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VII

BEMERKUNGEN ÜBER DEN UNTERBAU DES TEMPELS DER ATHENA NIKE.

27

sprechenden Zeitbestimmungen Anlass gegeben hat41c), wird
man sich der durch Bohn ermittelten Thatsache einfach fügen
müssen. Aber nicht minder für die Sculpturen der Friese.
Bei diesen ist eine innere Verschiedenheit der drei Friese
mit den Kampfdarstellungen von dem Ostfries mit der Götter-
versammlung unverkennbar. Eine ungefähre Verwandtschaft
der Kampfdarstellungen mit dem Fries von Phigalia ist an-
erkannt. Aber diese Verwandtschaft ist schwerlich mehr als
eine äusserliche. Bei aller Lebhaftigkeit und weit ausgreifen-
den Bewegung der Gestalten entbehren diese Darstellungen
der gehaltenen Kraft und des Feuers, welches die Phigalischen
Sculpturen durchströmt, und sie scheinen mir eher eine ge-
wisse Müdigkeit als eine ursprüngliche oder gar altertümliche
Frische der Erfindung zu verraten. In noch höherem Grade
ist dies, wie ich glaube, bei dem Ostfries der Fall, in dem
ich schon früher eher die etwas matte Wiederholung viel
gebrauchter Motive als altertümliche Einfachheit zu erkennen
meinte. Umgekehrt glaubt Benndorf41 d), dass ein Künstler,
welcher Giebel und Fries des Parthenon kannte, nicht mehr

so habe componiren können. Er will in dem ganzen Tempel
der Athena Nike wie in dessen Friesen eine geschichtliche
Vorstufe des im Parthenon geleisteten erkennen. Wenn er
in dieser Würdigung Recht hätte, so müsste wenigstens der
Ostfries einem Künstler angehören, der, ein Spätling, noch
nach Phidias in vorphidias'scher Weise arbeitete. Für die
Reliefs der Balustrade ergibt sich, wenn meine Erörterungen
über den stilistischen Charakter das richtige getroffen haben,
aus den Bohn'schen Ermittelungen keine Schwierigkeit: man
wird sie den Parthenonsculpturen so nahe rücken wollen,
als es die Stelle, an der sie sich befinden, irgend ge-
stattet.

Ein ideeller Zusammenhang des Balustradenreliefs mit
den Perser- und Griechenkämpfen der Friessculpturen lässt
sich mühelos ausspinnen. An denselben Meister kann man
bei einer so unverkennbaren Verschiedenheit des Sinnes und
des verfolgten Ideals schon bei der Erfindung der drei
Kampffriese kaum denken. Für den Ostfries halte ich es
für völlig unmöglich.

VII

Bemerkungen über den Unterbau des Tempels der Athena Nike

Georg Löschcke *2).

Nach den Ausführungen von Julius (Mitt. d. arch. Inst.
I S. 224 ff.) und Michaelis (a. a. O. S. 279 ff.) darf es wol
als allgemeine und gut begründete Ueberzeugung gelten,
dass der Unterbau des Niketempels in seiner jetzigen Gestalt

4ic) Vergl. Semper, Stil, II S. 460: »Wahrscheinlich ältestes noch erhaltenes
Specimen attisch-ionischer Weise. Seine Norm hält noch das Mittel zwischen dem
dorischen und dem ersten ionischen Kanon .... Sonderheiten: Hohe und wenig aus-
ladende Basis ohne eigenen Plinthus, schwankend zwischen alt-ionischer und attisch-
ionischer Bildung, der samischen Basis verwandt.« Ross, Schaubert und Hansen
a. a. O. S. 10 f. Bötticher, Tektonik, II S. 27. Bursian, Rhein. Mus., X
S. 511 ff. Wachsmuth, Die Stadt Athen im Altertum, I S. 543. Prestel
a. a. O. S. 18 ff.

41d) Benndorf a. a. O. S. 43: »Die Gesamtanlage des Frieses am Niketempel
hat Aehnlichkeit mit derjenigen des Parthenonfrieses. Hier wie dort ist die Ein-
gangsseite einer Götterversammlung vorbehalten, während die drei übrigen unter
einander enger zusammengehörigen Seiten das Thema einer in sich geschlossenen
Handlung variiren. Hier wie dort steht die Götter Versammlung in Bezug zu dieser
Handlung. Während dieser Bezug am Parthenon aber einen streng verfolgbaren und
in unerschöpflichem Gedankenreichtum durchgebildeten künstlerischen Ausdruck
gefunden hat, ist er am Niketempel gegeben durch einfache Zusammenstellung
äusserlich getrennter Teile, deren Syntax gleichsam zu suppliren ist. Während in

erst nach Anlag'e der Perikleischen Propyläen aufgeführt
worden ist. Denn einzig die Nötigung, die Nordseite des
Pyrgos in gleiche Flucht mit dem Südflügel der Propyläen
zu bringen, macht den Winkel von 108^2 Grad erklärlich,
in dem Nord- und Westseite des Unterbaues an einander stos-
sen. Während es aber Michaelis für möglich hält, dass der
Pyrgos durch einen Umbau der Verkleidung seine jetzige
Gestalt erhalten habe, als der Tempel schon auf der Höhe
stand, hat Julius mit Bestimmtheit ausgesprochen, die Ver-
kleidung* müsse hergestellt worden sein, ehe der Tempel
oben stand, weil sein Standort eine spätere Ausführung der
Verkleidung nicht zulasse.

den kleinsten Zügen des Parthenonfrieses überall die Idee des Ganzen durchblickt,
überall Rhythmus, Verbindung, Gliederung vorherrscht, fallen hier die Ecken aus
einander, die Einheitlichkeit ist mehr gewollt als erreicht. Einer hochstrebenden
Erfindung haftet eine gewisse Kärglichkeit der Leistung an, die sich auch im
Einzelnen in der zuweilen matten, einförmigen Gruppirung wie in der feingefühlten,
aber doch etwas steifen und stellenweise selbstnoch leise altertümlichen Zierlichkeit
der Formgebung verrät . . . .«

42) Geschrieben in London im Juli 1879.
 
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