91
Helmut Brandorff
Die archäologischen Untersuchungen in St. Michaelis, Hildesheim
Bericht1 über die Ausgrabungen vom 21.02. bis 01.06.2006
Anlass der Untersuchung
Im Jahr 2010 feiert die St. Michaeliskirche zu Hildes-
heim ihr 1000-jähriges Bestehen. Bis zu diesem Zeit-
punkt soll eine im September 2005 begonnene, in
mehreren Bauabschnitten geplante Grundsanierung
durchgeführt werden. Der erste Bauabschnitt umfass-
te unter anderem den Um- und Ausbau des Heizungs-
kellers unter der Westvierung sowie eine Erneuerung
des gesamten Heizungssystems und des kompletten
Fußbodens. Diese Arbeiten wurden im September
2007 abgeschlossen. Die Bauarbeiten hatten tief ge-
hende Eingriffe in den Boden unter der Kirche und in
die untertägige Bausubstanz mit sich gebracht. Für
alle Beteiligten bestand daher Konsens, diesmal zu-
mindest eine bauarchäologische Begleitung der Bau-
maßnahmen zu gewährleisten. In den 60er und 70er
Jahren hatten bereits umfangreiche Bodeneingriffe
beim Einbau der jüngsten Warmluftheizung ohne jede
denkmalpflegerische Beteiligung stattgefunden. Im
Zuge der aktuellen Bauarbeiten ergab sich nun die
einmalige Gelegenheit, offene Fragen zu Bauge-
schichte und Ausstattung der Kirche zu klären. Für die
Fachwelt war es von großem Interesse, die Erkennt-
nisse zu erweitern, die sich im Zuge des Wiederauf-
baus nach dem Zweiten Weltkrieg bei den Unter-
suchungen durch die Bauhistoriker Hartwig Beseler
und Hans Roggenkamp und die Grabungen 1946/47
durch den Kunsthistoriker Josef Bohland2 (jun.) erge-
ben hatten.
Beteiligt an der Sanierung sind das Land Niedersach-
sen, vertreten durch das Niedersächsische Landesamt
für Denkmalpflege (NLD), Hannover, die Evangelisch-
lutherische Landeskirche Hannovers mit ihrem Lan-
deskirchlichen Amt für Bau- und Kunstpflege, Hanno-
ver, und ihrer Außenstelle in Hildesheim und die ev.-
luth. Kirchengemeinde St. Michaelis in Hildesheim.
Darüber hinaus ist die Kirchliche Denkmalpflege der
Diözese Hildesheim in die Maßnahmen eingebunden,
da sich die Westkrypta mit der Grabstätte Bischof
Bernwards nach wie vor unter der Obhut der Katho-
lischen Kirche befindet.
Für den ersten Bauabschnitt wurde vereinbart, nach
Entfernung des Fußbodens eine archäologische
Untersuchung in den Monaten März bis Mai 2006
unter der Fachaufsicht des NLD durchzuführen. Be-
treuender Wissenschaftler war Dr. Michael Braune
vom Arbeitsbereich Historische Bauforschung, die
wissenschaftliche Leitung vor Ort übernahm der
Verfasser. Das NLD stellte technisches Personal und
die Gemeinde St. Michaelis beschäftigte für die
Grabung drei bis vier Grabungsarbeiter. Der Diözesan-
konservator der Diözese Hildesheim, Prof. Dr. Ing. Karl
Bernhard Kruse, erbot sich, im Rahmen seiner Lehr-
tätigkeit an der Universität Braunschweig mit seinen
Studenten ein Grabungspraktikum durchzuführen (s.
Beitrag ,Kruse'). Interdisziplinäre Unterstützung er-
hielt die Maßnahme durch die forensische Anthropo-
login Frau Dr. Kerstin Kreutz von der Universität Hil-
desheim. Sie barg mit ihren Mitarbeitern die Skelett-
reste für eine weitere Bearbeitung (s. Beitrag ,Kreutz').
