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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 31.2004

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Exkursionsberichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.51150#0512
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508

System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft

Stadt Einbeck - Historische Stadtforschung in der Praxis
(Exkursion 3)
Leitung: Thomas Keilmann, Wilhelm Lucka, Bernhard Recker und Stefan Teuber

Abb. 1: Einbeck, Ldkr. Nort-
heim, Marktplatz 15,
Windenrad im obersten,
3. Dachgeschoss, 1992.

Die Exkursion führte nach Südniedersachsen in die
Stadt Einbeck auf halber Strecke zwischen Hannover
und Kassel. Im 16. Jahrhundert vornehmlich durch das
dort gebraute Bier bekannt, sind es heute die aus dieser
Zeit erhaltenen circa 150 Bürgerhäuser, die den Ruf als
Fachwerkstadt prägen. Nach zwei verheerenden Stadt-
bränden 1540 und 1548 erfolgte der Wiederaufbau von
bis zu tausend Hausstellen genau zu jenem Zeitpunkt,
als die wirtschaftliche Grundlage für den Wohlstand der
Stadt ihren Höhepunkt gerade überschritten hatte, um
dann in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges völlig
zum Erliegen zu kommen.
Die Frage nach der Authentizität dieses in einigen
Straßenzügen noch erhaltenen Stadtbildes begleitete die
Teilnehmer ebenso wie die Frage nach dem Anspruch
ihrer Erbauer. Da die Kontinuität des spätmittelalter-
lichen Haustyps und der Parzellenstruktur gewahrt
blieb, vollzog sich der Wandel zum frühneuzeitlichen
Hausbau lediglich in der Dekoration, in der Ausstattung,
in Erkern und in Zwerchhäusem. Von diesen Modeer-
scheinungen der Renaissance haben sich bis heute nur
Rudimente erhalten, die es aufzuspüren galt.
Neben Einblicken in die Methodik der vertiefenden
Erfassung mit ihren Möglichkeiten und Grenzen von
Reihenuntersuchungen wurden die Arbeit der Stadt-
archäologie, der reiche Quellenbestand im Stadtarchiv
sowie die bauhistorische Untersuchung eines Bürger-
hauses exemplarisch vorgestellt.
Nach der Begrüßung durch den Bürgermeister er-
folgte eine kurze Einführung in die Stadtgeschichte. Die


dabei auch vorgestellten Fundstücke aus der unlängst
ergrabenen Ratsziegelei vor dem Tiedexer Tor mit ihrem
umfangreichen Material aus Fehlbränden vermitteln zu-
sammen mit den Fundstücken aus den Brandhorizonten
ein sehr differenziertes und heterogenes Bild der 1540
abgebrannten Stadt.
Im Anschluss ging es über die Münsterstraße zum
Marktplatz. Von dem Eckgebäude, zwei 1562 unter ei-
nem Dach verbundenen Bürgerhäusern zum Marktplatz,
wurden die wesentlichen Bestandteile eines reichen
Einbecker Patrizierhauses vorgestellt (der Seitenflügel,
die Press-Stuckdecke im Saal des Zwischengeschosses,
der nicht mehr vorhandene Erker zur Stube im Zwi-
schengeschoss, das Dachwerk mit Windenrad und der
Gewölbekeller mit Wandkamin), in dem sich heute eine
Apotheke befindet. Verbunden hiermit erfolgte mit der
Einführung in die Nutzungsgeschichte der Einbecker
Wohnhäuser mit Brauberechtigung auch eine Darstel-
lung der Luftmalzbereitung auf den Dachböden.
Im Anschluss musste die Gruppe geteilt werden.
Gewählt werden konnte zwischen einem für Einbeck bis
in das späte 17. Jahrhundert typischen Spitzsäulendach-
werk und dem Turmaufstieg in die Wächterstube der
Marktkirche, beides Mitte 16. Jahrhundert. Die Turm-
besteiger erhielten mit dem Arbeitsvertrag, der die
Rechte und Pflichten des Türmers Matthias Schultzen
von 1667 regelte, einen Einblick in die Feinheiten des
Brandschutzes für ein städtisches Gemeinwesen. Im
Dachwerk des so genannten Kommandantenhauses
wurde die Frage nach der Herkunft und Bedeutung der
Zimmermannszeichen aufgeworfen. Daneben galt es
Rückschlüsse und Querverbindungen zu den verschie-
denen Nutzungsebenen des Hauses herzustellen, die
sich im Dachwerk mit seinen Umbauten des 18. und 19.
Jahrhunderts ablesen lassen: Lage der Toreinfahrt mit
Lastenaufzug, Führung der „Rauchteile“ gemäß Polizei-
ordnung von 1549 und Feuerordnung von 1749, die je-
weils einseitige Ausbildung der Brandgiebel, Lage und
Wanderung der Räucherkammer. Während hier die
Reihenuntersuchung mit einem eigens entwickelten
Erhebungsbogen in circa 50 erhaltenen Dachwerken des
16. Jahrhunderts im Vordergrund stand, wurde bei dem
anschließenden Treffen mit einem Bauforscher und
einer Restauratorin in einem leerstehenden Patrizier-
haus der Familie von Einem aus dem Jahre 1544 auf der
Tiedexer Straße eine Vertiefung in das Raum- und Nut-
zungsgefüge Einbecker Bürgerhäuser anhand einer
jüngst vorgenommenen bauhistorischen Untersuchung
vorgenommen. Die auf das Hausbrauen zurückzufüh-
rende Besonderheit der Einbecker Wohnbauten mit
einer ursprünglich ungeteilten Diele im Erdgeschoss
und einem eingehängten Zwischengeschoss mit Stube
zur Straße konnte am Objekt nachvollzogen werden. Für
die Frage nach der ursprünglichen Lage der zentralen
Feuerstelle im Erdgeschoss lässt erst die jetzt anste-
hende archäologische Grabung gesicherte Erkenntnisse
erwarten. Auch wenn die teilweise dichte Befundlage
 
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