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Jahrestagung 2003 in Hannover im HannoverCongressCentrum (HCC)
Plenum und Tagungsabschluss
Denkmalpflege heute - Krise und Ausblick
Norbert Huse
Zunächst habe ich für eine Einladung zu danken, die
anzunehmen ich lange gezögert habe. Ich meinte und
meine, dass eigentlich jemand aus Ihren Reihen heute
an meiner Stelle stehen sollte. Meine Anmerkungen zum
Stand der Dinge kommen nicht von einem Denkmal-
pfleger, sondern von einem, der im Hauptberuf an der
Technischen Universität München Architekturstudenten
Kunstgeschichte nahe zu bringen hat, der sich im
Rahmen seiner wissenschaftlichen Nebentätigkeiten
mit Geschichte und Theorie der Denkmalpflege befasst
und der gelegentlich auch auf das praktische Denkmal-
geschehen einzuwirken versucht. Nicht immer zur
ungetrübten Freude der betroffenen Denkmalämter, die
an einer Haltung der kritischen Solidarität das Haupt-
wort Solidarität manchmal zu übersehen geneigt sind.
Ich möchte besonders Sie, die Sie mir heute morgen
zuhören, sehr herzlich bitten, das Unangenehme und
Kritische, das ich glaube sagen zu müssen, in diesem
Sinne zu verstehen. Wenn die deutsche Denkmalpflege
nicht eigentlich eine großartige Sache wäre, um die zu
kämpfen sich wahrlich lohnt, dann brauchte man sich
keine Gedanken und Sorgen um sie zu machen und dann
müssten wir auch nicht zusammen kommen.
Von der Ankündigung im Programm werde ich etwas
abweichen, denn inzwischen habe ich das Positions-
papier der Kultusministerkonferenz (KMK) „Zur Zu-
kunftsfähigkeit von Denkmalschutz und Denkmal-
pflege“ von 2002, das ja im weiteren Verlauf des Vor-
mittags noch eine Rolle spielen wird, genauer studieren
können und vor allem habe ich inzwischen auch die für
meine Begriffe ganz unerwartet positiv intonierte Stel-
lungnahme gelesen, mit der die Sprecher der beiden
zuständigen Berufsverbände dieses Papier in der Zeit-
schrift „Die Denkmalpflege“ (DD) vorgestellt haben.
Vielleicht, so dachte ich mir, könnte es förderlich sein,
wenn sich nun auch einer äußert, der keine standes-
politischen oder sonstigen Rücksichten zu nehmen hat.
Äußerungen jedenfalls tun Not. Denn was dort
beschlossen wurde, ist ja nicht einfach nur ein Stück
Papier, sondern die von allen Bundesländern ohne Aus-
nahme vereinbarte Deklaration einer neuen Denkmal-
politik.
Zunächst ist man ja erst einmal froh und stolz, dass
sich die für die Denkmalpflege in unserer Republik
letzten Endes politisch Verantwortlichen zu einer grund-
sätzlichen Stellungnahme zusammengefunden haben.
Und auf den ersten Blick enthält ihr Papier ja auch sehr
viel Begrüßenswertes und Herzerwärmendes. Dann aber
beschleichen einen doch schnell Bedenken, wenn man
zum Beispiel unter der Liste der „in Betracht kom-
menden Maßnahmen“ - das Papier kennt auch „Not-
wendigkeiten“ an erster Stelle findet: „Erhaltung und
Stärkung der bewährten Einrichtungen (Denkmalfach-
und Schutzbehörden), damit sie sich den wandelnden
Anforderungen anpassen können“. Da reibe ich mir
doch etwas die Augen. Denn wenn ich nicht alle
Kollegenerzählungen falsch verstanden habe, ist es doch
eher so, dass die Ämter zur Zeit finanziell, personell und
ideell eher ausgezehrt, gebeutelt, an manchen Stellen
sogar schikaniert werden. Und ist es nicht so, dass der
Denkmalpflege gerade mit der so genannten Neu-
organisation der Ämter, die nicht selten ihrer Zer-
schlagung nahe kommt, allenthalben essentielle Grund-
lagen ihrer Arbeit genommen werden? Was also ist ein
solcher Satz - vorausgesetzt man nimmt ihn ernst?
Chuzpe? Eine Provokation? Gedankenlosigkeit scheidet
wohl aus, denn vor dem Hintergrund der aktuellen Ent-
wicklungen macht es durchaus Sinn, zu sagen, dass
Stärkung und Erhaltung zwar in Betracht kommen, aber
nur, ich wiederhole das Zitat: „Damit sie sich den
wandelnden Anforderungen anpassen können“. - Auf
Bewährung also, und mit der stillschweigenden Auflage
des Wohlverhaltens?
