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Segers-Glocke, Christiane [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Auf den Spuren einer frühen Industrielandschaft: Naturraum - Mensch - Umwelt im Harz — Hameln: Niemeyer, Heft 21.2000

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Lutz Grunwald: Der Oberharz und sein unmittelbares Vorland. Ein Abriss der Siedlungsgeschichte vor dem Einsetzen der schriftlichen Überlieferung im 8. Jahrhundert n. Chr.
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https://doi.org/10.11588/diglit.51267#0064
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Mensch und Umwelt

rode am Harz, wurde dort Eisenerz verarbeitet, das vom Iberg bei
Bad Grund und aus dem Bereich des Lerbaches bei Osterode - und
damit aus dem Umfeld der Pipinsburg - stammt (Brockner / Heim-
bruch / Koerfer 1990, 139). Der in Düna in Schnitt 14 angetroffe-
ne Befund 670, eine wohl von einem „Ausheizherd" stammende
Schlackenkonzentration, ist in diesem Zusammenhang besonders
wichtig. Die 14C-Datierung eines Schlackenrestes ergab ein Datum
von 350 +/- 180 v. Chr. (Both 1996, 92 mit Anmerkung 53). Wenn
man diesem Datum und der Befundinterpretation glauben schen-
ken kann, so scheinen die ältesten Eisenerzverarbeitungsaktivitä-
ten in Düna bereits während der jüngeren vorrömischen Eisenzeit
stattgefunden zu haben.
Neben der herrschaftlichen Befestigungsanlage der Pipinsburg
sind aber auch bäuerliche Niederlassungen, wie zum Beispiel in
der Nähe von Herzberg, Ldkr. Osterode am Harz, und bei Kalefeld,
Ldkr. Northeim, bekannt (Anding / Ricken / Reissner 1976. Wulf
1996, 85). Auf die bäuerliche Wirtschaftsweise im Oberharzvor-
land hatten bereits die großen Mengen pflanzlicher Reste, wie ver-
schiedene Getreidearten, die bei den Grabungen in der Pipinsburg
für diese Zeit festgestellt wurden, hingewiesen (Claus 1976, 129).
Aus der Kleinen Jettenhöhle, die bei Düna in der Nähe von Oste-
rode am Harz liegt, stammen Funde der Mittellatenezeit und
damit aus der Zeit der zweiten Nutzungsphase der Pipinsburg. Die
Funde sind sicher von den in der Umgebung wohnenden Men-
schen dorthin gebracht worden. Hier scheinen sich Hinweise auf
kultische Handlungen in der vorrömischen Eisenzeit abzuzeichnen
(Both 1987), die auch in der bereits angesprochenen Einhornhöhle
bei Scharzfeld vorliegen. Diese wurde zu verschiedenen Zeiten der
Jungsteinzeit, während der mittleren Bronzezeit und der vorrömi-
schen Eisenzeit aufgesucht und zumindest in dieser letzten Phase
für kultische Handlungen genutzt (Flindt / Leiber 1999, 41-49). In
dieser Epoche wurden die Toten verbrannt. Solche Urnenbestat-
tungen werden in seltenen Fällen - wie dies zum Beispiel in der
Nähe von Dorste der Fall war - beim Pflügen der Äcker festgestellt
(Wulf 1996, 85).
Die archäologischen Siedlungsbelege für den Übergang von
der vorrömischen Eisenzeit in die römische Kaiserzeit und damit
für die Jahrzehnte um Christi Geburt sind selten. Um so wichtiger
sind Entdeckungen dieser Zeitspanne. So konnte bei Willershausen
eine Siedlung lokalisiert werden, die nach der geborgenen Kera-
mik von der Spätlatenezeit bis in die frühe römische Kaiserzeit be-
standen hat und in der nach den dort entdeckten Metallschlacken
Erz verhüttet wurde (Wulf 1996, 85). Die Rhumequelle wurde
während der endenden vorrömischen Eisenzeit nach dem dort
geborgenen Fundgut nach Meinung von K. Grote wie bereits in
der Jungsteinzeit und der gesamten vorrömischen Eisenzeit als
Quellheiligtum genutzt (Grote 1999). In Dörnten, Ldkr. Goslar,
konnte 1936 in der Nähe der Innerstefurt ein in die frühe römische
Kaiserzeit datierendes Brandgrab festgestellt werden (Thielemann
1977, 27). Da die Funde aus diesem Grab in das elbgermanische
Gebiet verweisen, scheint der Oberharznordrand zumindest zeit-
weise mit dieser Region im kulturellen Kontakt gestanden zu
haben (Busch 1979, 35 f.). Das aus Düna stammende Material aus
dieser Übergangszeit ist aber der rhein-wesergermanischen Fund-
gruppe zuzuweisen, die sich später dann auch am Südharz und in
Zentralthüringen nachweisen lässt (zuletzt: Schmidt 1999,
343-345). Erst in den folgenden Jahrhunderten sind dann Kontak-
te in das elbgermanische Gebiet, aber auch in das römische Kai-
serreich hierzu konstatieren (Both 1996, 107). So liegen aus dem
nördlichen Harzvorland - wie zum Beispiel aus Goslar (Thielemann
1977, 28 Abb. 15) - römische Denarfunde aus dem 1. und 2. Jahr-
hundert n. Chr. vor(Erdrich 1992, 22 Abb. 4). Trotzdem bleibt das
sich ergebende Fundbild zum Oberharz arm an Fundstellen
(Abb. 8). Wenn sich Objekte nachweisen lassen, sind dies zumeist

Einzelfunde, die aus der römischen Kaiserzeit im Oberharzumland
bekannt sind. Selten konnten Siedlungen, wie jene der älteren
römischen Kaiserzeit in Pöhlde, lokalisiert und untersucht werden
(Claus / Fansa 1983). Die relative Fundleere setzt sich auch in der
Völkerwanderungszeit fort. Einer Kartierung von F. Laux ist zu ent-
nehmen, dass diese Region in direkter Harzrandlage keine Fried-
höfe der Zeit vom späten 3. bis zur ersten Hälfte des 5. Jahrhun-
derts besitzt (Laux 1999, 145 Abb. 1). Solche Bestattungsplätze
sind nach Laux in einem west-ost-orientierten Streifen nördlich
des Oberharzes ab der Höhe von Othfresen festzuhalten.
Die Ausgrabungen in Düna, Ldkr. Osterode am Harz, haben
aber gezeigt, dass diese Siedlung von der endenden vorrömischen
Eisenzeit bis in das Spätmittelalter um 1400 n. Chr. (Both 1996,
107) kontinuierlich bewohnt war und hier „vom 3. bis 13. Jahr-
hundert n. Chr. Eisen, Kupfer, Blei und Silber erzeugt und teilweise
verarbeitet wurden" (Brockner 1991,29). Für den Zeitraum des 3.
und 4. Jahrhunderts n. Chr. muss an dieser Stelle aber auch auf
zwei Brandgräber mit Schalenurnen hingewiesen werden, die bei
Badenhausen gefunden wurden und kulturell nach Mitteldeutsch-
land verweisen (Reissner 1968, 186; 184 Abb. unten. Claus 1976,
129). In die Völkerwanderungszeit dürfte ein Gefäß aus Bornum
datieren (Niquet 1958, 34. Datierung nach: Nowothnig 1964, 81;
97 Karte 3,8). Es muss daher also wohl doch mit einer dauerhaft
ansässigen Bevölkerung im Oberharzumfeld gerechnet werden.


9 Silberfibelfragment aus Düna (4.Z5. Jahrhundert n. Chr.).

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