AUFLÖSUNG DER TIERORNAMENTIK
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vielmehr umF ieber formen ,T raum-
formen zu handeln, die irgendwo
im Unterbewußtsein ihren Ur-
sprung und ihre Erklärung finden
mögen.
Interessant ist nun zu beobach-
ten, wie auch die Bandform ihre
Bedeutung einbüßt. In der zweiten
Phase wurde die Bindung der Teile
eben durch die Bänder besorgt,
und zugleich waren diese die Ka-
näle, die Adern, durch welche das
alle Teile durchströmende Flui-
dum zirkulierte. Auch jetzt ist
dieser durchgehende Bewegungs-
fluß noch vorhanden und er wird
Abb. 49. Letzte Steigerung der Form, Auflösung der
Tiergestalt. Detail einer Bronzefibel aus Uppland,
Schweden.
sogar durch die Lockerung des Musters noch betont, aber doch nur, um seinen
höchst ungleichmäßigen Verlauf zum Bewußtsein zu bringen. Hier kann nun von
einem Schlangen- oder Bandkörper überhaupt nicht mehr gesprochen werden,
der alte Bandkörper zieht sich vielmehr zu dünnen Fäden, zu Peitschen-
schnüren zusammen, um plötzlich wieder zu diesen höchst charakteristischen
schild-, flammen- oder bandförmigen Flächen anzuschwellen. Neben schmalen
Kanälen, durch die der Fluß gepreßt wird, entstehen diese Staubecken, die nun
in der Gesamterscheinung einen ganz neuen Wert bekommen: sie sind keine
Glieder eines einheitlichen Organismus, keine dem Ganzen untergeordnete Form-
und Bewegungsakzente, sondern autonome Gebilde, von denen man erwartet,
daß sie sich jeden Augenblick durch das Abreißen der sie verbindenden Fäden
vollständig isolieren. Diese sonderbaren Formen, die weder der Natur, noch dem
berechnenden Verstand ihren Ursprung verdanken, werden nun noch möglichst
geschont, der Grund um sie herum wird freigelassen, damit sich ihr nervöses Wesen
frei ausleben kann. Formkonflikte werden eher vermieden als gesucht, die innige
Paarung oder feindliche Verwicklung der zusammengeballten Formen der zwei-
ten Phase verwandelt sich in ein loses Durcheinandergleiten und Auseinander-
fließen.
Zu dieser Verwandlung der Form tritt ergänzend das neue Verhältnis zum
Träger. Wir sahen, wie die Tiergestalten der zweiten Phase bei ihrer Selbst-
disziplin auch den vorhandenen Raum berücksichtigten. Nach ihm richtete sich
die Art ihrer Verbindung, ob Tierkette, symmetrische Gruppe oder Wirbel, und
zugleich wurde die gegebene Fläche durch das Ornament aus eigener Bewegung
und mit eigener Bewegung ausgefüllt. Die gleiche Tendenz nach Isolierung der
Teile, die sich innerhalb des gelockerten Musters bemerkbar macht, zeigt sich
nun auch bei der Verteilung dieses Musters über die Körperflächen des Trägers,
die aufgeteilt werden in einzelne Felder, welche jedes für sich ihre eigene Füllung
erhalten. Am auffallendsten ist dieser Vorgang bei den gotländischen Scheiben-
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vielmehr umF ieber formen ,T raum-
formen zu handeln, die irgendwo
im Unterbewußtsein ihren Ur-
sprung und ihre Erklärung finden
mögen.
Interessant ist nun zu beobach-
ten, wie auch die Bandform ihre
Bedeutung einbüßt. In der zweiten
Phase wurde die Bindung der Teile
eben durch die Bänder besorgt,
und zugleich waren diese die Ka-
näle, die Adern, durch welche das
alle Teile durchströmende Flui-
dum zirkulierte. Auch jetzt ist
dieser durchgehende Bewegungs-
fluß noch vorhanden und er wird
Abb. 49. Letzte Steigerung der Form, Auflösung der
Tiergestalt. Detail einer Bronzefibel aus Uppland,
Schweden.
sogar durch die Lockerung des Musters noch betont, aber doch nur, um seinen
höchst ungleichmäßigen Verlauf zum Bewußtsein zu bringen. Hier kann nun von
einem Schlangen- oder Bandkörper überhaupt nicht mehr gesprochen werden,
der alte Bandkörper zieht sich vielmehr zu dünnen Fäden, zu Peitschen-
schnüren zusammen, um plötzlich wieder zu diesen höchst charakteristischen
schild-, flammen- oder bandförmigen Flächen anzuschwellen. Neben schmalen
Kanälen, durch die der Fluß gepreßt wird, entstehen diese Staubecken, die nun
in der Gesamterscheinung einen ganz neuen Wert bekommen: sie sind keine
Glieder eines einheitlichen Organismus, keine dem Ganzen untergeordnete Form-
und Bewegungsakzente, sondern autonome Gebilde, von denen man erwartet,
daß sie sich jeden Augenblick durch das Abreißen der sie verbindenden Fäden
vollständig isolieren. Diese sonderbaren Formen, die weder der Natur, noch dem
berechnenden Verstand ihren Ursprung verdanken, werden nun noch möglichst
geschont, der Grund um sie herum wird freigelassen, damit sich ihr nervöses Wesen
frei ausleben kann. Formkonflikte werden eher vermieden als gesucht, die innige
Paarung oder feindliche Verwicklung der zusammengeballten Formen der zwei-
ten Phase verwandelt sich in ein loses Durcheinandergleiten und Auseinander-
fließen.
Zu dieser Verwandlung der Form tritt ergänzend das neue Verhältnis zum
Träger. Wir sahen, wie die Tiergestalten der zweiten Phase bei ihrer Selbst-
disziplin auch den vorhandenen Raum berücksichtigten. Nach ihm richtete sich
die Art ihrer Verbindung, ob Tierkette, symmetrische Gruppe oder Wirbel, und
zugleich wurde die gegebene Fläche durch das Ornament aus eigener Bewegung
und mit eigener Bewegung ausgefüllt. Die gleiche Tendenz nach Isolierung der
Teile, die sich innerhalb des gelockerten Musters bemerkbar macht, zeigt sich
nun auch bei der Verteilung dieses Musters über die Körperflächen des Trägers,
die aufgeteilt werden in einzelne Felder, welche jedes für sich ihre eigene Füllung
erhalten. Am auffallendsten ist dieser Vorgang bei den gotländischen Scheiben-