Wenn ich mich richtig erinnere, gehörte es vor noch
gar nicht allzu langer Zeit zu den Pflichten staatlicher
Behörden, dem Allgemeinwohl zuliebe, dem Zeitgeist
auch einmal Widerstand zu leisten. Wenn ich mir eine
unbotmäßige Randbemerkung erlauben darf, dann
möchte ich doch berichten, dass vom Rande des Spiel-
feldes aus, und ich bin dort nicht allein, nur schwer zu
verstehen ist, mit welcher Friedfertigkeit auch struktur-
verändernde politische Entscheidungen, die die Ämter
betrafen, hingenommen worden sind und hingenommen
werden. Ich bin nicht der einzige, dem es schwer fällt zu
verstehen, warum jedes einzelne Amt sich mit dem
jeweiligen Dienstherm abkämpft, die Gesamtheit der
Ämter aber, die Vereinigung also, die gerade wieder
zusammen getreten ist, und die ja mehr ist als die
Summe ihrer Mitglieder, keinen in der Öffentlichkeit als
solchen erkennbaren Widerstand leistet. Und dabei ist
doch nun wirklich Feuer unterm Dach! Überall werden
Mittel gekürzt, Stellen gestrichen. Sie wissen es besser
als ich, ganze Tätigkeitsbereiche kommen zum Erlie-
gen. Die Stimmung in vielen Ämtern schwankt zwi-
schen Sarkasmus und Resignation. Wo ist öffentlich
davon die Rede, dass bei dem, was beschönigend Neu-
organisation genannt wird, sehr oft Strukturen und
institutionelle Erfahrungen verloren gehen, die unver-
zichtbar sind. Wäre das nicht ein würdiges Thema für
den Tag des offenen Denkmals, an dem jeder Lokal-
anzeiger für unsere Themen offen ist?
Ich bestreite nicht, dass oft guter Wille im Spiele ist.
So werden im Namen größerer Bürgemähe zentrale
Funktionen, etwa in der Bauforschung, in der Inventari-
sation oder in der Restaurierung preisgegeben. Zumin-
dest in den traditionsreichen Ämtern aber haben sich
jahrzehntelange fachliche Erfahrungen und Potenziale
angesammelt, auf die man nicht ungestraft verzichten
Jahrestagung 2003 in Hannover im HannoverCongressCentrum (HCC)
Plenum und Tagungsabschluss
Denkmalpflege heute - Krise und Ausblick
Norbert Huse
Zunächst habe ich für eine Einladung zu danken, die
anzunehmen ich lange gezögert habe. Ich meinte und
meine, dass eigentlich jemand aus Ihren Reihen heute
an meiner Stelle stehen sollte. Meine Anmerkungen zum
Stand der Dinge kommen nicht von einem Denkmal-
pfleger, sondern von einem, der im Hauptberuf an der
Technischen Universität München Architekturstudenten
Kunstgeschichte nahe zu bringen hat, der sich im
Rahmen seiner wissenschaftlichen Nebentätigkeiten
mit Geschichte und Theorie der Denkmalpflege befasst
und der gelegentlich auch auf das praktische Denkmal-
geschehen einzuwirken versucht. Nicht immer zur
ungetrübten Freude der betroffenen Denkmalämter, die
an einer Haltung der kritischen Solidarität das Haupt-
wort Solidarität manchmal zu übersehen geneigt sind.
Ich möchte besonders Sie, die Sie mir heute morgen
zuhören, sehr herzlich bitten, das Unangenehme und
Kritische, das ich glaube sagen zu müssen, in diesem
Sinne zu verstehen. Wenn die deutsche Denkmalpflege
nicht eigentlich eine großartige Sache wäre, um die zu
kämpfen sich wahrlich lohnt, dann brauchte man sich
keine Gedanken und Sorgen um sie zu machen und dann
müssten wir auch nicht zusammen kommen.
Von der Ankündigung im Programm werde ich etwas
abweichen, denn inzwischen habe ich das Positions-
papier der Kultusministerkonferenz (KMK) „Zur Zu-
kunftsfähigkeit von Denkmalschutz und Denkmal-
pflege“ von 2002, das ja im weiteren Verlauf des Vor-
mittags noch eine Rolle spielen wird, genauer studieren
können und vor allem habe ich inzwischen auch die für
meine Begriffe ganz unerwartet positiv intonierte Stel-
lungnahme gelesen, mit der die Sprecher der beiden
zuständigen Berufsverbände dieses Papier in der Zeit-
schrift „Die Denkmalpflege“ (DD) vorgestellt haben.
