WIE ICH DAS RADIEREN LERNTE
VON LOVIS CORINTH
Als Maler glaubte ich nicht genügend hinter die
Geheimnisse der Ölmalerei kommen zu können.
Nachdem ich in der Akademie Königsbergs die An-
fangsgründe für mein Wissen erworben hatte, trieb
es mich dann, die berühmtesten Lehrer in der Welt
aufzusuchen, welche für meinen Fall in Frage
kamen; zuerst ging ich nach München und später
nach Paris. Von da ging ich dann, halbwegs selb-
ständig geworden, den Weg wieder in umgekehrter
Reihenfolge zurück: nach Königsberg, Berlin,
München, wo ich so lange blieb, bis das Schicksal
mich nach der Reichshauptstadt zurückführte, wo
ich wohl voraussichtlich bis zum Ende meines
Strebens zu bleiben gedenke. So lernte ich das
Malen, soviel ich nur vermochte. Aber die Rüge
meines Pariser Lehrers Bouguereau klang mir doch
fortwährend in den Ohren: „Ce n’est pas mal, mais
ce n’est pas bien dessine“. Ich konnte nicht ge-
nügend zeichnen, und daran haperte es bei mir
immer. Nach den Modellen versuchte ich ernsthaft
die Formen anzustreben; auf meinen Bildern sollte
jeder Fleck streng studiert sein.
„(Geschrieben 1917, abgedruckt aus den »Gesammelten Schriften,
von Lovis Corinth mit Erlaubnis des Verlags Gurlitt, Berlin.“)
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VON LOVIS CORINTH
Als Maler glaubte ich nicht genügend hinter die
Geheimnisse der Ölmalerei kommen zu können.
Nachdem ich in der Akademie Königsbergs die An-
fangsgründe für mein Wissen erworben hatte, trieb
es mich dann, die berühmtesten Lehrer in der Welt
aufzusuchen, welche für meinen Fall in Frage
kamen; zuerst ging ich nach München und später
nach Paris. Von da ging ich dann, halbwegs selb-
ständig geworden, den Weg wieder in umgekehrter
Reihenfolge zurück: nach Königsberg, Berlin,
München, wo ich so lange blieb, bis das Schicksal
mich nach der Reichshauptstadt zurückführte, wo
ich wohl voraussichtlich bis zum Ende meines
Strebens zu bleiben gedenke. So lernte ich das
Malen, soviel ich nur vermochte. Aber die Rüge
meines Pariser Lehrers Bouguereau klang mir doch
fortwährend in den Ohren: „Ce n’est pas mal, mais
ce n’est pas bien dessine“. Ich konnte nicht ge-
nügend zeichnen, und daran haperte es bei mir
immer. Nach den Modellen versuchte ich ernsthaft
die Formen anzustreben; auf meinen Bildern sollte
jeder Fleck streng studiert sein.
„(Geschrieben 1917, abgedruckt aus den »Gesammelten Schriften,
von Lovis Corinth mit Erlaubnis des Verlags Gurlitt, Berlin.“)
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