Arbeitsbedingungen/Methode
Nach der Entfernung des Fußbodens konnte Ende
Februar 2006 mit der archäologischen Untersuchung
begonnen werden. Entgegen der ursprünglichen Ver-
einbarung konnte die Baufirma aber nicht die Bau-
stelle räumen, da im Westteil der Kirche noch um-
fangreiche Abbrucharbeiten zur Beseitigung der alten
Heizungsanlagen zu erledigen waren. Dies führte zu
fortwährenden sehr starken Lärmemissionen und
Staubbelastungen, die bis zum Ende der Unter-
suchung am 1. Juni andauerten. Für die archäologi-
sche Untersuchung bedeutete dies eine erhebliche
Erschwernis, insbesondere bei der Dokumentation der
Befunde, die zumindest zeitweise eine akustische
Kommunikation zwischen den Mitarbeitern voraus-
setzt. Für die fotografische Dokumentation mussten
Zeiträume abgewartet werden, in denen keine
Stemmarbeiten durchgeführt wurden bzw. bis sich
der Staub gesetzt hatte.
In der zur Verfügung stehenden Zeit konnten nur
Teilbereiche der Kirche gegraben werden. Im Innern
der Kirche wurden 20 Schnitte angelegt und ein
Schnitt außen am südöstlichen Treppenturm. Vor-
rangig wurden Stellen ausgewählt, an denen beson-
ders tiefe Bodeneingriffe geplant waren. Dies betraf
vor allem die Standorte für die neuen dezentralen
Heizstationen, deren Unterkante bis circa 1 m unter
die zukünftige Fußbodenhöhe reichen würde. Der
Fußbodenunterbau in den übrigen Bereichen sollte in-
klusive darin verlegter Leitungen nicht tiefer als 30 cm
unter dieses Niveau reichen. Weitere Stellen zur
Untersuchung betrafen Bereiche, an denen 1946/47
Helmut Brandorff
Die archäologischen Untersuchungen in St. Michaelis, Hildesheim
Bericht1 über die Ausgrabungen vom 21.02. bis 01.06.2006
Anlass der Untersuchung
Im Jahr 2010 feiert die St. Michaeliskirche zu Hildes-
heim ihr 1000-jähriges Bestehen. Bis zu diesem Zeit-
punkt soll eine im September 2005 begonnene, in
mehreren Bauabschnitten geplante Grundsanierung
durchgeführt werden. Der erste Bauabschnitt umfass-
te unter anderem den Um- und Ausbau des Heizungs-
kellers unter der Westvierung sowie eine Erneuerung
des gesamten Heizungssystems und des kompletten
Fußbodens. Diese Arbeiten wurden im September
2007 abgeschlossen. Die Bauarbeiten hatten tief ge-
hende Eingriffe in den Boden unter der Kirche und in
die untertägige Bausubstanz mit sich gebracht. Für
alle Beteiligten bestand daher Konsens, diesmal zu-
mindest eine bauarchäologische Begleitung der Bau-
maßnahmen zu gewährleisten. In den 60er und 70er
Jahren hatten bereits umfangreiche Bodeneingriffe
beim Einbau der jüngsten Warmluftheizung ohne jede
denkmalpflegerische Beteiligung stattgefunden. Im
Zuge der aktuellen Bauarbeiten ergab sich nun die
einmalige Gelegenheit, offene Fragen zu Bauge-
schichte und Ausstattung der Kirche zu klären. Für die
Fachwelt war es von großem Interesse, die Erkennt-
nisse zu erweitern, die sich im Zuge des Wiederauf-
baus nach dem Zweiten Weltkrieg bei den Unter-
suchungen durch die Bauhistoriker Hartwig Beseler
und Hans Roggenkamp und die Grabungen 1946/47
durch den Kunsthistoriker Josef Bohland2 (jun.) erge-
ben hatten.
