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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 31.2004

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Plenum und Tagungsabschluss
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https://doi.org/10.11588/diglit.51150#0479
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Denkmalpflege heute - Krise und Ausblick

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sollte, die aber mit den zentralen Institutionen unwie-
derbringlich verloren gehen. Punktuell herangezogener
auswärtiger Sachverstand ist dafür kein Ersatz. Man
kann und muss der institutionalisierten Denkmalpflege
mehr Mut und mehr Konfliktbereitschaft wünschen.
Aber dazu bedarf es des Rückhaltes in staatlicher Zu-
ständigkeit und Verantwortung. Und dazu gehört unab-
dingbar eine Politik, die der Denkmalpflege auch im All-
tag den Rücken stärkt, zum Beispiel dadurch, dass sie
durch ihr Handeln die Denkmalpflege nicht ihrer Glaub-
würdigkeit beraubt. Dass Repräsentanten des Staates den
kleinen Mann mit detaillierten Gestaltungsvorschriften
plagen, während der Staat selbst Denkmale höchsten
Ranges partikularen Interessen zu opfern bereit ist - das
ist und bleibt ein Skandal. Ganz zu schweigen davon,
dass große Denkmalbestände bei Kirchen, Schlössern
und großen Vermögensverwaltungen denkmalpflege-
risch fast exterritorial zu sein scheinen.
Ich will das Positionspapier der KMK nicht dämo-
nisieren. Aber ganz werde ich die Skepsis auch dann
nicht los, wenn ich Sätze lese, die ich, vom Rande des
Spielgeschehens aus, zunächst einmal unterschreiben
würde. Etwa den, dass es innerhalb der Denkmalpflege
notwendig sei, „noch vorhandene restriktive und reak-
tive Handlungsmuster durch werbende und offensive am
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Strate-
gien zu ersetzen“. Darüber ließe sich leichter reden,
wenn nicht erkennbar wäre, dass Anpassung an das, was
ohnehin geschieht, die Leitidee des ganzen Papiers ist.
Und dies in einem Maße, dass man sich am Ende fragt,
fragen muss, wozu es einer unabhängigen Denkmal-
pflege eigentlich überhaupt noch bedarf.
Ich übertreibe vermutlich maßlos, und vielleicht höre
ich ganz einfach nur das Gras wachsen, aber ich bitte Sie
trotzdem, doch noch einmal mit mir zum Beispiel auf
den Satz zu hören, mit dem der zentrale Abschnitt über
die Zukunftsfähigkeit von Denkmalpflege und Denk-
malschutz beginnt: „Ziel von Denkmalschutz und Denk-
malpflege ist es, Grundlagen und Rahmenbedingungen
zu erarbeiten, um gewachsene historische Strukturen zu
erhalten, ggf. mit neuer Architektur und Gestaltungs-
elementen, störungsfrei zu verknüpfen und nachhaltige
Perspektiven für die Orte gesellschaftlichen Lebens und
der gesellschaftlichen Identitätsstiftung zu eröffnen. Die
Fachdisziplin muss die Grundlagen liefern und ver-
mitteln “.
Für die Älteren im Saal ist das Grundmuster sofort
erkennbar. Zum einen werden der Denkmalpflege Auf-
gaben zugewiesen, zum Beispiel die, Rahmenbedin-
gungen zu schaffen zur Identitätsfindung, die natürlich
schmeicheln, die aber auch gefährlich sind, da dies Auf-
gaben sind, die der Gesellschaft im Ganzen nicht
gelingen und schon deshalb auch der Denkmalpflege
gar nicht gelingen können, was man ihr aber eines nicht
fernen Tages als Beweis von Inkompetenz und Versagen
vorwerfen wird. Besonders heftig werden die Vorwürfe
dann sein, wenn das Verhältnis des Erhaltenen zu neuer
Architektur und neuen Gestaltungselementen nicht
störungsfrei ist - als ob es das überhaupt sein könnte.
Und als ob nicht gerade die Störungen das Produktive
für beide Seiten darstellen. Vor allem aber: auch hier
geht es - ich wiederhole „ störungsfreie Verknüpfung “ —
um Anpassung und Funktionalisierung, und zwar nicht
nur der Denkmalpflege, sondern auch - sehr viel schlim-
mer noch - der ihr Schutzbefohlenen, der Denkmale.

