Mensch und Umwelt
auch das in ihm eingebettete Pflanzenmaterial stark mit Schwer-
metallen belastet ist (Tabelle 1). Die extremen Anreicherungen von
Schwermetallen im Prozentbereich verursachten ein stark biozides
Milieu, sodass ein mikrobieller Abbau von organischer Substanz
nicht stattfand. Die Bestimmung des auf diese Weise konservierten
Pflanzenmaterials ermöglicht Einblicke in die Ernährung der mittel-
alterlichen Hüttenleute (vgl. Kapitel von Willerding ).
Tabelle 1 Elementgehalte (mg/kg) in Pflanzenresten und im Boden aus der
Grabung „Schnapsweg" (Daten aus Ruppert 1997).
Material
Blei
Kupfer
Zink
Cadmium
Rinde
58000
17800
855
2,7
Rinde
73000
37900
1130
3,5
Holz
78600
39000
823
8,5
Holz
48400
38300
1070
2,3
Späne
63800
39900
434
2,0
JHaselnussschale
41900
17500
351
0,9
Boden
54700
35500
20300
32,5
zum Vergleich:
Natürliche Ge-
halte im Boden
15-25
15-30
80-90
0,2
Bei der mikroskopischen Untersuchung von Bodenproben aus
Verhüttungsplätzen können kleine Kügelchen beobachtet werden
(Abb. 2), die als Flugfunken oder Flugaschen aus dem mittelalterli-
chen Schmelzprozess zu deuten sind. Flugfunken entstehen in
Hochtemperaturprozessen wie zum Beispiel in Schmelzöfen. Ihre
Größe reicht von < 0.01-1.0 mm Durchmesser. Die Oberflächen
sind überwiegend glatt, der Innenraum zeigt meist ein blasiges bis
schwammiges Gefüge. Die Matrix ist stets glasig. Vereinzelt sind
an den Kügelchen fadenartige Anhängsel oder deren Ansätze
erhalten, die die Herkunft aus einer Schmelze belegen. Die halb-
quantitativen Hauptelementanalysen der Kugeloberfläche ergeben
eine Zusammensetzung aus überwiegend Silicium, Aluminium und
Eisen sowie untergeordnet aus Kalium und Calcium. Gelegentlich
sind auch Magnesium, Titan und Mangan nachweisbar. Ähnliche
Kügelchen sind auch in allen Bachläufen des Harzes, die in ihren
Sedimenten auch Schlackenpartikel führen, auffindbar (Lindorfer
1997).
Weiträumige Schwermetalldispersion durch frühe
Buntmetallgewinnung
Die über den Hüttenrauch freigesetzten Schadstoffe wurden mit
dem Wind verfrachtet und lassen sich auch abseits der Verhüt-
tungsplätze in geeigneten Speichermedien („Umweltgedächtnis-
sen") nachweisen (vgl. Beitrag Frenzei/Kempter). Solche Umwelt-
Qedächtnisse sind zum Beispiel die Sedimente aus vermoorten
Erdfallsenken des Harzvorlandes.
Erdfälle entstehen durch Einsturz von Hohlräumen in Karstge-
bieten. Diese auch als Suberosionssenken bezeichneten Hohlfor-
men prägen das Landschaftsbild im Zechsteingürtel des westlichen
2 Flugfunken aus der Buntmetallverhüttung.
und südlichen Harzvorlandes. Nach der Erdfallbildung setzte die
Verfüllung mit eingetragenem Material und eine Akkumulation
von Pflanzenresten ein. Das lateral in die Erdfallsenken fließende
Wasser kam häufig in Kontakt mit Karbonatgesteinen und karbo-
nathaltigen Lössen, so dass sich im Porenwasser der Sedimente
pH-Werte bei 7-8 (neutral bis schwach basisch) einstellten. In vie-
len vermoorten Erdfallsenken können im Gegensatz zu den sauren
Hochmoortorfen aufgrund des erhöhten pH-Wertes pH-bedingte
Elementverlagerungen weitgehend ausgeschlossen werden. Unter
günstigen Bedingungen erfolgte in den Erdfällen eine kontinuierli-
che Ablagerung von organisch-reichen Mudden und Torfen bei
gleichzeitig guter Pollenerhaltung und hoher zeitlicher Auflösung.
Des Weiteren liegen in den Sedimenten durch den sehr hohen An-
teil an organischem Material extrem niedrige natürliche Hinter-
grundwerte für Schwermetalle vor, was den Nachweis geringster
anthropogener Metalleinträge ermöglicht.
