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Günther Binding
ein, wie die nach 1060 verfassten Annales Hildes-
heimenses, die auf die älteren Hildesheimer Annalen
zurückgehen, und die davon abgeschriebene Notiz in
der Vita Bernwardi vermerken. Vermutlich erfolgte die
Einsetzung Goderams nach der Ausfertigung des von
Bernward erbetenen kaiserlichen Schutzbriefes für
das Kloster, quod ipse a fundamento constructum in
honore sancti Michahelis archangeli consecravit, vom
3. November 1022;52 damit beabsichtigte Bernward
„die Sicherheit der Bistumsgrenzen und das ewige
Gebet von Mönchen an seinem Grab."53 Wenige Ta-
ge vor seinem Tod lässt Bernward von dem Schles-
wiger Bischof Eggehard eine Martinskapelle (zwischen
Hl. Kreuz-Kapelle und Klosterkirche) für seine 1007
aus Frankreich mitgebrachten Martinsreliquien wei-
hen icapellam inter sacellum sanctae Crucis et mona-
sterium suum constructam in honore beati Christi
confessoris Martini) und „legte am selben Tag sein
bisheriges Gewand ab und nahm zur Mehrung der
Frömmigkeit das Joch des Mönchsgelübdes auf
sich".54 Am 20. November 1022 ist Bernward gestor-
ben und wurde in der Krypta in einem von ihm vorbe-
reiteten Grab vor dem Marienaltar bestattet.55
Sein Nachfolger Bischof Godehard (1023-1038) hatte
zunächst, wie der Hildesheimer Domherr Wolfhere
1038 berichtet, in Holthuson (Wrisberghofen am Vor-
harz) ein Kloser gebaut und am 21. März 1029 ge-
weiht; dorthin siedelte er die Mönche des Hildes-
heimer Michaelisklosters um, damit sie „in größerer
Entfernung zu menschlicher Gesellschaft dem Weg
ihres Gelübdes freier folgen konnten." Als das „der
Meinung der Menschen missfiel, wies er sie an, zu
ihrem früheren Wohnsitz (habitaculum) zurückzukeh-
ren." Godehard übergab dem Abt Goderam und des-
sen Nachfolger Adalbert alle Stiftungen Bernwards
[an das Michaeliskloster] „zur Erbauung dieser
Klosterkirche (in huiusmet monasterii edificationem).
[...] Die Klosterkirche aber, die von Abt Adalbert bis
auf irgendwelche Türme und kleinere Kapellen löblich
vollendet worden ist, weihte er am 29. Sept. 1033.
(monasterium ab Adalberto abbate nisi quibus turri-
bus et minoribus capellis laudabiliter consummatum)
zu Ehren des hl. Michael. [...] Schließlich ging es, im
folgenden Jahr am Pfingstsamstag, dem 1. Juni 1034,
gegen Abend durch einen Blitz verbrannt, elendig
unter (fulmine combustum miserabiliter interit),"56
konnte aber (nach unsicherer Überlieferung) 1035
wieder geweiht werden.57 Wie diese Nachrichten in
Hinblick auf den Bauzustand der Kirche und des
Klosters bei Bernwards Tod 1022 interpretiert werden
können oder müssen, ist wohl kaum zu entscheiden,
jedenfalls lassen sie erkennen, dass an der Kirche und
wohl auch am Kloster nach 1029 bis zur Weihe 1033
gebaut werden musste und die Türme 1033 noch
nicht fertig waren.
Anmerkungen
1 Vita Bernwardi 7 f.; Kallfelz 1973, S. 284-287. -
Binding/Linscheid-Burdich 2002, S. 626 f. - Binding, Bauherr
1998, S. 78 f.
2 Vita Bernwardi 10; Kallfelz 1973, S. 288 f.
3 Hildesheimer Denkschrift zum Gandersheimer Streit siehe
Hans Jakob Schuffels im Bernward-Katalog 1993, Bd. 2, S.
489-491. - Ernst-Dieter Hehl: Der widerspenstige Bischof, in:
Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen. (= Vor-
träge und Forschungen, 46) Hrsg. Gerd Althoff, Emst
Schubert. Sigmaringen 1998, S. 295-344, hier S. 316 f. -
Siehe auch Goetting 1984, S. 167, und Gerd Althoff: Otto III.
Darmstadt 1996, S. 57 f„ 160-169.
4 Vita Bernwardi 34; Kallfelz 1973, S. 330 f.
5 Zur Vita Bernwardi siehe Hans Jakob Schuffels im
Bernward-Katalog 1993, Bd. 2, S. 10-13. - Kallfelz 1973, S.
