Stadt Einbeck - Historische Stadtforschung in der Praxis
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der Bauzeit überrascht, bedeutet die Fixierung auf die
Rekonstruktion der jüngsten Strukturen einen erheb-
lichen Eingriff in die bis dahin weitgehend geschlossen
erhaltene Raumfassung und baufeste Ausstattung des
späten 18. Jahrhunderts.
Auf dem Weg zum Mittagsbüffet im „Brodhaus“
konnte in der Tiedexer Straße auf die vielfach erhaltenen
Bauspuren der ehemaligen Stubenerker hingewiesen
werden. In dem gleichfalls im späten 18. Jahrhundert
stark umgebauten, ehemaligen Bäckergildeamtshaus
am Marktplatz überraschte ein städtischer Braumeister
in historischer Bekleidung mit einer handfesten Ein-
führung in das Einbecker Brauwesen.
Der Hitze des Tages entsprechend wurde der Rund-
gang in den Braukellem zweier Bürgerhäuser in der
Marktstraße/Ecke Maschenstraße fortgesetzt. Zum ei-
nen handelte es sich um den Typ eines im 16. Jahrhun-
dert neu entstandenen, großen Braukellers im Vorder-
haus mit einem Vorkeller unter dem Seitenflügel und
zum anderen um eine kontinuierlich im 15. und 16. Jahr-
hundert erweiterte Kelleranlage, die sich aus mehreren
kleineren, heute deutlich angefüllten Gewölben zusam-
mensetzt. Während es hier vornehmlich um die Keller-
erhebung im Rahmen der durchaus wörtlich zu neh-
menden „vertiefenden“ Erfassung ging, wendete sich
ein Teil der Gruppe der derzeit laufenden Sanierung
eines in Einbeck völlig singulär stehenden Bürgerhaus-
types mit einem umfangreichen, enzyklopädischen
Bildprogramm der Zeit um 1612 zu.
Gemeinsam ging es weiter durch die Knochenhauer-
straße, vorbei am Heiliggeistspital über die Lange
Brücke zu einer kurz nach dem Siebenjährigen Krieg
(1756-63) neu entstandenen und bis heute selten kom-
plett dastehenden Hofanlage. Das Wohnhaus mit seiner
baufesten Ausstattung der Zeit um 1770 und einem erst-
mals bis in das Dach durchlaufenden Treppenaufgang
setzt sich deutlich von dem älteren Einbecker Haustyp
ab. Für die große Scheune konnte in Verbindung mit
Archivalien die Translozierung und Umnutzung einer
ehemaligen Friedhofskapelle vor dem Benser Tor nach-
gewiesen werden. Der „Plankenzaun“, eine mit Sand-
stein abgedeckte Einfriedung in Fachwerk mit Bohlen-
einschüben als Ausfachung der oberen Gefache, gehört
zusammen mit seiner inschriftlichen Datierung (1806)
zum letzten Vertreter seiner Art in Einbeck.
Der vor dem Haus wartende Bus brachte die Teil-
nehmer auf die Trasse der historischen Hubechaussee
von 1773 an die ehemalige Landesgrenze auf die Hube,
einer Anhöhe im Verlauf der Heerstraße Göttingen-
Hannover, der Einbeck seine historische Bedeutung
maßgeblich verdankt. Am Standort des ehemaligen
Landwehrturmes erhielten die Teilnehmer eine anschau-
liche und fundierte Einführung in die Bedeutung der his-
torischen Wege- und Wüstungsforschung.
Zum Abschluss wurde der allein noch verbliebene
Teil mit der Kapelle des ehemaligen Leprosenhauses St.
Bartholomäi besucht, das mit seiner Lage an der Heer-
straße circa 2 km vor dem Altendorfer Tor bis weit in das
20. Jahrhundert als Armenhaus bzw. Altenheim genutzt
wurde. Die dort erhaltenen Wandmalereien aus der Zeit
um 1430 mit der seltenen Darstellung des guten und
schlechten Gebetes erinnern nicht nur an Einbecks
Bedeutung als Wallfahrtsort bis zur Reformation, son-
dern verdeutlichen den hohen künstlerischen Anspruch,
dem die Stadt in ihrer Blütezeit im 15. Jahrhundert auch
nach Außen Rechnung trug.
Allen Mitwirkenden, dem Bürgermeister Wehner,
der Museumsleiterin und Stadtarchivarin Dr. Heege,
dem Stadtarchäologen Dr. Teuber, der Vertreterin der
Unteren Denkmalschutzbehörde Fricke-Fröchtenicht,
der freien Restauratorin Schiöder aus Neustadt, dem
freien Bauforscher Haupt aus Wolfenbüttel, dem städti-
schen „Braumeister“, dem Vertreter der historischen
Geographie in Deutschland Prof. Dr. Denecke, dem
Bauamtsleiter Strohmeier sowie dem Amtsrestaurator
Recker und den Kollegen Kaufmann und Lucka aus dem
Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege sei
hier noch einmal ebenso gedankt wie den zahllosen
Eigentümern der besuchten Bauten sowie den uner-
müdlichen Teilnehmern.
Abb. 2: Einbeck, Ldkr. Nort-
heim, Bürgerhäuser Neuer
Markt 33,35,1999.
Abb. 3: Einbeck, Ldkr. Nort-
heim, Vor dem Altendorfer Tor,
Exkursionsgruppe an der
Bartholomäus-Kapelle, 2003.