Ein exemplarisches Beispiel für derartige Umweltgedächtnisse
ist der am westlichen Harzrand bei Seesen gelegene Erdfall „Sil-
berhohl". Dieser entstand vor ca. 5000 Jahren beim Einsturz eines
Hohlraumes. Seitdem verfüllt sich der Silberhohl mit Torfen, die bis
heute eine Mächtigkeit von bis zu 13 Metern erreicht haben. Die
Schwermetalleinträge erfolgten am Silberhohl ausschließlich
atmosphärisch, da oberirdische Zuflüsse fehlen und im Grundwas-
ser wegen des hohen pH-Wertes eine gelöste Anlieferung von
Schwermetallen nicht zu erwarten ist. Bohrkerne aus dem Silber-
hohl wurden sowohl pollenanalytisch als auch geochemisch bear-
beitet. Aus der Kombination dieser beiden Untersuchungen lässt
sich die Vegetations-, Besiedlungs- und Belastungsgeschichte der
Region am Silberhohl rekonstruieren.
Bereits für die jüngere vorrömische Eisenzeit lässt sich eine
äußerst geringe, aber eindeutige anthropogene Anreicherung von
Blei, Cadmium, Kupfer und Zink nachweisen (580 cm). Diese
Anomalie ist ein sicheres geochemisches Indiz für die Schwerme-
tallfreisetzung bei der Verhüttung von Buntmetallerzen in der
Harzregion während der Eisenzeit. Zusammen mit den Blei-Isoto-
pen-Untersuchungen an einer Bronzenadel von der Pipinsburg bei
Osterode/Harz (Brockner 1992) sind die Befunde aus dem Silber-
hohl der bisher älteste sichere Hinweis auf die Verhüttung von
Buntmetallerzen im Harzraum.
Aluminium repräsentiert den Eintrag von minerogenem Mate-
rial in die Senke. Die erhöhten Aluminium-Gehalte in 365 cm und
460 cm Tiefe sind auf schluffige Lagen zurückzuführen, die ver-
mutlich bei kurzfristigen Starkregenereignissen eingeschwemmt
worden sind.
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auch das in ihm eingebettete Pflanzenmaterial stark mit Schwer-
metallen belastet ist (Tabelle 1). Die extremen Anreicherungen von
Schwermetallen im Prozentbereich verursachten ein stark biozides
Milieu, sodass ein mikrobieller Abbau von organischer Substanz
nicht stattfand. Die Bestimmung des auf diese Weise konservierten
Pflanzenmaterials ermöglicht Einblicke in die Ernährung der mittel-
alterlichen Hüttenleute (vgl. Kapitel von Willerding ).
Tabelle 1 Elementgehalte (mg/kg) in Pflanzenresten und im Boden aus der
Grabung „Schnapsweg" (Daten aus Ruppert 1997).
Material
Blei
Kupfer
Zink
Cadmium
Rinde
58000
17800
855
2,7
Rinde
73000
37900
1130
3,5
Holz
78600
39000
823
8,5
Holz
48400
38300
1070
2,3
Späne
63800
39900
434
2,0
JHaselnussschale
41900
17500
351
0,9
Boden
54700
35500
20300
32,5
zum Vergleich:
Natürliche Ge-
halte im Boden
15-25
15-30
80-90
0,2
Bei der mikroskopischen Untersuchung von Bodenproben aus
Verhüttungsplätzen können kleine Kügelchen beobachtet werden
(Abb. 2), die als Flugfunken oder Flugaschen aus dem mittelalterli-
chen Schmelzprozess zu deuten sind. Flugfunken entstehen in
Hochtemperaturprozessen wie zum Beispiel in Schmelzöfen. Ihre
Größe reicht von < 0.01-1.0 mm Durchmesser. Die Oberflächen
sind überwiegend glatt, der Innenraum zeigt meist ein blasiges bis
schwammiges Gefüge. Die Matrix ist stets glasig. Vereinzelt sind
an den Kügelchen fadenartige Anhängsel oder deren Ansätze
erhalten, die die Herkunft aus einer Schmelze belegen. Die halb-
quantitativen Hauptelementanalysen der Kugeloberfläche ergeben
eine Zusammensetzung aus überwiegend Silicium, Aluminium und
Eisen sowie untergeordnet aus Kalium und Calcium. Gelegentlich
sind auch Magnesium, Titan und Mangan nachweisbar. Ähnliche
Kügelchen sind auch in allen Bachläufen des Harzes, die in ihren
Sedimenten auch Schlackenpartikel führen, auffindbar (Lindorfer
1997).