265-271. - Goetting 1984, S. 167. - Drögereit 1959 geht
davon aus, dass nur die Berichte bis 1002 von Thangmar
stammen; die Kapitel 12 ff. mit dem ausführlichen Bericht
über den Gandersheimer Streit wurden 1007-1025/26 abge-
fasst, eine Abschrift davon aus dem Ende der 20er Jahre des
11. Jahrhunderts ist die Dresdener Handschrift, siehe Anm. 3.
- Unkritisch und ohne Kenntnis der handschriftlichen Über-
lieferung: Knut Görich, Hans-Henning Kortüm: Otto III.,
Thangmar und die Vita Bernwardi, in: Mitt. d. Inst. f. österr.
Gesch.-Forschung 98, 1990, S. 1-57 (die ganze Vita aus der
2. Hälfte des 12. Jahrhunderts, nichts von Thangmar). -
Algermissen 1960, S. 3, vermutet, dass die Kapitel 1-11 von
Thangmar stammen, aber Interpolationen aus dem letzten
Drittel des 12. Jahrhunderts enthalten. - Zu Görich/Kortüm
nimmt Marcus Stumpf: Zum Quellenwert von Thangmars
Vita Bernwardi, in: Deutsches Archiv 53, 1997, S. 461-496,
Stellung und behauptet - nicht recht überzeugend -, dass
die ganze Vita von Thangmar stammt. Das übernimmt auch
unkritisch Martina Giese: Die Textfassungen der Lebens-
beschreibung Bischof Bernwards von Hildesheim. (= Monu-
menta Germaniae Historica. Studien und Texte, 40) Hanno-
ver 2006, S. 29 f.
6 Knut Görich in: Lexikon des Mittelalters, 8, München,
Zürich 1997, Sp. 610. - Algermissen 1960, S. 1, geht von
1003 aus, da Thangmar „seit dem Jahr 1002 [...] nicht mehr
erscheint." - Stumpf (wie Anm. 5) S. 491,494-496.
7 Das laut Inschrift von Bernward angefertigte Silberkreuz im
Dommuseum von Hildesheim, das Reliquien des heiligen
Kreuzes und der heiligen Laurentius, Stephanus und Dio-
Günther Binding
ein, wie die nach 1060 verfassten Annales Hildes-
heimenses, die auf die älteren Hildesheimer Annalen
zurückgehen, und die davon abgeschriebene Notiz in
der Vita Bernwardi vermerken. Vermutlich erfolgte die
Einsetzung Goderams nach der Ausfertigung des von
Bernward erbetenen kaiserlichen Schutzbriefes für
das Kloster, quod ipse a fundamento constructum in
honore sancti Michahelis archangeli consecravit, vom
3. November 1022;52 damit beabsichtigte Bernward
„die Sicherheit der Bistumsgrenzen und das ewige
Gebet von Mönchen an seinem Grab."53 Wenige Ta-
ge vor seinem Tod lässt Bernward von dem Schles-
wiger Bischof Eggehard eine Martinskapelle (zwischen
Hl. Kreuz-Kapelle und Klosterkirche) für seine 1007
aus Frankreich mitgebrachten Martinsreliquien wei-
hen icapellam inter sacellum sanctae Crucis et mona-
sterium suum constructam in honore beati Christi
confessoris Martini) und „legte am selben Tag sein
bisheriges Gewand ab und nahm zur Mehrung der
Frömmigkeit das Joch des Mönchsgelübdes auf
sich".54 Am 20. November 1022 ist Bernward gestor-
ben und wurde in der Krypta in einem von ihm vorbe-
reiteten Grab vor dem Marienaltar bestattet.55
Sein Nachfolger Bischof Godehard (1023-1038) hatte
zunächst, wie der Hildesheimer Domherr Wolfhere
1038 berichtet, in Holthuson (Wrisberghofen am Vor-
harz) ein Kloser gebaut und am 21. März 1029 ge-
weiht; dorthin siedelte er die Mönche des Hildes-
heimer Michaelisklosters um, damit sie „in größerer
Entfernung zu menschlicher Gesellschaft dem Weg
ihres Gelübdes freier folgen konnten." Als das „der
Meinung der Menschen missfiel, wies er sie an, zu
ihrem früheren Wohnsitz (habitaculum) zurückzukeh-
ren." Godehard übergab dem Abt Goderam und des-
sen Nachfolger Adalbert alle Stiftungen Bernwards
[an das Michaeliskloster] „zur Erbauung dieser
Klosterkirche (in huiusmet monasterii edificationem).