Wer ehrlich ist und die Augen offen hält, wird
zugeben müssen, dass die neue Denkmalpolitik von der
bisherigen Praxis so weit gar nicht entfernt ist. Denn die
neuerdings unter jüngeren Kollegen kursierende Ver-
mutung, bisher habe man Denkmalpflege gewisser-
maßen mit Dehio und Riegel unter dem Arm betrieben,
beruht entweder auf Fehlinformationen oder frommen
Wünschen. Das Neue am Positionspapier aber ist, dass
nun auch Grundsätze, Ziele und Aufgaben neu definiert
werden und zwar durch politischen Oktroy. Erklärte
Absicht des Papiers ist es ja, das um 1975 entstandene
Paradigma durch ein neues zu ersetzen. Die neue Posi-
tion definiert sich also ganz ausdrücklich und wesent-
lich nicht nur durch sich selbst, sondern auch durch das,
wovon sie Abschied nimmt. Dazu gehört nicht zuletzt
ein öffentlicher Diskurs, dem die Denkmalpflege sehr
viel verdankt, und in dem sie auch selbst einmal eine
gewichtige Stimme hatte. An die Stelle solcher Diskur-
se tritt jetzt die obrigkeitliche Ersatzvornahme. Nach
einem Rückblick auf die Jahre um 1975 proklamiert das
Positionspapier: „Zu Beginn des neuen Jahrtausends
stehen Denkmalschutz und Denkmalpflege vor neuen
Herausforderungen Wieder kündigt sich ein Paradig-
menwechsel an. Im Gegensatz zum Vorangegangenen
wird er aber nicht von interdisziplinär und auf unter-
schiedlichen gesellschaftlichen Ebenen geführten Dis-
kussionen vorbereitet und begleitet.
Die vermeintlichen und tatsächlichen Zwänge von
Globalisierung und Strukturwandel und der damit ein-
hergehende Veränderungsdruck, aber auch die schwie-
rige Finanzsituation der öffentlichen Haushalte sind die
bestimmenden Faktoren.
Beiseite gewischt wird damit fast alles, was bis vor
kurzem noch, offiziell zumindest, Aufgabe und Legi-
timation von Denkmalpflege und Denkmalschutz aus-
gemacht hat. Die Einsicht etwa, dass Denkmale unab-
dingbar an Spuren am originalen Ort und reale Ge-
schichte gebunden sind, dass es beim Denkmalschutz
nicht um Gestaltung geht, sondern um Geschichte, dass
man sich diese Geschichte nicht aussuchen kann, dass
die Denkmale der Gegenwart nicht zur beliebigen Ver-
fügung stehen, dass das Verhalten zu ihnen deshalb nur
ein treuhänderisches sein darf, usw. usw.
Der zentrale Begriff des Positionspapiers ist der der
Akzeptanz: „Eine breite öffentliche Akzeptanz ist die
Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit von Denkmal-
pflege und Denkmalschutz Das klingt gut, und wir alle
wissen, dass dieser Begriff keine Kreation der KMK ist,
sondern schon seit Jahren eine steile Karriere macht. Wo
Akzeptanz gefordert wurde, war dies nicht immer, aber
immer öfter, auch ein anderer Name für Opportunismus.
Wo das Fehlen von Akzeptanz beklagt wurde, war dies
nicht immer, aber immer öfter, auch ein Schutzmantel
für Selbstmitleid und Flucht vor der Verantwortung.
Der Begriff der Akzeptanz hat auch in der internen
Diskussion immer mehr einen anderen ersetzt, der bis in
die Gesetzgebung und die Rechtssprechung hinein, die
letzten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts be-
stimmt hatte, den Begriff des öffentlichen Interesses.
„Öffentliches Interesse“, das ist - oder treffender: das
war einmal? - das entscheidende Regulativ, das Krite-
rium, das herauszufinden half, was aus der Menge der
potenziellen Denkmale tatsächlich zu erhalten war und
zwar, so sagt es eine stabilisierte Rechtssprechung,
zunächst einmal ganz unabhängig davon, wie schwierig
 
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