Thomas Keilmann
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der Bauzeit überrascht, bedeutet die Fixierung auf die
Rekonstruktion der jüngsten Strukturen einen erheb-
lichen Eingriff in die bis dahin weitgehend geschlossen
erhaltene Raumfassung und baufeste Ausstattung des
späten 18. Jahrhunderts.
Auf dem Weg zum Mittagsbüffet im „Brodhaus“
konnte in der Tiedexer Straße auf die vielfach erhaltenen
Bauspuren der ehemaligen Stubenerker hingewiesen
werden. In dem gleichfalls im späten 18. Jahrhundert
stark umgebauten, ehemaligen Bäckergildeamtshaus
am Marktplatz überraschte ein städtischer Braumeister
in historischer Bekleidung mit einer handfesten Ein-
führung in das Einbecker Brauwesen.
Der Hitze des Tages entsprechend wurde der Rund-
gang in den Braukellem zweier Bürgerhäuser in der
Marktstraße/Ecke Maschenstraße fortgesetzt. Zum ei-
nen handelte es sich um den Typ eines im 16. Jahrhun-
dert neu entstandenen, großen Braukellers im Vorder-
haus mit einem Vorkeller unter dem Seitenflügel und
zum anderen um eine kontinuierlich im 15. und 16. Jahr-
hundert erweiterte Kelleranlage, die sich aus mehreren
kleineren, heute deutlich angefüllten Gewölben zusam-
mensetzt. Während es hier vornehmlich um die Keller-
erhebung im Rahmen der durchaus wörtlich zu neh-
menden „vertiefenden“ Erfassung ging, wendete sich
ein Teil der Gruppe der derzeit laufenden Sanierung
eines in Einbeck völlig singulär stehenden Bürgerhaus-
types mit einem umfangreichen, enzyklopädischen
Bildprogramm der Zeit um 1612 zu.
Gemeinsam ging es weiter durch die Knochenhauer-
straße, vorbei am Heiliggeistspital über die Lange
Brücke zu einer kurz nach dem Siebenjährigen Krieg
(1756-63) neu entstandenen und bis heute selten kom-
plett dastehenden Hofanlage. Das Wohnhaus mit seiner
baufesten Ausstattung der Zeit um 1770 und einem erst-
mals bis in das Dach durchlaufenden Treppenaufgang
setzt sich deutlich von dem älteren Einbecker Haustyp
ab. Für die große Scheune konnte in Verbindung mit
Archivalien die Translozierung und Umnutzung einer
ehemaligen Friedhofskapelle vor dem Benser Tor nach-
gewiesen werden. Der „Plankenzaun“, eine mit Sand-
stein abgedeckte Einfriedung in Fachwerk mit Bohlen-
einschüben als Ausfachung der oberen Gefache, gehört
zusammen mit seiner inschriftlichen Datierung (1806)
zum letzten Vertreter seiner Art in Einbeck.
Der vor dem Haus wartende Bus brachte die Teil-
nehmer auf die Trasse der historischen Hubechaussee
von 1773 an die ehemalige Landesgrenze auf die Hube,
einer Anhöhe im Verlauf der Heerstraße Göttingen-
Hannover, der Einbeck seine historische Bedeutung
maßgeblich verdankt. Am Standort des ehemaligen
Landwehrturmes erhielten die Teilnehmer eine anschau-
liche und fundierte Einführung in die Bedeutung der his-
torischen Wege- und Wüstungsforschung.
Zum Abschluss wurde der allein noch verbliebene
Teil mit der Kapelle des ehemaligen Leprosenhauses St.
Bartholomäi besucht, das mit seiner Lage an der Heer-
straße circa 2 km vor dem Altendorfer Tor bis weit in das
20. Jahrhundert als Armenhaus bzw. Altenheim genutzt
wurde. Die dort erhaltenen Wandmalereien aus der Zeit
um 1430 mit der seltenen Darstellung des guten und
schlechten Gebetes erinnern nicht nur an Einbecks
Bedeutung als Wallfahrtsort bis zur Reformation, son-
dern verdeutlichen den hohen künstlerischen Anspruch,
dem die Stadt in ihrer Blütezeit im 15. Jahrhundert auch
nach Außen Rechnung trug.
Allen Mitwirkenden, dem Bürgermeister Wehner,
der Museumsleiterin und Stadtarchivarin Dr. Heege,
dem Stadtarchäologen Dr. Teuber, der Vertreterin der
Unteren Denkmalschutzbehörde Fricke-Fröchtenicht,
der freien Restauratorin Schiöder aus Neustadt, dem
freien Bauforscher Haupt aus Wolfenbüttel, dem städti-
schen „Braumeister“, dem Vertreter der historischen
Geographie in Deutschland Prof. Dr. Denecke, dem
Bauamtsleiter Strohmeier sowie dem Amtsrestaurator
Recker und den Kollegen Kaufmann und Lucka aus dem
Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege sei
hier noch einmal ebenso gedankt wie den zahllosen
Eigentümern der besuchten Bauten sowie den uner-
müdlichen Teilnehmern.
Abb. 2: Einbeck, Ldkr. Nort-
heim, Bürgerhäuser Neuer
Markt 33,35,1999.
Abb. 3: Einbeck, Ldkr. Nort-
heim, Vor dem Altendorfer Tor,
Exkursionsgruppe an der
Bartholomäus-Kapelle, 2003.
Thomas Keilmann