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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: St. Michaelis in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 34.2008

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Binding, Günther: St. Michaelis in Hildesheim - Einführung, Forschungsstand und Datierung
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https://doi.org/10.11588/diglit.51162#0015
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St. Michaelis in Hildesheim
Einführung, Forschungsstand und Datierung

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te Eingangshalle aufgefasst und breiter als üblich
dimensioniert - das nördliche Seitenschiff ist aus
Symmetriegründen entsprechend angelegt. Als
Eingangshalle erweist sich das Seitenschiff auch durch
die im Verhältnis zur Mittelschiffhöhe auffällig niedri-
gen Arkaden, über denen sich im Mittelschiff zwi-
schen einem Gesims und der Fensterfolge eine große
glatte Wandfläche befindet, für die vermutlich
Wandmalereien geplant waren, wie sie in St. Georg
auf der Insel Reichenau (Oberzell) aus dem späten 10.
Jahrhundert erhalten sind. Die Arkaden zwischen dem
etwas mehr als drei Quadrate langen Mittelschiff und
den Seitenschiffen teilen Pfeiler in drei Gruppen von
je zwei Säulen. Diese zwölf Säulen versinnbildlichen
die zwölf Apostel als Säulen der ecclesia spiritualis.
Die drei Gruppen entsprechen den zwei Eingangs-
räumen mit den axial angeordneten beiden Portalen
seitlich eines mittleren Raumes als Zentrum der sym-
metrischen Ordnung. Das Achten auf Symmetrie ist
zu Bernwards Zeit eine wichtige Aufgabe.
Vorbild für St. Michaelis war vermutlich teilweise der
Bamberger Dom (1002/07-1012), der nach der Re-
konstruktion von Walter Sage aufgrund ungleicher
Größe und Abfolge der Basisspuren den ersten nach-
weisbaren so genannten sächsischen Stützenwechsel
(zwei Säulen zwischen Pfeilern) ausgebildet hatte. Die
ungewöhnliche Breite der Seitenschiffe von etwa 6 m
ist in beiden Kirchen vorhanden, in Hildesheim im

Verhältnis zur Breite des Mittelschiffs auffälliger, da
dieses mit 8,5 m schmaler ist als das Bamberger mit
10,5 m. Die doppelchörige Kirche hat die gleiche
Gesamtlänge von 74 m wie St. Michaelis. Auch in
Bamberg ist der Westchor über der dreischiffigen
Hallenkrypta deutlich größer als der Ostchor. Ebenso
waren in Bamberg der Zugang und die Schaufront auf
der - hier nördlichen - Langseite. Ein östliches Quer-
schiff fehlt jedoch, so dass die symmetrische Aus-
gewogenheit nicht besteht. Für das breite Seitenschiff
ist auf die Klosterkirche Reichenau-Mittelzell zu ver-
weisen; dort hat Abt Witigowo (985-997) das
Langhaus erweitert und 6,60 m breite Seitenschiffe
bei einer Mittelschiffbreite von 10,15 m geschaffen.
In dieser Bauphase war die Kirche doppelchörig, und
der Zugang erfolgte von Süden in das Seitenschiff.
St. Michaelis in Hildesheim gehört zu den mittelgro-
ßen Kirchenbauten der Zeit; er entspricht in seiner
Länge von 74 m dem von Otto dem Großen gebauten
Magdeburger Dom, dem Bamberger Dom Heinrichs II.
und dem Endausbau von St. Pantaleon in Köln. Klei-
ner sind beispielsweise Gernrode mit 48 m, Oberkau-
fungen mit etwa 58 m, St. Aposteln in Köln mit 64,5
m, der Paderborner Dom llb mit 68 m und St. Maxi-
min in Trier mit 70 m. Größer sind Memleben mit et-
wa 83 m, Lüttich mit 90 m, Verdun mit 91 m und der
Kölner Dom VII mit 94 m.

Anmerkungen
1 Siehe dazu ausführlich Binding, Bauherr 1998.
2 Vita Bernwardi 51; Kallfelz 1973, S. 350-353 (die Überset-
zung wurde teilweise geändert). Zur Interpretation siehe
Dieter von der Nahmer: Die Inschrift auf der Bernwardstür in
Hildesheim im Rahmen Bernwardinischer Texte, in: Bernwar-
dinische Kunst, Hrsg. Martin Gosebruch, Frank N. Steiger-
waldt (= Schriftenreihe d. Komm. f. Niedersächsische Bau-
und Kunstgesch. bei der Braunschweigischen Wissenschaftl.
Gesellschaft 3) Göttingen 1988, S. 59-64.
3 Norbert, Vita Bennonis II. episcopi Osnabrugensis, praef.;
MGH SS 30/2, 872. - Binding/Linscheid-Burdich 2002, S. 28
f.
4 MGH Legum sectio II: Capitularia regum Francorum. Bd. 2,
Hannover 1897, S. 429. - Pierre Richä: Die Welt der Karo-
linger. Stuttgart 1981, S. 290 mit Übersetzung (geändert).
5 Suger von Saint-Denis, Ordinatio 25; Andreas Speer,
Günther Binding (Hrsg.): Abt Suger von Saint-Denis. Ausge-
wählte Schriften. Darmstadt 2000, S. 186 f.
6 Vita Bernwardi 55; Kallfelz 1973, S. 358 f.

7 Günther Binding: Quellen in Kirchen als fontes vitae, in:
Festschrift für Heinz Ladendorf. Hrsg. Peter Bloch, Gisela
Zick. Köln, Wien 1970, S. 9-21.-Günther Binding: Quellen,
Brunnen und Reliquiengräber in Kirchen, in: Zeitschrift für
Archäologie des Mittelalters 3, 1975, S. 37-56.
8 Dhuoda, Manuel pour mon fils {Liber manualis). Hrsg.
Pierre Riehe. Paris 1975, S. 357 f. - Richä (wie Anm. 4) S.
290. [...] Nec hinc pertranseat quis, usque dum
legat./Coniuro omnes ut orent, ita dicentes:/Requiem illi tri-
bue, Alme, et lucem perpertuam ei cum sanctis iube, benig-
nus, in finem largiri./Amen recipiat post funeris ipsa. -
Günter Bernt: Dhuoda, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3,
München, Zürich 1986, Sp. 934.
9 Gerhard, Vita Oudalrici episcopi Augustani 14 und 27;
Kallfelz 1973, S. 112-115 und 150 f. - Leo Marsicanus,
Chronica monasterii Casineniis III, 73; MGH SS 34, 456. -
Thietmar von Merseburg, Chronicon II, 17; Werner Trillmich
(= Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 9) Darmstadt
1962, S. 52 f.
10 Ruotger, Vita sancti Brunonis archiepiscopi Coloniensis 21
und 31; Kallfelz 1973, S. 210 f., 224 f.
 
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