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Budde, Thomas; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Die Helmstedter Landwehr: ein Beitrag zur Erforschung mittelalterlicher Grenzbefestigungen — Hameln: Niemeyer, Heft 16.1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.51147#0010
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2. Allgemeines über Landwehren

2.1. Definition - Funktion
Der Begriff Landwehr ist in kürzester Form als Befesti-
gungslinie auf dem Lande zu definieren, die dem Grenz-
schutz und der Gebietssicherung diente.1 In anderer Be-
deutung kann damit ein militärisches Aufgebot gemeint
sein. Die Doppeldeutigkeit liegt darin begründet, daß sich
die beiden Termini in ihrer ursprünglichen Verwendung
zeitlich ausschließen. Kurioserweise bezeichnet der Begriff
im frühen Mittelalter ein militärisches Aufgebot, um nach
jahrhundertelanger Unterbrechung zu Beginn des 19. Jahr-
hunderts in derselben Bedeutung wieder aufzutreten,
während darunter im dazwischenliegenden Zeitraum vom
13. bis zum 18. Jahrhundert gemeinhin jene Befestigungs-
anlagen verstanden wurden.
Landwehren sind seit dem 13. Jahrhundert unter diesem
Begriff historisch überliefert, werden allerdings zunächst
noch recht selten erwähnt. Nachdem für das 14. Jahrhun-
dert eine starke Zunahme der Nennungen zu verzeichnen
ist, sind sie im 15. Jahrhundert so zahlreich belegt, daß sie
in vielen Gebieten des Reiches eine prägende Erscheinung
im Landschaftsbild gewesen sein müssen. Die Errichtung ei-
ner Landwehr wird selten bezeugt, fast immer handelt es
sich um Erwähnungen bereits vorhandener Anlagen. Neben
dem Begriff Landwehr treten zahlreiche andere Bezeich-
nungen auf, die dasselbe meinen, so z. B. Hecke, Hagen,
Knick, Gebäck, Rieke, Reke, Landern, Ländert, Landhege,
Landhag, Landgraben sowie im süddeutschen Raum auch
Zarge, Letze oder Letzine. Der Grund für die Anlage von
Landwehren war das vermehrte Sicherheitsbedürfnis in ei-
ner Zeit, die durch ausuferndes Raub- und Fehdewesen ge-
prägt war. Für die lokalen Gemeinwesen und die Territorial-
herrschaften war dies ein Mittel zur Wahrung des Landfrie-
dens, den Kaiser und Reich seit dem 13. Jahrhundert nicht
mehr gewährleisten konnten. Es soll nicht unerwähnt blei-
ben, daß es im germanischen Raum auch vor dieser Zeit
schon Grenzbefestigungen gegeben hat, nämlich die ver-
einzelt im Bereich von Stammesgrenzen errichteten soge-
nannten Langwälle. Obwohl diese Anlagen wenig mit den
hoch- und spätmittelalterlichen Landwehren zu tun haben,
laufen sie aus forschungsgeschichtlichen Gründen ebenfalls
unter dem Begriff Landwehr.2 Um Mißverständnisse zu ver-
meiden, sei deshalb vorausgeschickt, daß die folgenden
Ausführungen sich ausschließlich auf die „eigentlichen"
hoch- bis spätmittelalterlichen Landwehren beziehen.
Nach Ausweis der schriftlichen Überlieferung hatte eine
Landwehr vor allem die Aufgabe, ein bestimmtes Gebiet

dauerhaft vor dem Eindringen marodierender Banden,
Plünderer, Räuber, Viehdiebe und sonstiger Gesetzesbre-
cher zu schützen und, was nicht weniger wichtig war, sol-
chen, die bereits in das umwehrte Gebiet gelangt waren,
im nachhinein die Fluchtwege zu versperren. Im Kriegs-
bzw. Fehdefalle stellte eine intakte Landwehr selbst für
größere Heerhaufen ein ernstzunehmendes Hindernis dar.
Zumindest konnten sie so lange aufgehalten werden, bis
ein Verteidigungsaufgebot alarmiert war. Auf dem Rück-
zug befindliche feindliche Gruppen konnten versprengt,
eingekesselt und gestellt werden. Insofern stellte die Land-
wehr ein Annäherungs- und Rückzugshindernis zugleich
dar. Freilich konnte sie im Kriegsfall von größeren Heeren
durch planmäßiges Anlegen von Breschen relativ leicht
nutzlos gemacht werden. Ihr Hauptzweck ist deshalb zwei-
fellos eher in der alltäglichen Bekämpfung des Frevel- und
Raubunwesens zu sehen. Eine weitere Funktion der Land-
wehr bestand in der Verkehrsüberwachung und der Ein-
treibung von Wegegeld und Zoll an den Wegdurchläßen.
Dies scheint allerdings eher ein Nebeneffekt gewesen zu
sein, dem erst in der Neuzeit, als die Landwehren bereits
ihre Wehrfunktion verloren hatten, gelegentlich mehr Be-
deutung zukam.3
Da es eine Vielzahl von Landwehren gegeben hat, sind
wir durch Schriftquellen, alte Karten und Überreste im
Gelände gut über Aufbau und Gestalt dieser Anlagen un-
terrichtet. Sie bestanden zumindest aus einem Graben,
fast immer auch einer Wehrhecke; meist war der Graben
auf der Innenseite oder auf beiden Seiten von einem Wall
begleitet. Die Wall-Graben-Anlage konnte mehrfach
gestaffelt sein, wobei sich solche Verstärkungen oft auf
besonders gefährdete Stellen wie die Wegdurchläße be-
schränken. Einfache Anlagen mit ein oder zwei Gräben
waren allerdings vorherrschend. Da es an archäologischen
Untersuchungen mangelt, ist noch wenig über den Aufbau
der Gräben und Wälle bekannt. Es gab sowohl Trocken-
gräben als auch Wassergräben; meist war dies wohl zu-
fallsbedingt vom jeweiligen Untergrund abhängig, doch
wurden nicht selten auch mit Absicht wasserführende Grä-
ben integriert, wie zum Beispiel bei der Stadtlandwehr von
Hannover.4 Dabei kann es sich sowohl um künstliche als
auch mehr oder weniger stark kanalisierte natürliche Grä-
ben handeln, die gelegentlich, wie etwa im südlichen Ab-
schnitt der Lüneburger Stadtlandwehr,5 zu Teichen aufge-
staut waren. Daß das Grabenprofil variiert, zeigen schon
die wenigen bisherigen archäologischen Untersuchungen.
So wurden in Westfalen einige geböschte Sohlgräben

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