[...] Die Klosterkirche aber, die von Abt Adalbert bis
auf irgendwelche Türme und kleinere Kapellen löblich
vollendet worden ist, weihte er am 29. Sept. 1033.
(monasterium ab Adalberto abbate nisi quibus turri-
bus et minoribus capellis laudabiliter consummatum)
zu Ehren des hl. Michael. [...] Schließlich ging es, im
folgenden Jahr am Pfingstsamstag, dem 1. Juni 1034,
gegen Abend durch einen Blitz verbrannt, elendig
unter (fulmine combustum miserabiliter interit),"56
konnte aber (nach unsicherer Überlieferung) 1035
wieder geweiht werden.57 Wie diese Nachrichten in
Hinblick auf den Bauzustand der Kirche und des
Klosters bei Bernwards Tod 1022 interpretiert werden
können oder müssen, ist wohl kaum zu entscheiden,
jedenfalls lassen sie erkennen, dass an der Kirche und
wohl auch am Kloster nach 1029 bis zur Weihe 1033
gebaut werden musste und die Türme 1033 noch
nicht fertig waren.
Anmerkungen
1 Vita Bernwardi 7 f.; Kallfelz 1973, S. 284-287. -
Binding/Linscheid-Burdich 2002, S. 626 f. - Binding, Bauherr
1998, S. 78 f.
2 Vita Bernwardi 10; Kallfelz 1973, S. 288 f.
3 Hildesheimer Denkschrift zum Gandersheimer Streit siehe
Hans Jakob Schuffels im Bernward-Katalog 1993, Bd. 2, S.
489-491. - Ernst-Dieter Hehl: Der widerspenstige Bischof, in:
Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen. (= Vor-
träge und Forschungen, 46) Hrsg. Gerd Althoff, Emst
Schubert. Sigmaringen 1998, S. 295-344, hier S. 316 f. -
Siehe auch Goetting 1984, S. 167, und Gerd Althoff: Otto III.
Darmstadt 1996, S. 57 f„ 160-169.
4 Vita Bernwardi 34; Kallfelz 1973, S. 330 f.
5 Zur Vita Bernwardi siehe Hans Jakob Schuffels im
Bernward-Katalog 1993, Bd. 2, S. 10-13. - Kallfelz 1973, S.
265-271. - Goetting 1984, S. 167. - Drögereit 1959 geht
davon aus, dass nur die Berichte bis 1002 von Thangmar
stammen; die Kapitel 12 ff. mit dem ausführlichen Bericht
über den Gandersheimer Streit wurden 1007-1025/26 abge-
fasst, eine Abschrift davon aus dem Ende der 20er Jahre des
11. Jahrhunderts ist die Dresdener Handschrift, siehe Anm. 3.
- Unkritisch und ohne Kenntnis der handschriftlichen Über-
lieferung: Knut Görich, Hans-Henning Kortüm: Otto III.,
Thangmar und die Vita Bernwardi, in: Mitt. d. Inst. f. österr.
Gesch.-Forschung 98, 1990, S. 1-57 (die ganze Vita aus der
2. Hälfte des 12. Jahrhunderts, nichts von Thangmar). -
Algermissen 1960, S. 3, vermutet, dass die Kapitel 1-11 von
Thangmar stammen, aber Interpolationen aus dem letzten
Drittel des 12. Jahrhunderts enthalten. - Zu Görich/Kortüm
nimmt Marcus Stumpf: Zum Quellenwert von Thangmars
Vita Bernwardi, in: Deutsches Archiv 53, 1997, S. 461-496,
Stellung und behauptet - nicht recht überzeugend -, dass
die ganze Vita von Thangmar stammt. Das übernimmt auch
unkritisch Martina Giese: Die Textfassungen der Lebens-
beschreibung Bischof Bernwards von Hildesheim. (= Monu-
menta Germaniae Historica. Studien und Texte, 40) Hanno-
ver 2006, S. 29 f.
6 Knut Görich in: Lexikon des Mittelalters, 8, München,
Zürich 1997, Sp. 610. - Algermissen 1960, S. 1, geht von
1003 aus, da Thangmar „seit dem Jahr 1002 [...] nicht mehr
erscheint." - Stumpf (wie Anm. 5) S. 491,494-496.
7 Das laut Inschrift von Bernward angefertigte Silberkreuz im
Dommuseum von Hildesheim, das Reliquien des heiligen
Kreuzes und der heiligen Laurentius, Stephanus und Dio-