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Wegener, Hans
Beschreibendes Verzeichnis der deutschen Bilder-Handschriften des späten Mittelalters in der Heidelberger Universitäts-Bibliothek — Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.2078#0004
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VORWORT

Das beschreibende Verzeichnis behandelt die deutschen Bilderhandschriften der Heidelberger Univer-
sitätsbibliothek vom Anfang des XIV. Jahrhunderts bis zum ersten Viertel des XVI. Jahrhunderts.
Es fehlen in dieser Reihe die beiden von Adolf von Oechelhäuser in den „Miniaturen der
Universitätsbibliothek zu Heidelberg" schon beschriebenen Handschriften: Der wälsche Gast (pal. germ. 389)
und die Manessehandschrift (pal. germ. 848). Von jüngeren Handschriften ist die 1557 für Ott Heinrich
nach dem Geomantiebuch pal. germ. 832 angefertigte Kopie hinzugenommen.

Nur zwei Heidelberger Bilderhandschriften, die beiden Geomantiebücher pal. germ. 832 und 855, kann
man, verglichen mit der höfischen Buchkunst des Westens, als Prachtcodices bezeichnen; ein kleiner Teil
ist sehr sorgfältig und, wie Wappen oder Eintragungen beweisen, auf besondere Bestellung gearbeitet
worden, und die Hauptmasse sind Handschriften, wie sie damals in üblicher Ausstattung im Handel zu
haben waren. Wir haben es also mit Erzeugnissen bürgerlicher Kunst zu tun, die qualitativ zum Teil
auf hoher Stufe stehen.

Inhaltlich ist fast die ganze illustrierte Literatur des Mittelalters, besonders stark aber das höfische
Epos vertreten; dagegen fehlen illustrierte Gebet- und Stundenbücher ganz.

Das Schema der Beschreibung ist dem besonderen Illustrationscharakter der vorwiegend oberdeutschen
Handschriften angepaßt. Bei der großen Zahl der Illustrationen mußte, um dem Buch kein zu unhand-
liches Format zu geben, auf eine ausführliche Bildbesehreibung verziditet werden. Einzeln aufgeführt
sind die Illustrationen in Werken religiösen Inhaltes, in Chroniken, Kalendern usw., kurz alles ikono-
graphisch wichtige Bildmaterial. Eine genaue Szenenbezeichnung der vielen Kampfbilder und einfachen
Dialogsituationen der Epenillustration erübrigte sich um so mehr, als es dem Zeichner selbst gar nicht auf
eine textgenaue Darstellung einer bestimmten Szene ankam. Diese Illustrationen sind in fast allen Fällen
ganz schablonenhaft und mit äußerst geringer Bilderfindung dargestellt; bestenfalls versuchte der Zeichner
den Held der Erzählung durch ein besonderes Kleidungsstück im Bild kenntlich zu machen.

Wichtiger als die Bildbeschreibungen erschien mir eine Auskunft über die Darstellungsmittel der
Illustratoren, und zwar nach einem für alle Handschriften gleich durchgeführten Schema. Dem Zweck des
Buches entsprechend ist die Beschreibung der Darstellungsmittel so knapp wie möglich gehalten. Es
ergaben sich da von selbst an Stelle weitschweifiger Erklärungen bestimmte Termini, die vielleicht näherer
Erläuterung bedürfen.

Mit Bodenstück ist der Streifen bezeichnet, auf dem die Figuren stehen und der nicht über ihre Knie-
hohe hinausragt. Ist das Bodenstück höher hinaufgeführt, wollte also der Zeichner eine Art Hintergrund
ohne Tiefenwirkung hinter den Figuren schaffen, dann ist dafür die Bezeichnung „erweitertes Bodenstück"
geprägt. Die „reine Kulissenlandschaft" ist aus zwei schräg abwärts nach der Mitte zu laufenden Kulissen
gebildet, über deren Schnittpunkt eine Stadtansicht oder ein Berg sichtbar wird. Weitere Formen der
Bildbühne sind das durch Hintergrundkulissen vertiefte Bodenstück, dem dann die Rolle eines räumlich
meist nicht ganz verständlichen Vordergrundes zufällt, und zuletzt die „offene Landschaft", deren Haupt-
merkmale die perspektivisch sichere Tiefenausdehnung bis zum fernen Horizont und weit nach rückwärts
führende Wege oder Flüsse sind. Mit „schwebenden Figuren" ist eine bis zur Mitte des XV. Jahrhunderts
nicht seltene Erscheinung bezeichnet, bei der durch falsche Grundrißperspektive die Füße rückwärts-
stehender Figuren unterhalb der sie überschneidenden Vordergrundfiguren zu sehen sind, so daß diese

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