet sind, und
machen solche Negative — wenn sie überhaupt brauch-
bar sind — ungemein viel Schwierigkeiten, um sie in
einen annähernd benutzbaren Zustand zur späteren
Druckplattenerzeugung zu versetzen. Gerade in dieser
Beziehung lassen die Originalzeichnungen sehr vieles
zu wünschen übrig und wäre es zu wünschen, dass die
Künstler das hier Gesagte für alle Zukunft beherzigen
zu ihrem eigenen Vorteile, denn den chemigraphischen
Anstalten leisten sie einen grossen Dienst, wenn die
Zeichnungen diese Mängel nicht mehr aufweisen.
Bezüglich der wasserfesten oder unverwaschbaren
Tusche hätte ich noch zu erwähnen, dass man solche
aus den grossen Farbenfabriken in vorzüglicher Quali-
tät erhält und ist z. B. die konzentrierte Perltusche
von Günther Wagner, Hannover und Wien nach meinen
vielfältigen Versuchen ein vorzügliches Präparat für

dergleichen Arbeiten. Doch mögen auch die anderen
Fabrikate sehr gut entsprechen, wenn sie erstens tief-
schwarze Striche ergeben und zweitens, wenn die
Tusche unverwaschbar ist, und ein Versuch wird lehren,
ob die eine oder die andere Sorte den hier erörterten
Anforderungen genügt.
Auf keinen Fall soll man aber selbstangeriebene
Tusche, die einmal im Teller vertrocknet ist, wieder
benutzen, denn beim frischen Aufreiben erhält man
keine reinen tiefschwarzen Striche, indem sich die
einmal vertrockneten Bestandteile nicht mehr völlig
auf lösen und graue, wässerige Striche zuverlässig zu
erwarten sind.
Die konzentrierte Perltusche oder die anderen
ähnlichen Fabrikate sollen ebenfalls nur aus dem
Fläschchen heraus verarbeitet werden, weil sie —
wenn einmal auf dem Teller vertrocknet — überhaupt
nicht mehr vom Wasser gelöst werden. Die Charakter-
eigentümlichkeit der wasserunlöslichen Tusche ist
nämlich die, dass, wenn die Striche der Zeichnungen
einmal trocken, besonders aber vom Tageslicht ge-
troffen worden sind, die Löslichkeit oder Verwasch-
barkeit völlig aufgehoben ist, weil die lichtempfind-
lichen Stoffe, die den Tuschen beigemischt sind, durch
das Tageslicht beeinflusst oder besser gesagt oxydiert
worden sind.
Es handelt sich nun hauptsächlich darum, dass,
wie schon erwähnt, jeder gezeichnete Strich tief-
schwarz auf dem Ton- oder Schabpapier steht, wes-
halb man mit voller Feder zeichnen soll, es darf des-
halb die Tusche nicht mit Wasser verdünnt und nur
so verarbeitet werden, wie man sie bezogen hat. Das
Aufpausen der Zeichnung auf das Papier geschieht
am besten mit Graphitkopierpapier, weil sich die
Pausestriche nach Fertigstellung der Tuschzeichnung
leicht mit Radiergummi wieder entfernen lassen. Das
Vorskizzieren mit Bleistift darf nur mit weichem Blei
und ohne Aufdrücken geschehen, damit keine Ein-
drücke in der Streichschicht des Papiers entstehen,
die sich bei der photographischen Reproduktion un-
angenehm bemerkbar auf den Negativen machen
würden. Auch diese Vorskizzierungsstriche sind nach
der Fertigstellung der Origmalzeichnung sauber aus-
zuradieren und muss diese überhaupt so sauber und
adrett aussehen, als wäre sie eben aus der Druck-
presse hervorgegangen, und sollen sich die Künstler
nicht etwa sagen, dass kleine und vielleicht auch
grössere Fehler und Mängel schon in den chemi-
graphischen Anstalten ausgebessert bezw. bei der
Negativ- oder Positivretusche auf den Platten beseitigt
würden, denn dazu ist häufig die Zeit für die An-
stalten zu kostbar und kann es Vorkommen, dass die
Druckplatten und folglich auch die Abdrücke die
gleichen Fehler zeigen.
Als wichtiger Punkt für feinste Strichzeichnungen
diene ferner, dass man solche je nach dem Charakter
der Feinheit um ein Drittel, ein Halb, ein Viertel oder
noch grösser zeichnen soll, und wird bei der photo-
graphischen Reproduktion die Verkleinerung auf das
richtige Format vorgenommen, wodurch dann auch
eine Verfeinerung des ganzen Bildes entsteht, welches
beim Druck eine gestochene Schärfe — ähnlich den
Gravierungen — aufweisen wird. Um nun den Ver-
kleinerungseffekt schon während des Zeichnens kon-
trollieren zu können, benutzt man Verkleinerungslinsen
oder wie mir von anderer Seite empfohlen wurde und
was sich vorzüglich bewährt, ein Opernglas, welches
verkehrt vor die Augen gehalten, annähernd richtig
die Verkleinerung beurteilen lässt. Jedenfalls ist den
Künstlern anzuraten, sich von ihren Erstlingsarbeiten
aus den chemigraphischen Anstalten und zwar nach
den photographischen Reproduktionen von den Ne-
gativen immer je eine Kopie auf gewöhnlichen photo-
graphischen Papieren auszubitten und diese mit den
 
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