Weiträumige Schwermetalldispersion durch frühe
Buntmetallgewinnung
Die über den Hüttenrauch freigesetzten Schadstoffe wurden mit
dem Wind verfrachtet und lassen sich auch abseits der Verhüt-
tungsplätze in geeigneten Speichermedien („Umweltgedächtnis-
sen") nachweisen (vgl. Beitrag Frenzei/Kempter). Solche Umwelt-
Qedächtnisse sind zum Beispiel die Sedimente aus vermoorten
Erdfallsenken des Harzvorlandes.
Erdfälle entstehen durch Einsturz von Hohlräumen in Karstge-
bieten. Diese auch als Suberosionssenken bezeichneten Hohlfor-
men prägen das Landschaftsbild im Zechsteingürtel des westlichen
2 Flugfunken aus der Buntmetallverhüttung.
und südlichen Harzvorlandes. Nach der Erdfallbildung setzte die
Verfüllung mit eingetragenem Material und eine Akkumulation
von Pflanzenresten ein. Das lateral in die Erdfallsenken fließende
Wasser kam häufig in Kontakt mit Karbonatgesteinen und karbo-
nathaltigen Lössen, so dass sich im Porenwasser der Sedimente
pH-Werte bei 7-8 (neutral bis schwach basisch) einstellten. In vie-
len vermoorten Erdfallsenken können im Gegensatz zu den sauren
Hochmoortorfen aufgrund des erhöhten pH-Wertes pH-bedingte
Elementverlagerungen weitgehend ausgeschlossen werden. Unter
günstigen Bedingungen erfolgte in den Erdfällen eine kontinuierli-
che Ablagerung von organisch-reichen Mudden und Torfen bei
gleichzeitig guter Pollenerhaltung und hoher zeitlicher Auflösung.
Des Weiteren liegen in den Sedimenten durch den sehr hohen An-
teil an organischem Material extrem niedrige natürliche Hinter-
grundwerte für Schwermetalle vor, was den Nachweis geringster
anthropogener Metalleinträge ermöglicht.
Ein exemplarisches Beispiel für derartige Umweltgedächtnisse
ist der am westlichen Harzrand bei Seesen gelegene Erdfall „Sil-
berhohl". Dieser entstand vor ca. 5000 Jahren beim Einsturz eines
Hohlraumes. Seitdem verfüllt sich der Silberhohl mit Torfen, die bis
heute eine Mächtigkeit von bis zu 13 Metern erreicht haben. Die
Schwermetalleinträge erfolgten am Silberhohl ausschließlich
atmosphärisch, da oberirdische Zuflüsse fehlen und im Grundwas-
ser wegen des hohen pH-Wertes eine gelöste Anlieferung von
Schwermetallen nicht zu erwarten ist. Bohrkerne aus dem Silber-
hohl wurden sowohl pollenanalytisch als auch geochemisch bear-
beitet. Aus der Kombination dieser beiden Untersuchungen lässt
sich die Vegetations-, Besiedlungs- und Belastungsgeschichte der
Region am Silberhohl rekonstruieren.
Bereits für die jüngere vorrömische Eisenzeit lässt sich eine
äußerst geringe, aber eindeutige anthropogene Anreicherung von
Blei, Cadmium, Kupfer und Zink nachweisen (580 cm). Diese
Anomalie ist ein sicheres geochemisches Indiz für die Schwerme-
tallfreisetzung bei der Verhüttung von Buntmetallerzen in der
Harzregion während der Eisenzeit. Zusammen mit den Blei-Isoto-
pen-Untersuchungen an einer Bronzenadel von der Pipinsburg bei
Osterode/Harz (Brockner 1992) sind die Befunde aus dem Silber-
hohl der bisher älteste sichere Hinweis auf die Verhüttung von
Buntmetallerzen im Harzraum.
Aluminium repräsentiert den Eintrag von minerogenem Mate-
rial in die Senke. Die erhöhten Aluminium-Gehalte in 365 cm und
460 cm Tiefe sind auf schluffige Lagen zurückzuführen, die ver-
mutlich bei kurzfristigen Starkregenereignissen eingeschwemmt
worden sind.
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