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Thiel, Viktor
Papiererzeugung und Papierhandel vornehmlich in den deutschen Landen von den ältesten Zeiten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. — 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.2403#0006
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Papiererzeugung und Papierhandel. 1 11

Augsburger Stadtrat, daß für die Gerichtsurkunden, die bis dahin auf
Pergament geschrieben worden waren, Papier genommen werde, um den
Parteien die Kosten zu mindern22).

Als in Ober- und Mittelitalien die Papiererzeugung aufkam, stiegen
Leinen, Zwilch und Rupfen aus den deutschen Landen im Werte, denn
der aus diesen Stoffen sich ergebende Abfall wurde stark verlangt; ohne
Zufuhr des Rohmateriales von außen wäre die italienische Papiererzeu-
gung außerstande gewesen, in großen Mengen zu liefern. Papier war
damals ein teurer Artikel. 1390 kaufte Bofardus aus Wien vom Apo-
theker Meneginus Roso in Venedig 30 Ries Papier um 4 Pfund 1 Schil-
ling, ferner ein gewisser Stefan von Wien 20 Ries Papier um 32^2 Groschen
per Ries23); im Jahre 1430 kostete in München ein Buch Papier ^Pfen-
nige, fast so viel wie ein reichliches Mittagmahl mit Wein24).

Nürnberg, Augsburg, Ravensburg und Memmingen, die im Vorder-
grunde des Handelsverkehrs mit Italien standen, hatten Beziehungen
zu Venedig, Mailand und Genua und darüber hinaus zu Spanien, das in
den neuentdeckten Erdteil einen schwungvollen Leinenhandel trieb25).
Es ist naheliegend, daß durch die gleiche Vermittlung Papier aus Italien
nach Deutschland gekommen ist26). Auch Valencia, einer der ältesten
Sitze der Papiererzeugung in Europa, wurde sehr viel von Ravensburgern
besucht. Sollten sie etwa auch von dort Papier bezogen haben? Nach-
richten aus den Jahren 1475 und 1480 lassen erkennen, daß dies wenig-
stens in bescheidenem Umfange der Fall war27).

Im Norden und Osten dehnte sich der süddeutsche Handel bis Ant-
werpen, Lübeck, Breslau und Krakau aus. Zur Abwicklung des riesen-
haften, fast ganz Europa umspannenden Geschäftsverkehrs bedurften die
Kaufherren eines wohldurchdachten Kanzleiapparats, einer regen brief-
lichen Korrespondenz. Gewiß hat sich der Gebrauch des Papiers früher
und rascher in den Handelskontors eingebürgert als in den Amts-

22) v. Hössle, Die alten Papiermühlen Augsburgs. Augsburg 1907, S. 24f.
— Noch 1711 arbeiteten in Augsburg 7 Pergamenter, doch verringert sich im
Laufe des 18. Jahrhunderts ihre Zahl auf 2. — Für Pergament hatten die Buch-
binder großen Bedarf, doch bedienten sie sich in der Regel des alten beschriebenen
Pergaments. (Alb. Kirchhoff, Werkstatts-Einrichtung Leipziger zünftiger Buch-
binderei, in: Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels XXII 175 Nr. 6.)

23) Quellen zur Geschichte der Stadt Wien 1/8 Nr. 15 840.

24) Riezler, Geschichte Baierns III, 845.

25) Schulte, Geschichte des ma. Handels und Verkehrs zwischen West-
deutschl. und Italien. I, 623, 636 ff., 640 ff.

26) Schon Wattenbach, Schriftwesen des Mittelalters S. 145, macht hier-
auf aufmerksam. Briquet hat in seinem Sammelwerke Spanien nicht berücksichtigt.
Nach Schulte, Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft 1380 bis
1530 (1923) I, 253, wurde vereinzelt Papier durch die Ravensburger Gesellschaft
über Genua nach Deutschland eingeführt.

27) Im Jahre 1475 bestellte sich Hans Lamparter, Teilhaber der Ravensburger
Gesellschaft, spanisches Papier aus Valencia, wohl nach Genf. Aus Saragossa wurde
1480 ein Ries in einem Safranballen befördert; es gehörte Jan Petit in Köln. In
Saragossa verkaufte die Ravensburger Gesellschaft 15 Ries Papier ohne Angabe
der Herkunft um 10 ß für das Ries.

Die Papiererzeugung in Valencia war damals schon wenig leistungsfähig. Als
1475 der Schwabe Jakob Vizland (Wissland), der auch Faktor der Ravensburger
Gesellschaft war, für seine neuerrichtete Druckerei in Valencia Papier benötigte,
bestellte er 200 Ries in Genua zum Preise von' 33 sneldos Valencianos für das
Ries. (Schulte a. a. O. I, 342.)
 
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