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Meyer, Hans; Königliche Akademie der Künste zu Berlin [Contr.]
Die graphische Kunst: Rede zur Feier des allerhöchsten Geburtstages Seiner Majestät des Kaiser und Königs am 27. Januar 1908 in der öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie der Künste — Berlin: Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.70860#0016
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kann es keinen größeren Gegensatz geben als Kunst und
Photographie.
Die Photographie ist ein Spiegelbild der Natur. Alles,
was vorhanden ist, alles was die Natur, die magna parens,
in die Erscheinung gerufen hat, kann sie, so wie es gerade
im Momente aussieht, im Bilde widerspiegeln, treu, objektiv,
zuverlässig — aber — mechanisch und seelenlos.
Ohne bereits Vorhandenes aber keine Photographie.
Die Kunst dagegen ist selber eine magna parens, ist
Natur durch Menschengeist geboren, neu erzeugt, ureigner
Geist, der im Sinne der Natur und mit den Mitteln und in
der Sprache der Natur Produkte schafft, neu, selbständig, un-
abhängig von Vorhandenem, schon Dagewesenem, aber so
vollkommen im Geiste der Natur, daß diese sich nicht zu
schämen brauchte, wenn sie sie selber hervorgebracht hätte.
— Der schwarze Kasten, durch den die Photographie geht,
ist hohl und das nüchterne, weiße Tageslicht passiert ihn im
gleichgültigen Strahle, wie es gekommen. — Der Gehirn-
kasten des Künstlers aber gleicht dem Prisma, durch das der
gleichgültige Strahl des Lichtes in alle Farben des Regen-
bogens verklärt wird. Und dieses Geistesprisma des Künstlers
kann noch mehr, sogar mehr als das wirkliche optische
Prisma, denn es zerlegt und zerteilt auch die Formen der
Erscheinung und vermehrt sie tausendfältig.
Und darum wird und kann die Photographie niemals
den schöpferisch tätigen vervielfältigenden Künstler irgendwie
beeinträchtigen. Im Gegenteil! Je vollkommener sie ihre
Technik gestaltet, und erst recht dann, wenn sie es vielleicht
wird erreichen können, farbige Bilder, d. h. wirkliche Bilder
in reflektierendem Lichte herzustellen, während es ihr doch
bisher nur gelang, die Farben im durchscheinendem Lichte
des transparenten Glasbildes zu geben, um so sicherer wird
das Kunstwerk, das Werk des Geistes und der Phantasie
 
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