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20

DIE BALUSTRADE DER ATHENA NIKE.

Bewegung. Das Mürichener Vasenbild (S. 9) und die im Vati-
canischen und Florentiner Relief vorhandene Composition
(S. 5) sind Abbilder verlorener Stücke des Zuges. Zu den
in dem Zuge in mannigfachstem Wechsel der Bewegung und
Richtung angebrachten Figuren gehört die Nike T.

Westwand. Acht Platten und zwei Eckstücke. Athena
sitzend unter Niken. Tropäen.

Der Zusammenhang lässt sich nicht genau feststellen.
Die äusserste Figur südlich ist die von Süden her eilende
Nike des Eckstückes B. Demnächst folgt das Tropäon; da-
bei, von Süden herkommend vielleicht die Nike mit dem
Schild P und die mit dem Helm. Der vor der westlichen
Tempelfront auf dem Fels sitzenden Athena sind andere
sitzende Gestalten, Niken, zugesellt. Am nördlichen Ende
ist ein persisches Tropäon (?).

Nordwand. Sechs Platten und zwei Eckstücke.

Athena, auf dem Schiffe sitzend, sieht zu, wie Tropäen
errichtet werden.

Die Athena ist die des Eckstückes C an der kleinen
Treppe. Die vor ihr errichteten Tropäen sind das mit dem
Helm und der Nike H, auf welches von beiden Seiten her
andere Niken mit Waffenstücken zuschritten, wie diejenigen
G L R. Auf dieselbe Seite gehört das Seetropäon (?) und
am westlichen Ende die am persischen Tropäon beschäftigte
Nike (?). Auf dieselbe Seite gehört endlich die die beiden

Hände vorwärts ausstreckende Nike M, neben das Tropäon
H oder neben das Seetropäon.

Von der Nordwand nach dem Tempel zu einspringender
Teil. Endplatte, kleiner als die gewöhnlichen Platten, halbe
Platte und Eckstück.

Niken mit Opfergerät und Räucherwerk nach links
eilend.

Die links frei endigende Platte ist die S. 7. Ihr folgt
die Sandalenbinderin ; dann die Nike, von welcher der Flügel
auf dem Endstück C herrührt.

Bei dieser Verteilung ist auch auf die Fundstellen und die
Art der Erhaltung Rücksicht genommen. Die Platte A und
die Sandalenbinderin O sind so vorzüglich gearbeitet, dass
sie immer bequem sichtbar sein mussten; sie müssen sich an
Stellen befunden haben, an denen sie zwar wie alle Stücke
einer gewaltsamen Zerstörung ausgesetzt sein konnten, aber
welche doch die Möglichkeit einer leichteren und bequemeren
Verwendung in den modernen Werken bot und einen tiefen
Fall ausschloss. Die stärkste Einbusse haben die Südwand
und die Westwand erlitten: nur an die Südwand und den
südlichen Teil der Westwand können gehören B S T und
aller Wahrscheinlichkeit nach die Hand mit dem Helm S. 9.
Die übrigen Stücke wird man, je besser sie gearbeitet und
erhalten sind, um so mehr geneigt sein der Nordwand zuzu-
teilen.

V.
Technik. Styl. Composition. Entstehungszeit.

Am Parthenon ist an den Marmorsculpturen weder an den
Metopen noch an dem Fries noch auch an den Giebelfiguren
die Zufügung einzelner Teile aus Bronze verschmäht worden.
Die nemliche, in der griechischen Kunst überhaupt sehr weit-
gehende Gewohnheit der Technik hat besonders sorgfältig
schon Michaelis an den Reliefs der Balustrade beobachtet..
Sie sind in schönem pentelischem Marmor, in einem im Ver-
hältniss zur Grösse der Gestalten sehr hohen Relief gearbeitet,
so dass manche Teile vollständig rund und vom Grund ge-
löst oder mit ihm nur der Sicherheit wegen durch Stützen
und Zapfen verbunden sind, welche unsichtbar bleiben sollten.
Mehrfach erkennt man Bohrlöcher für die Befestigung von
Teilen aus Bronze und zwar scheint es, dass diese auf äusser-
lich zugefügten Schmuck und dergl., also auf an und für sich
verschieden gedachten Stoff beschränkt blieben. Solche Bohr-
löcher sind an den Gürteln sichtbar, also wol Gürtelschnallen,
obgleich man in manchen ähnlichen Fällen an aufgesetzte
ganze Gürtel denken möchte, bei den beiden Niken auf
Platte A, bei Q, bei einem durch Bohn gefundenen Torso
S. 12, an der Aegis der Athena C, an dem linken Unter-
schenkel W, wo das Riemenwerk der Sandale hoch herauf
gegangen sein muss, an dem Helm des Tropäons H. Man
darf sich nicht wundern, diese Spuren von aufgesetzten Bronze-
teilen nicht noch viel öfter vorzufinden, denn diese Teile
waren der Zerstörung besonders ausgesetzt. Beispiele der
Benutzung von Bronzestiften bei dem Anstücken einzelner
Marmorstücke bieten die Nike M, deren nicht erhaltener
linker Flügel an seinem Ansatz, wie man aus einigen regel-
mässig gebohrten Löchern daselbst erkennen kann, mit
Bronzestiften befestigt war, und der rechte Unterschenkel F,

wo das tiefe Bohrloch unten am Rand auch nur zur Be-
festigung eines Marmorteiles gedient haben kann. Für die
Flügel ist bei allen Figuren die gleiche Form festgehalten;
aber in dem gegenwärtigen Zustand der Reliefs erscheinen
die Flächen der Flügel ganz verschiedenartig behandelt und
nicht nur wo Innen- und Aussenfläche der Flügel bei einer
und derselben Figur sichtbar werden, sondern bei Flügeln
in genau derselben Ansicht ist die Befiederung bald voll-
ständig, bald nur teilweise, bald gar nicht plastisch angegeben.
Es ist klar, dass hierfür die Bemalung eintrat. Sie kann
ebenso wenig z. B. an den Füssen der vorderen Nike auf der
Platte A gefehlt haben, wo die Riemen der Sandalen be-
zeichnet sein mussten; nur Farbe konnte viele Einzelheiten
und Feinheiten der Darstellung sofort und bequem kenntlich
machen; ohne diese Hülfe und ohne durchgängige Färbung
des ganzen Reliefgrundes, durch welche die Figuren und
Gruppen sich sofort klar und bestimmt abhoben, wäre der
grösste Teil der Balustradenreliefs, der nur von unten, aus
einer gegebenen Entfernung, gesehen werden konnte, über-
haupt zu keiner Wirkung gekommen und auch die zugäng-
lichen Teile nicht zu der vollen und heiteren Wirkung, auf
welche die vollendete griechische Kunst vor allem ausging.
Denn der Begriff der gesunden Schönheit in antikem Sinne
schliesst den der fasslichsten Klarheit ohne weiteres in sich
ein. Wie weit die Färbung im einzelnen ging und welche
Farbe der Grund hatte, lässt freilich sich nicht angeben.
Denn Reste sind nicht erhalten und auch die vereinzelte,
angezweifelte Spur hinter dem Kopf der Sandalenbinderin,
von welcher Beule (L'Acropole I S. 257 ff.) und Michaelis
(a. a. O. S. 259) sprechen, habe ich nicht bemerkt.
 
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