Vielleicht, so dachte ich mir, könnte es förderlich sein,
wenn sich nun auch einer äußert, der keine standes-
politischen oder sonstigen Rücksichten zu nehmen hat.
Äußerungen jedenfalls tun Not. Denn was dort
beschlossen wurde, ist ja nicht einfach nur ein Stück
Papier, sondern die von allen Bundesländern ohne Aus-
nahme vereinbarte Deklaration einer neuen Denkmal-
politik.
Zunächst ist man ja erst einmal froh und stolz, dass
sich die für die Denkmalpflege in unserer Republik
letzten Endes politisch Verantwortlichen zu einer grund-
sätzlichen Stellungnahme zusammengefunden haben.
Und auf den ersten Blick enthält ihr Papier ja auch sehr
viel Begrüßenswertes und Herzerwärmendes. Dann aber
beschleichen einen doch schnell Bedenken, wenn man
zum Beispiel unter der Liste der „in Betracht kom-
menden Maßnahmen“ - das Papier kennt auch „Not-
wendigkeiten“ an erster Stelle findet: „Erhaltung und
Stärkung der bewährten Einrichtungen (Denkmalfach-
und Schutzbehörden), damit sie sich den wandelnden
Anforderungen anpassen können“. Da reibe ich mir
doch etwas die Augen. Denn wenn ich nicht alle
Kollegenerzählungen falsch verstanden habe, ist es doch
eher so, dass die Ämter zur Zeit finanziell, personell und
ideell eher ausgezehrt, gebeutelt, an manchen Stellen
sogar schikaniert werden. Und ist es nicht so, dass der
Denkmalpflege gerade mit der so genannten Neu-
organisation der Ämter, die nicht selten ihrer Zer-
schlagung nahe kommt, allenthalben essentielle Grund-
lagen ihrer Arbeit genommen werden? Was also ist ein
solcher Satz - vorausgesetzt man nimmt ihn ernst?
Chuzpe? Eine Provokation? Gedankenlosigkeit scheidet
wohl aus, denn vor dem Hintergrund der aktuellen Ent-
wicklungen macht es durchaus Sinn, zu sagen, dass
Stärkung und Erhaltung zwar in Betracht kommen, aber
nur, ich wiederhole das Zitat: „Damit sie sich den
wandelnden Anforderungen anpassen können“. - Auf
Bewährung also, und mit der stillschweigenden Auflage
des Wohlverhaltens?
Wenn ich mich richtig erinnere, gehörte es vor noch
gar nicht allzu langer Zeit zu den Pflichten staatlicher
Behörden, dem Allgemeinwohl zuliebe, dem Zeitgeist
auch einmal Widerstand zu leisten. Wenn ich mir eine
unbotmäßige Randbemerkung erlauben darf, dann
möchte ich doch berichten, dass vom Rande des Spiel-
feldes aus, und ich bin dort nicht allein, nur schwer zu
verstehen ist, mit welcher Friedfertigkeit auch struktur-
verändernde politische Entscheidungen, die die Ämter
betrafen, hingenommen worden sind und hingenommen
werden. Ich bin nicht der einzige, dem es schwer fällt zu
verstehen, warum jedes einzelne Amt sich mit dem
jeweiligen Dienstherm abkämpft, die Gesamtheit der
Ämter aber, die Vereinigung also, die gerade wieder
zusammen getreten ist, und die ja mehr ist als die
Summe ihrer Mitglieder, keinen in der Öffentlichkeit als
solchen erkennbaren Widerstand leistet. Und dabei ist
doch nun wirklich Feuer unterm Dach! Überall werden
Mittel gekürzt, Stellen gestrichen. Sie wissen es besser
als ich, ganze Tätigkeitsbereiche kommen zum Erlie-
gen. Die Stimmung in vielen Ämtern schwankt zwi-
schen Sarkasmus und Resignation. Wo ist öffentlich
davon die Rede, dass bei dem, was beschönigend Neu-
organisation genannt wird, sehr oft Strukturen und
institutionelle Erfahrungen verloren gehen, die unver-
zichtbar sind. Wäre das nicht ein würdiges Thema für
den Tag des offenen Denkmals, an dem jeder Lokal-
anzeiger für unsere Themen offen ist?
Ich bestreite nicht, dass oft guter Wille im Spiele ist.
So werden im Namen größerer Bürgemähe zentrale
Funktionen, etwa in der Bauforschung, in der Inventari-
sation oder in der Restaurierung preisgegeben. Zumin-
dest in den traditionsreichen Ämtern aber haben sich
jahrzehntelange fachliche Erfahrungen und Potenziale
angesammelt, auf die man nicht ungestraft verzichten