Beteiligt an der Sanierung sind das Land Niedersach-
sen, vertreten durch das Niedersächsische Landesamt
für Denkmalpflege (NLD), Hannover, die Evangelisch-
lutherische Landeskirche Hannovers mit ihrem Lan-
deskirchlichen Amt für Bau- und Kunstpflege, Hanno-
ver, und ihrer Außenstelle in Hildesheim und die ev.-
luth. Kirchengemeinde St. Michaelis in Hildesheim.
Darüber hinaus ist die Kirchliche Denkmalpflege der
Diözese Hildesheim in die Maßnahmen eingebunden,
da sich die Westkrypta mit der Grabstätte Bischof
Bernwards nach wie vor unter der Obhut der Katho-
lischen Kirche befindet.
Für den ersten Bauabschnitt wurde vereinbart, nach
Entfernung des Fußbodens eine archäologische
Untersuchung in den Monaten März bis Mai 2006
unter der Fachaufsicht des NLD durchzuführen. Be-
treuender Wissenschaftler war Dr. Michael Braune
vom Arbeitsbereich Historische Bauforschung, die
wissenschaftliche Leitung vor Ort übernahm der
Verfasser. Das NLD stellte technisches Personal und
die Gemeinde St. Michaelis beschäftigte für die
Grabung drei bis vier Grabungsarbeiter. Der Diözesan-
konservator der Diözese Hildesheim, Prof. Dr. Ing. Karl
Bernhard Kruse, erbot sich, im Rahmen seiner Lehr-
tätigkeit an der Universität Braunschweig mit seinen
Studenten ein Grabungspraktikum durchzuführen (s.
Beitrag ,Kruse'). Interdisziplinäre Unterstützung er-
hielt die Maßnahme durch die forensische Anthropo-
login Frau Dr. Kerstin Kreutz von der Universität Hil-
desheim. Sie barg mit ihren Mitarbeitern die Skelett-
reste für eine weitere Bearbeitung (s. Beitrag ,Kreutz').
Arbeitsbedingungen/Methode
Nach der Entfernung des Fußbodens konnte Ende
Februar 2006 mit der archäologischen Untersuchung
begonnen werden. Entgegen der ursprünglichen Ver-
einbarung konnte die Baufirma aber nicht die Bau-
stelle räumen, da im Westteil der Kirche noch um-
fangreiche Abbrucharbeiten zur Beseitigung der alten
Heizungsanlagen zu erledigen waren. Dies führte zu
fortwährenden sehr starken Lärmemissionen und
Staubbelastungen, die bis zum Ende der Unter-
suchung am 1. Juni andauerten. Für die archäologi-
sche Untersuchung bedeutete dies eine erhebliche
Erschwernis, insbesondere bei der Dokumentation der
Befunde, die zumindest zeitweise eine akustische
Kommunikation zwischen den Mitarbeitern voraus-
setzt. Für die fotografische Dokumentation mussten
Zeiträume abgewartet werden, in denen keine
Stemmarbeiten durchgeführt wurden bzw. bis sich
der Staub gesetzt hatte.
In der zur Verfügung stehenden Zeit konnten nur
Teilbereiche der Kirche gegraben werden. Im Innern
der Kirche wurden 20 Schnitte angelegt und ein
Schnitt außen am südöstlichen Treppenturm. Vor-
rangig wurden Stellen ausgewählt, an denen beson-
ders tiefe Bodeneingriffe geplant waren. Dies betraf
vor allem die Standorte für die neuen dezentralen
Heizstationen, deren Unterkante bis circa 1 m unter
die zukünftige Fußbodenhöhe reichen würde. Der
Fußbodenunterbau in den übrigen Bereichen sollte in-
klusive darin verlegter Leitungen nicht tiefer als 30 cm
unter dieses Niveau reichen. Weitere Stellen zur
Untersuchung betrafen Bereiche, an denen 1946/47