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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 31.2004

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Sektion 3: System Kulturlandschaft Harz
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https://doi.org/10.11588/diglit.51150#0240
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236

Sektion 3: System Kulturlandschaft Harz

Abb. 3: Nach Langzeitunter-
suchungen in den USA und
Schweden haben Kranken-
hauspatienten mit Blick auf
die Natur im Vergleich zu
Patienten mit entsprechenden
Krankheiten, aber mit Blick
aus dem Krankenbett auf
Hauswände, deutlich bessere
Genesungschancen.

Abb. 4: Großstadtbewohner,
die Zugang zu einem natur-
nahen Park haben, leben nach
Untersuchungen in Japan
länger.

genommen worden. Die Folge ist, dass immer mehr
Menschen - ähnlich einer Fluchtbewegung - zur
Erholung in die immer weniger werdenden Natur-
gebiete streben und dort zwangsläufig zunehmend zu
Belastungen des Naturhaushalts beitragen. Über 50%
des Verkehrs ist heute Freizeitverkehr!
Der Grund, warum Menschen zur Erholung beson-
ders naturnahe Gebiete bevorzugen, stellt für die Arbeit
der Waldnationalparks eine große Chance dar. In wis-
senschaftlichen Untersuchungen in den USA und in
Schweden hat man zum Beispiel nachweisen können,
dass Krankenhauspatienten mit Blick aus dem Fenster
auf eine naturnahe Umgebung gegenüber Vergleichs-
patienten mit Blick auf eine Häuserzeile schneller
gesund werden, weniger Schmerz- und Schlafmittel
benötigen, weniger nörgeln und insgesamt zufriedener
sind. In Japan hat man jüngst festgestellt, dass Groß-


Psychotop - Beispiel Krankenhaus


Mit Blick auf Natur:
• schneller gesund
• weniger Schmerzmittel
• weniger Schlafmittel
• nörgeln weniger
• insgesamt zufriedener



Nationalpark
Z"\ Harz

Die Evolution des Menschen
hat als Primatenart im Wald begonnen


Psychotop - Beispiel Großstadt

Nationalpark

Grünanlagen in fußläufig erreichbarer
Nähe zur Wohnung erhöhen die
Lebenseiwartung der Städter


Stadtbewohner mit Zugang zu einem natumahen Park
unabhängig von Geschlecht, Herkunft und gesell-
schaftlicher Stellung signifikant länger leben als Groß-
stadtbewohner ohne Möglichkeit zu einem solchen
Parkbesuch (Takano et al. 2002). Damit wird deutlich,
dass die Besinnung auf Grundgesetze der Natur und die
Duldung von einem Mindestanteil möglichst wenig
manipulierter Natur in menschlichen Lebensräumen für
„enkelverträgliche“ Entwicklungen in unseren Lebens-
räumen von deutlich zunehmender Bedeutung sein
muss und sein wird.
Da alles Leben von der Funktion der pflanzlichen
Assimilation, also von der Bioenergieerzeugung der
grünen Pflanze durch Photosynthese abhängig ist und
sich über koevolutionäre Entwicklungen Abhängig-
keiten ergeben haben, müssen wir erkennen, dass im
groben Durchschnitt mit der Verdrängung von Kraut-
pflanzen oder Gräsern mit jeder Art etwa 5-25 Tierarten
verdrängt werden. Dulden wir zum Beispiel keine
Brennesseln oder Disteln in unseren Lebensräumen,
dürfen wir uns nicht beklagen, wenn jeweils 13
Schmetterlingsarten ebenfalls verschwinden. Noch
wesentlich gravierender sind die Folgen, wenn wir
bestimmte Baumarten - weil sie zum Beispiel zu wenig
oder keinen Geldertrag abwerfen - verdrängen.
Mindestens 50 Tierarten verschwinden mit der Ver-
drängung einer Baumart, bei Eichen oder Weiden sind
es sogar über 250 Insektenarten. Diese Zusammenhänge
werden über die Harzer Bergbaugeschichte und über die
daraus resultierende Form der Waldbehandlung
besonders deutlich. Die Veränderung der Baumarten
weg von den bis zur Höhenlage von 750-800 m ü.N.N.
ursprünglich dominierenden Buchenwaldgesellschaften
hin zu standortfremden Fichtenbestockungen in sehr
großen, gleichalten und wenig strukturierten Beständen
haben die Waldökosysteme im Harz auf großen Flächen
und über Jahrhunderte gegenüber dem Naturzustand
zum Teil ökologisch äußerst stark beeinträchtigt.
Besonders nachteilig war dabei auch die Verdrängung
der wirtschaftlich uninteressanten so genannten Neben-
oder Pionierbaumarten, wie Eberesche, Weide, Birke,
Aspe, die die Lebensgrundlage für sehr viele Tierarten
sind und über ihre Blattmasse die Bodenbiologie,
Bodenchemie und Bodenphysik sehr positiv beein-
flussen. Zu den daraus resultierenden negativen Ketten-
reaktionen haben in erheblichem Maße die so genannten
Bergfreiheiten beigetragen, die den Einwohnern und aus
der Feme angeworbenen Bergleuten besondere Rechte
der freien Brennholznutzung dieser für den Bergbau
uninteressanten Baumarten und die freie Waldweide mit
Kühen, Ziegen und teilweise auch Schweinen einge-
räumt haben.
Insbesondere in den Mittellagen, in denen dies auch
auf dem Gebiet des heutigen Nationalparks Harz teil-
weise besonders intensiv erfolgt ist, forciert der
Nationalpark heute den renaturierenden Waldumbau in
Richtung der potenziell natürlichen Baumarten-
zusammensetzung mit dem international vorgegebenen
Entwicklungsziel, spätestens nach 20-30 Jahren min-
destens 75 % der Fläche einer unmanipulierten und nut-
zungsfreien Eigendynamik zu überlassen. Der National-
park Harz kommt dabei sehr gut voran und kann bereits
heute ökologisch sehr naturnahe und ästhetisch be-
sonders ansprechende und offensichtlich auch für
Touristen attraktive Wälder vorweisen.
 
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